Nordland oder Abendland?

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Kaum ein anderer Begriff hat die aktuelle Debatte um die zunehmenden Islamisierungstendenzen Europas mehr geprägt als der Begriff des „Abendlandes“. Vor allem bürgerliche und populistische Bewegungen wie Pegida beklagen insbesondere, dass durch die Landnahme muslimischer Einwanderer das „Abendland“ bedroht sei und mit diesem die christlichen Werte, die jene Gruppierungen besonders hochhalten. Doch was hat es mit dem Abendland wirklich auf sich? Ist Deutschland kulturhistorisch überhaupt ein Teil des Abendlandes, bzw. kann es das bei Zuwendung zu seinen arteigenen Wertvorstellungen durch eine mögliche deutsch-völkische Selbstfindung noch sein?

Beginnen wir zunächst mit der Geburtsstunde der abendländischen Idee. Als das antike römische Reich in sich zusammenbrach, herrschte längere Zeit ein Machtvakuum in den südlichen und westlichen Teilen Europas.Das Völkerchaos des Römerreiches wurde durch die Wanderung germanischer Stämme überlagert, hieraus entwickelten sich später die Völker, die dem romanischen Kulturkreis zugerechnet werden, in erster Linie Franzosen, Italiener und Spanier also. Während sie sich der stilistischen Bildern der Antike weiter bedienten, wurde jedoch die Weltanschauung der Papstkirche das Bindeglied zwischen ihnen, die für abendländische Kultur eine zentrale Rolle spielt. Die nationalen Weltanschauungen jener europäischen Volkstümer südlich der Alpen wurden sogar praktisch gleichbedeutend mit der römisch-katholischen Lehre, die das Leben von der Geburt bis zum Grabe unter ihre Regelung nahm.

Entstanden ist das Abendland mit der Begründung des Frankenreiches durch Chlodwig I. Nach der siegreichen Schlacht gegen die germanischen Alamannen im Jahre 496 vollzog Chlodwig den Übertritt zum katholischen Christentum, das von nun an die staatstragende Religion des Frankenreiches wurde. In der nachfolgenden Zeit wurden noch viele weitere germanischen Stämme gewaltsam unterworfen und dem Reichsgebilde, das sich seine Grenzen expansionistisch erweiterte, einverleibt. Der imperialistische Vielvölkercharakter und die Funktion als verlängerter, weltlicher Arm der Papstkirche sollte dem Abendland für die nachfolgenden Epochen seine Prägung aufdrücken, die es bis in die Gegenwart des vorigen Jahrhunderts behalten hat.

Karl der Große

Der perverse Höhepunkt abendländischer Machtpolitik im Zusammenspiel mit gewaltsamer Missionierung im Namen „Christi“ und des „heiligen Stuhls“ ist den meisten Zeitgenossen sicherlich mit der Sachsenabschlachtung durch Karl den Großen im Jahre 782 in Verden an der Aller geläufig. Diesem Ereignis vorausgegangen war die Zerstörung der Irminsul im Jahre 772, dem Hauptheiligtum der freien und heidnischen Sachsen. Die nicht-abendländischen Sachsen leisteten unter ihrem Herzog Widukind erbitterten Widerstand gegen die Besatzungstruppen einer wesensfremden Macht, die anders als die antiken Römer jedoch selbst germanischer Abkunft waren und sich damit in einem Bruderkrieg Germane gegen Germane wiederfanden, was auch in den Folgejahrhunderten bezeichnend für den weiteren tragischen Verlauf der deutschen Geschichte werden sollte. Die rücksichtslose Eroberungspolitik Karls des Großen sollte als warnendes Beispiel der Geschichte den inneren Konflikt zwischen deutscher Art und abendländischem Romanisierungsdrang auf dem Boden Mitteleuropas einleiten. Die ständig währende imperialistische Machtanspruchspolitik, die den abendländischen Herrschern zur Errichtung ihres Gottesreichs auf Erden nach der artfremden Lehre des Kirchenvaters Augustin inne wohnte, hat vor allem den Deutschen einen hohen Blutzoll abverlangt, wie wir nachfolgend noch erörtern werden.

Mit dem Reich der Habsburger entstand ein weiteres abendländisches Reich auf europäischen Boden, das aber die Expansionsbemühungen des Frankenreiches noch in den Schatten stellen sollte. Unter dem Kaiser Karl V., von dem der berühmte Ausspruch „In meinem Reiche geht die Sonne nie unter“ stammt, hat eine abendländische Macht zum ersten mal das von der Papstkirche proklamierte weltumspannende Gottesreich geschaffen, allerdings auf Kosten zahlreicher indigener Kulturen und Naturvölker im Südteil der kurz zuvor entdeckten „neuen Welt“, die noch schlimmer als die Sachsen rund 750 Jahre zuvor im Namen „Christi“ ausgerottet worden sind. Der Stern der Habsburger sollte aber nur kurze Zeit im Zenit stehen. Während der Amtszeit Karls spaltete sich das Reich in eine österreichische und in eine spanische Linie auf, was den Abstieg des Hauses Habsburg einleitete. Zudem war mit Frankreich eine weitere abendländische Großmacht aufgestiegen, die für sich die Verwirklichung eines universalistischen Weltreichs in Anspruch nahm. Dass „das Abendland“ die ganze Zeit hindurch einen einheitlichen Block der gesamten europäischen Christenheit darstellte, wie es uns heutige christliche Abendlandretter weiß machen wollen, ist historisch nicht korrekt. Auf dem europäischen Boden bildeten sich mit der Zeit verschiedene abendländische Mächte, die in Konkurrenz zueinander traten und Kriege gegeneinander führten. Im Falle des über Jahrhunderte schwelenden habsburgisch-französischen Konflikts unterstützte das abendländische Frankreich im 17. Jahrhundert sogar die osmanischen Invasoren mit ihrer islamischen Fremdreligion bei ihrem Kampf gegen das abendländische Habsburgerreich. Schon die Byzantiner wurden bei der Belagerung ihrer letzten Festung Konstantinopel durch die Osmanen 1453 von der „abendländischen Christenheit“ im Stich gelassen. Religiöse Bekenntisse waren stets nur ein Werkzeug abendländischer Herrscher zur Festigung ihrer Macht, je nachdem ob ein Bund mit der Papstkirche oder ein Bund mit einer anderen der später erschienenen christlichen Kirchen sich als pragmatischer erwies. Da die Mächte des Abendlandes stets unfähig waren, sich eine eigene Lebensanschauung auf der Grundlage eines sie tragenden Volkes zu schaffen, mussten sie zu den Hilfsmitteln der christlichen Lehre greifen, die das Leben der Menschen organisierte und ihren Machtbereich durch die Erweiterung von Grenzen über ihren natürlichen Wirkungskreis hinaus definieren. Eine Weltanschauung auf der Grundlage einer Art und einer bestimmten Volksseele hat es in der abendländischen Welt nie gegeben.

Der erste sich gegen die erdrückende Schwere der päpstlich-römischen Herrschaft in Europa erhebende Funke zündete schließlich mit dem Erscheinen Martin Luthers und seiner ins Rollen gebrachten Reformationsbewegung, die besonders auf dem Boden des habsburgischen Machtbereiches um sich griff. Der dem Nordländer so fremde Gedanke, dass es nur einen dogmatisch festgeschriebenen Weg zu Gott gäbe, der so verstanden werden soll, wie ihn der zufällige Ausleger der Doktrin gerade interpretiert, und dass es zum Erhalt einer Gemeinschaft einer starr umrissenen Lehre bedarf, wurde immer mehr Deutschen zuwider, und diese fanden in Luther ihren Anführer gegen die Romkirche und gegen das selbstherrliche Gebahren des vom Wesen her undeutschen Kaisers Karl V. Doch die Reformation war nicht durchschlagskräftig genug, um das fremde Joch abzuschütteln. Luther stellte sich am Ende gegen die religiöse Gewissensfreiheit, die er anfänglich selbst beansprucht hatte, und versagte sich der Einigung der evangelischen Städte, die durch die Schweiz herbeigeführt werden sollte gegen den in Deutschland zu erwartenden Kaiser. Zeitgleich setzte die Gegenreformation der römisch-päpstlichen Feindmächte mit dem Erscheinen der ultrakonservativen Jesuiten und deren Bündnis mit dem einflussreichen Adelgeschlecht der Wittelsbacher ein. Die nicht minder dogmatisch gewordenen Reformatoren zerstritten sich untereinander und wurden uneins, da mit Calvinisten und Lutheranern zwei unterschiedliche Lager über die richtige Auslegung der evangelischen Lehre im Dissens lagen. Während der habsburgische Kaiser Maximilian II. der Reformation noch offen gegenüberstand, verfolgte sein Nachfolger Ferdinand II. eine offen antireformatorische Politik, die letztendlich zu einer der größten Katastrophen der deutschen Geschichte, dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, führte.

Das ohnmächtig und wehrlos gewordene Deutschland wurde zu einem Kriegsschauplatz fremder Heere, und am Ende dieses Ringens zwischen verschiedenen abendländischen Mächten blieb nur noch ein menschenleeres und entvölkertes Trümmerfeld übrig. Das deutsche Volk wurde durch das Wirken abendländischer Machtpolitik und religiöser Unduldsamkeit zwischen den verschiedenen Auslegern einer artfremden Buchreligion letztendlich um mehrere Jahrhunderte in seiner Entwicklung zurückgeworfen, hat wertvollstes Erbgut für immer eingebüßt und ist durch die Hinterlassenschaften der peripheren Kriegsparteien schon im Ansatz überfremdet worden.

Dennoch erlebte Deutschland in den Folgejahrhunderten eine Phase der Erholung und eine langsame Rückbesinnung auf seine ureigensten Wurzeln, ohne ganz zum Spielball abendländischer Interessen zu werden. Unter dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg wurde das Edikt von Potsdam erlassen, was es rund 20.000 überwiegend nordischen Hugenotten erlaubte, als französische Glaubensflüchtlinge in brandenburgisch-preußische Landen einzuwandern und mit ihrer Bildung und ihren Fähigkeiten am Wiederaufbau des Landes mitzuhelfen. Anders als die Pseudoflüchtlinge der Gegenwart zahlte sich die Anwerbung der historischen „Refugees“ durchaus aus, denn sowohl die Hugenotten in Frankreich als auch die in Brandenburg ansässigen Deutschen konnten beide auf dieselben germanischen Wurzeln zurückblicken, was eine fruchtbare Integration möglich machte.  Preußen, das als protestantischer Hohenzollernstaat vom Einfluss des abendländischen habsburgisch-katholischen Machtbereiches weitgehend verschont blieb, obwohl es dennoch immer noch zum Heiligen Römischen Reich gehörte, mauserte sich durch die kluge Politik des großen Kurfürsten, auch im Hinblick auf sein außenpolitisches Geschick schon bald zu einer Großmacht und legte damit den Keim zum späteren deutschen Reich des Nordlandes. Der Urenkel des Kurfürsten Friedrich Wilhelm sollte schließlich als „großer König“ Friedrich Preußen zum Zenit seiner Machtstellung in Europa führen und mit der Praxis des preußischen Sozialismus den Grundstein längst vergessener deutscher Weltanschauung legen.

Napoleon

Mit dem Einfall Napoleons in deutsche Lande, der den Traum des französischen Weltreiches endgültig verwirklicht sehen wollte, kehrte das Abendland jedoch wieder nach Preußen und ins Nordland zurück. Die verlorenen Schlachten von Jena und Auerstedt 1806 degradierten die Preußen zu Knechten des französischen Usurpators in seinem maßlosen Drange, sein Weltreich durch die Expansion von Grenzen und die Hineinverpflanzung von Völkern in sein Reich zu vergrößern. Eine typische, weiter oben beschriebene Praxis abendländischer Machtpolitik, die für den französischen Nationalismus bezeichnend wurde. Das Blatt sollte sich nach der Völkerschlacht jedoch wieder zugunsten von Preußen wenden, und nun war den Deutschen der Weg geebnet nach einem noch jahrzehntelangen Ringen in Bruderkriegen zwischen aufstrebenden Preußen und den abendländischen Relikten des alten Habsburgerreiches, dem Kaisertum Österreich und seiner deutschen Verbündeten, zu ihrem geeinten Reiche zu gelangen. Aber das zweite Reich Bismarcks, dass den ersten deutschen Nationalstaat der Geschichte im Jahr 1871 aus der Wiege hob, trug noch immer die Handschrift abendländischer Staatsbaukunst. Man versuchte, abendländische Werte, die sich auf dem Boden der Pax Romana entwickelt hatten, einzudeutschen und sich als gleichberechtigten Mitspieler im Wettstreit der abendländischen Nationen um Kolonialbesitz und Machtexpansion zu etablieren. Erst nachdem im Folgejahrhundert ein weiterer furchtbarer Krieg zwischen diesen Nationen Deutschland eine unheilvolle Schmach zufügte und die Sieger Teile seines Volkes vom Reich abtrennten, um sie innerhalb willkürlich neu gezogener Grenzen in künstliche Vielvölkergebilde zu verpflanzen, entstand im deutschen Volk eine Bewegung, die vom Bewusstsein erfüllt war, dass nur die Verwirklichung des Nordlandes als artgemäßer Lebenskreis der Deutschen, fernab von abendländischer Anschauung und religiös-dogmatischen Lehren, dauerhafte Stabilität und Volkes Überleben sichern kann. Nachdem diese Bewegung tatsächlich die Geschicke an sich reißen konnte und zur Verwirklichung dieses kühnen Unternehmens, der Umwertung aller bisherigen abendländischen Werte, schritt, fand auch der Begriff des Nordlandes seinen Weg in das Bewusstsein der Deutschen. An die Stelle der jesuitischen und katholizistischen Dogmenlehre trat das positive Christentum, wie es Eckhart von Hochheim bereits im 14. Jahrhundert skizziert hatte und deshalb vom päpstlichen Hof in Avignon der Häresie beschuldigt wurde, das alte römische Recht der abendländischen Staaten wurde durchein deutsches Gemeinrecht ersetzt, das die verlorengegangene Einheit von Volk und Recht wiederherstellte, und die germanische Demokratie löste die Mehrheitsdemokratie der Stimmenzählung ab, wie sie die abendländisch gesinnten aufklärerischen Universalisten, von der französischen Revolution inspiriert, aus dem welschen Lande einst nach Deutschland brachten, und das ihnen bereits von Friedrich Schiller das spöttische Wort einbrachte, dass "Verstand stets bei Wen´gen nur" gewesen sei.

Doch heute, 80 Jahre später, scheint dieses Bewusstsein selbst in deutsch-patriotischen Kreisen weitgehend verloren gegangen zu sein, was sich in der Abendlandromantik jener gutwilligen Aktivisten äußert, die die Festung Europa vor dem Ansturm der muslimischen Invasion beschützen wollen. Ganz sicher wollen wir Europa verteidigen und mit ihm auch seine mannigfaltigen Werte und an die jeweiligen Völker gebundenen spezifischen Lebensanschauungen, mögen sie abendländischer oder nordländischer Natur sein. Aber von einem einzigen Abendlande zu sprechen, dessen Teil auch Deutschland selbst ist, greift hierbei zu kurz. Ferner noch verfehlt es den Gedanken, dass sich Deutschland anders als die Nationen Süd- und Westeuropas entwickelt hat und sich eine andersgeartete Wirklichkeit geschaffen hat, die nicht im römischen Stil, im mittelländischen Typus oder in der klerikalen Anschauung über die knechtische, sühnevolle und büßerische Haltung des Menschen vor einem personifizierten Gott zu finden ist. Europa ist kein „abendländischer Block“, sondern eine Region der Erde, in der die weißen Völker  unterschiedliche Stadien einer nicht gleichgerichteten Entwicklung durchlaufen und dabei eine Vielfalt an Blüten getrieben haben.

Diese Vielfalt an völkischen Lebenskreisen soll auch in Zukunft unter einer Europäischen Eidgenossenschaft, wie es der "III. Weg" in seinem Programm fordert, erhalten bleiben und nicht unter dem Duktus eines wie auch immer gearteten, universalistischen Weltreichs eingeebnet werden.
 

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