Lügen für Fortgeschrittene

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Desinformation kann viele Formen annehmen. Diese reichen vom bewussten Verschweigen bestimmter Informationen über das Verdrehen von Fakten, bis hin zur glatten Lüge, all die Dinge, die die Systempresse hierzulande ihren schönen Beiname „Lügenpresse“ zu verdanken hat. Doch im Gegensatz zu dem, was wir im folgenden Besprechen wollen, sind diese Methoden nahezu stümperhaft und einfach zu durchschauen. Die Königsdisziplin unter den schmutzigen Tricks im Kampf um die öffentliche Meinung ist die Desinformation auf „intellektueller“ Ebene. Intellektuell in Anführungszeichen, weil die Lüge lediglich im Gewand einer offenen und ehrlichen, teils akademischen, Auseinandersetzung mit einem Thema daherkommt, in Wirklichkeit jedoch nichts anderes ist, als billige Meinungsmache wie man sie in der BILD findet, nur eben für gebildete Kreise verpackt. Das perfide an solch pseudointellektuellem Unsinn ist, dass die gehobene Sprache, der Einsatz von Zitaten und die oberflächlich schlüssigen Erklärungen des Autors den Eindruck erwecken, der Text sei von einem Experten verfasst und höchst anspruchsvoll. In unserer spezialisierten Gesellschaft sind die meisten es gewohnt, normalerweise aus gutem Grund, der Meinung von Experten auf deren Spezialgebt, zu vertrauen. Die meisten stellen das Gesagte nicht infrage, was dadurch verstärkt, dass das Wissen, welches nötig wäre, um den Autor seiner geschickten Lüge zu überführen, selbst in gebildeten Kreisen, meist nur halb oder gar nicht vorhanden ist.
Die Form, die diese Art der Desinformation annehmen kann, ist natürlich praktisch endlos, weshalb wir uns ihre Arbeitsweise verdeutlichen wollen. Als Beispiel dient uns hierzu eine im Spiegel, unter der Rubrik „Wissenschaft“, erschienene Kolumne mit dem Titel „Was heißt eigentlich „konservativ“? “ Es ist nicht unbedingt nötig diesen Text vorher zu lesen, jedoch empfehlenswert, da wir nur einzelne Stellen herausgreifen werden.

Anmerkung: Wir sind uns natürlich bewusst, dass es sich bei dem Text Stöckers um eine Kolumne handelt, dass Kolumnen die Meinung des Autors widerspiegeln und nicht denselben Ansprüchen genügen müssen, wie herkömmliche Presseartikel. Wir sind jedoch der Meinung, dass wer seine Meinung über andere Personen in der Öffentlichkeit kundtut, dies auf ehrliche Art und Weise tun sollte. Wie wir sehen werden, tut Stöcker dies nicht und einige seiner „Meinungen“ grenzen schon fast an Rufmord. Zu guter Letzt geht es uns aber auch nicht um Stöcker selbst oder seinen Text, sondern um Methoden der Manipulation und in dieser Hinsicht macht es keinen Unterschied, ob wir von einer Kolumne oder einem normalen Nachrichtenartikel sprechen.

Der Autor, Christian Stöcker, beginnt seinen Text mit einem Zitat des amerikanischen Politikwissenschaftlers Corey Robin zum Thema Konservatismus: „Denn das ist Konservatismus: Das Nachdenken über die Erfahrung und die theoretische Ausformulierung des Empfindens, Macht zu haben, sie bedroht zu sehen und zu versuchen, sie zurückzugewinnen.“
Bei der Wahl und dem Inhalt dieses Zitates fallen gleich zwei Dinge auf. Zu aller, dass die hier gegebene Definition von dem, was Konservatismus sein soll, nichts mit Konservatismus zu tun hat. Konservatismus bedeutet, grob gesagt und wie der Name schon andeutet, den Erhalt bestimmter sozialer und gesellschaftlicher Zustände anzustreben. Das politische Streben Konservativer auf den Erhalt der eigenen Macht zu reduzieren, ist in dem Sinne unehrlich, da jede politische Strömung am Erhalt der eigenen Macht interessiert ist, womit diese Definition auf jede politische Strömung anwendbar und damit wertlos los ist.
Es geht dem Urheber dieses Zitats und auch Stöcker jedoch auch gar nicht um eine präzise Definition, sondern, was uns zum zweiten Punkt bringt, um die Manipulation des Lesers auf der Gefühlsebene. Das Zitat erreicht dies durch mehrere emotional geladene Aussagen. Zu aller erst wird Konservativen ein Machtanspruch unterstellt, was auch stimmt. Das offene Stellen von Machtansprüchen ist in unserer Gesellschaft jedoch eher verpönt, wodurch Konservativen tendenziell eine niedere Absicht unterstellt wird. Als Nächstes werden sie dann durch die Aussage, dass sie diese Macht bedroht sehen und sie zurückgewinnen wollen, in die Rolle eines verzweifelten Verlierers gedrückt.
Alles in allem ist das daraus entstehende Bild konservativer Politik ein alles andere als Edles und eines, mit dem sich wohl niemand identifizieren möchte.

Nach diesem alles andere als objektivem Zitat folgen Stöckers eigene Ausführungen. Zunächst geht er das heiß diskutierte Essay des ehemaligen Google Mitarbeiters James Damore ein. Stöckers schreibt dazu: „[Das Essay] enthält viele befremdliche bis lustige Sätze. Mir persönlich gefällt dieser besonders gut: „Googles offene Feindseligkeit gegenüber konservativem Gedankengut geht Hand in Hand mit unfairer Diskriminierung auf der Grundlage von Rasse und Geschlecht, was das Gesetz verbietet“. Gemeint ist Damores eigene „Rasse“ – er ist weiß – und sein eigenes Geschlecht.“
Es folgt die Feststellung seitens Stöcker, dass der Großteil der Google Mitarbeiter weiß und männlich seien. Ein wenig später schreibt Stöcker schließlich als Beispiel für die von Demore aufgelisteten Klagen anderer Mitarbeiter Folgendes: „Anderswo stören sich die Kläger an dem Bemühen, auch nichtweiße, nichtmännliche Mitarbeiter zu gewinnen.“

Dieser Abschnitt ist ein Paradebeispiel für die oberflächliche Behandlung und falsche Repräsentation einer gegenläufigen Meinung. Zu aller erst fällt auf, dass Damores Anliegen mit den Worten „lustig“ und „befremdlich“ eingeleitet werden. Dem Leser soll damit klar gemacht werden, dass das, was folgt, simpler Unsinn und nicht ernst zu nehmen ist. Anstatt im Folgenden zu erklären, warum dem so sei, bringt Stöcker wie gesagt ein paar Statistiken über personelle Zusammensetzung Googles, was er dagegen nicht tut, ist sich direkt mit den Argumenten Demores, von denen es in seinem Essay eine Vielzahl gibt, auseinander zu setzten oder diese zu widerlegen. Die Tatsache, dass Damores eine Ungerechtigkeit gegen seine eigene soziale Gruppe beklagt, wird dadurch so dargestellt, dass der Eindruck entsteht, Damores Anliegen seien unbegründet, wodurch der unbedarfte Leser gar nicht anders kann, als Damore niedere Ziele zu unterstellen.

Mit der Behauptung, dass Mitarbeiter sich daran stören würden, dass Google versucht nichtweiße, nichtmännliche Mitarbeiter anzuwerben, versucht Stöcker erneut dem Kläger niedere Motive zu unterstellen. Hierzu nimmt er ein Argument Demores, verschweigt dem Leser jedoch einen kritischen Teil. Demore sieht nämlich per se kein Problem darin, dass farbige und weibliche Mitarbeiter angeworben werden, sondern darin, dass diese angeblich, um beispielsweise Quoten zu erreichen, trotz schlechterer Qualifikation eingestellt werden. Also allein aufgrund ihrer Rasse und Geschlecht.

Als Nächstes versucht Stöcker zu klären, was es bedeute konservativ zu sein, wozu er eine ganze Reihe von konservativen Strömungen aus den USA aufführt. Er schreibt hierzu:
„Es gibt den Konservatismus der Tea Party, der auf wütender Ablehnung des Wohlfahrtsstaates und staatlicher Eingriffe allgemein gründet. Es gibt den Konservatismus der Evangelikalen, der sich primär aus der Ablehnung aller Lebensformen jenseits der klassischen Hetero-Familie und der Gegnerschaft zu Abtreibungsregeln speist. Und in Michael Wolffs umstrittenem Trump-Buch „Fire and Fury“ ist einiges darüber nachzulesen, wie der rassistisch-nationalistisch-isolationistische Konservatismus eines Steve Bannon mit den Vorstellungen anderer Republikaner kollidiert.“

Stöcker schlussfolgert daraus, dass „nicht einmal die Konservativen selbst sind sich einig, was „konservativ“ bedeutet“, eine bekanntlich sehr beliebte Unterstellung der Systempresse.

Das Problem mit Stöckers Schlussfolgerung ist, dass er nur die konkreten politischen Forderungen der verschiedenen Gruppen gegenüberstellt, was dazu führt, dass der Eindruck entsteht, dass Konservative tatsächlich nicht wüssten, was sie wollten. Um zu verstehen, warum er trotzdem unrecht hat, gilt es erst einmal festzustellen, dass Stöcker Gruppierungen in einen Topf wirf, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zwar ist es richtig, dass alle diese Gruppen mehr oder weniger konservativ sind, doch Konservatismus ist im Gegensatz zum Kommunismus, Sozialismus oder Nationalsozialismus keine geschlossene Weltanschauung oder Ideologie, zumindest nicht in dem Maß, wie die anderen drei. Konservatismus ist viel mehr eine Geisteshaltung, die in Relation zu etwas besteht und in verschiedener Form auftreten kann. Als wir anfangs Konservatismus grob definierten, sagten wir, dass konservative am Erhalt bestimmter Zustände interessiert seien, wir sagten jedoch nicht, um was es sich bei diesen Zuständen handelt, da diese erst aus einem konkreten Kontext heraus formuliert werden können. Damit ist gemeint, dass „konservativ“ im arabischen Raum beispielsweise etwas völlig anderes bedeuten wird, als im Europäischen. Ein konservativer Araber wird sich also für den Erhalt des Islams in seinem Land einsetzten, während ein europäischer Konservativer das Christentum unterstützen wird. Beide wissen sehr genau, was sie wollen, beide sind in ihrem Kontext konservativ, auch wenn ihre individuellen Ziele sehr unterschiedlich sind. Dass es auch zwischen, beispielsweise US-amerikanischen, Konservativen große Unterschiede gibt, ist damit zu erklären, dass diese ebenfalls unterschiedliche Hintergründe haben und daher verschiedene Dinge als erhaltenswert betrachten. Weiterhin sind die Mitglieder einer politischen Ideologie durch kein Schwarmbewusstsein verbunden und haben daher als Individuen eigene Meinungen, wobei die am Meistverbreiteten eigene Strömungen bilden können. Selbst in vergleichsweise genau definierten Ideologien ist dies der Fall und nur weil es unter dem Oberbergriff „Kommunisten“ wiederum Stalinisten, Trotzkisten oder was auch immer gibt, wird niemand auf die Idee kommen zu behaupten, Kommunisten würden nicht wissen, was sie wollten und ihre Ideologie sei nicht zu definieren. Es gibt nun mal eben nicht DEN Konservativen. Doch derartige Erklärungen sind natürlich lang, schwierig und nicht viel weniger dazu geeignet den politischen Gegner dumm aussehen zu lassen. Einfache Antworten auf komplexe Fragen dagegen schon, Populismus für die Oberschicht, nichts anderes ist es, was Stöcker hier seinen Lesern vorsetzt.

Nachdem Stöcker nun mit den USA fertig ist, kommt er zu den deutschen Konservativen oder um genau zu sein zu Alexander Dobrindt, welcher vor Kurzem mit einem Essay für Aufsehen sorgte. Zum Inhalt schreibt Stöcker: „Trotzdem fordert er einen „Aufbruch“ in eine „neue, konservative Bürgerlichkeit“. Es bleibt seltsam unklar, worin die bestehen soll.“

An Dobrints Essay lässt sich so einiges Aussetzen, jedoch nicht, dass er seine Forderungen nicht mit Inhalt füllt, ganz im Gegenteil. Dobrindt führt jede seiner sieben Kernpunkte, die seine bürgerlich-konservative Revolution ausmachen sollen, in zwei oder mehr Absätzen aus. Wider geht es Stöcker hier nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, sonst hätte er entsprechende Argumente gebracht, sondern lediglich darum seinen politischen Gegner schlecht zu reden.

Zwar geht er im weiteren Verlauf noch ein wenig auf den Inhalt ein, doch nur in verkürzter Form, was den Effekt hat, dass beim Leser der Eindruck verstärkt wird, Dobrindt wissen nicht genau, was er wolle. Stöcker schreibt: „Dobrindt selbst möchte „Rechtsextreme, die gegen Ausländer hetzen“ gerne ins Gefängnis stecken, „Nationalisten“ findet er nicht gut, „Heimat und Vaterland“ dagegen schon.“

Durch die bewusste Aneinanderreihung dieser kurzen Zitate entsteht der Eindruck scheinbarer Widersprüchlichkeit, Stöcker verschweigt jedoch wieder wichtige Details.

Wenn Dobrindt von „Nationalisten“ redet, meint er aller Wahrscheinlichkeit nach Nationalisten, die einen ethnozentrischen Volksbegriff vertreten und Einwanderung daher grundlegend ablehnen.

Ist man sich dessen bewusst, steht die Ablehnung dieser, nicht mehr im Widerspruch zur Bejahung von „Heimat und Vaterland“, da diese Begriffe nicht zwingend eine biologische Komponente haben müssen. Für ethnozentrische Nationalisten ist dies zwar der Fall, für selbst erklärte Patrioten wie Dobrindt sind diese Begriffe jedoch meist geistiger Natur und primär durch Kultur definiert.

In diesem Zusammenhang fällt etwas ganz besonders deutlich auf, was Stöcker schon den ganzen Text hindurch mehrmals tat, nämlich die Erwartungen seiner Leserschaft ausnutzen. Indem Stöcker hier, wie schon zuvor, den Stereotyp des heimlich rassistisch, sexistisch oder anderweitig „rückständigen“ Konservativen heraufbeschwört, erfüllt er die Erwartungen derer, im Falle des Spiegels, eine linksliberale Leserschaft. Der Leser wird dadurch in seinen Vorurteilen bestärkt, davon abgehalten sich kritisch mit dem gelesenen auseinanderzusetzen und so neue Blickwinkel auf die Welt zu erhalten.

Schließlich kommt Stöcker fast am Ende doch noch an den Kern konservativen Denkens heran und beschreibt sogar recht treffend das Versagen konservativer Politik.

Im Unterabschnitt „Geht es allein ums Bewahren?“ schreibt er: „Konservative haben im Lauf von zwei Jahrhunderten eine Routine darin entwickeln müssen, alte Positionen aufzugeben und sich neue zuzulegen. Es muss immer wieder etwas Neues gefunden werden, für dessen „Bewahrung“ man streitet.“

Mit dieser zur Abwechslung einmal korrekten Feststellung Stöckers wollen wir schließen. Wir hoffen wir konnten anhand dieses Textes die Methoden aufzeigen, mit denen ein Autor, die Wissenslücken und Erwartungen seiner Leserschaft ausnutzend, ein verzerrtes Bild der Realität zeichnen kann.

1 Kommentar

  • Alexander Dobrindt als Konservativer. Jetzt vor der Landtagswahl bei den Bajuwaren blinken „die Schwarzen“ wieder „Rechts“, um die Afd aus dem Landtag fernzuhalten. Hat die CSU nicht die letzten Legislaturperioden mitregiert? Man muß sich mit der Geschichte der CSU befassen. In den 50-er Jahren die Bayernpartei „pulverisiert“, dann die REPse (Landtagswahl 1990 in „CSU-ien“.Für die REP 4,99 %.Ätsch. ) Seither kam keine echte patriotische Partei auch nur in die NÄhe der 5 % Marke. Und -das wage ich zu prophezeien-: Der AfD droht das gleiche Schicksal,es dauert halt nur etwas länger. Die CSU ist nicht blöd: Die wissen, daß die AfD bei der Bundestagswahl in Bayern zwar immense Stimmenanteile einfahren konnte,aber der Grossteil der Stimmen waren Proteststimmen. Wahlanalysendetail: In den Wahlkreisen,in denen die AfD keinen Direktkandidaten aufgestellt hat,dafür aber eine wählbare Alternative bestand in Form eines nationalkonservativen Einzelbewerbers, bekam die AfD zwar im Schnitt zwischen 12% bis teilweise 27 % (Gemeinde Arrach z.B.),der Einzelbewerber hingegen blieb bei ca. 2 % hängen.Gut,daß ein volkstreuer Kandidat von den Medien totgeschwiegen wurde,muß man beachten.Also: die AfD.-Stimmen waren Proteststimmen.Und die sind wie die Fahnen im Wind.Zum Begriff „Konservatismus“ empfehle ich nachzusehen:www.deutsche-konservative.de

    ewald ehrl 30.01.2018
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