Buchrezension: Sea Changes

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Als nationalrevolutionäre Bewegung sind wir bekanntlich kein Freund des amerikanischen Kulturimperialismus. So, wie wir uns gegen den ethnischen Austausch unseres Volkes stellen, so stellen wir uns auch gegen die Verdrängung unserer Kultur durch einen kosmopolitischen, westlichen „American Way of Life“. Umso beachtenswerter ist es, wenn einmal etwas kulturell Wertvolles seinen Weg über den großen Teich schafft. Sechs Jahre hat das Werk des hierzulande weitgehend unbekannten Derek Turner für diesen Weg von seiner Erstveröffentlichung 2012 zur deutschen Erstauflage im Jungeuropa Verlag gebraucht. Aufmerksamkeit erregte die deutsche Veröffentlichung allein schon mit der Ankündigung eines Vorworts von Richard Spencer, dem Wortführer der amerikanischen „Alternative Right“, der dank seiner immer wieder aufkommenden Präsens im hiesigen Blätterwald für viele eher ein Begriff und Objekt der Neugierde als der eigentliche Autor sein dürfte. Das von einigen heiß ersehnte Werk ist dabei so schwierig zu beschreiben, wie sein Titel zu erklären ist. „Sea Changes“, die zwei Wörter stehen weniger für die wortwörtliche Bedeutung als Gezeitenwechsel oder auch Zeitenwende, als viel mehr für eine englische Metapher, hervorgegangen aus Shakespeares „Der Sturm“. Sea Change meint die Verwandlung nach dem Tod, in Shakespeares Stück die eines auf See verstorbenen Vaters. „Fünf Faden tief dein Vater ligt, / Sein Gebein ward zu Corallen, / Zu Perlen seine Augen-Ballen, /“, um die drei Anfangsstrophen der entsprechenden Stelle zu zitieren. Entsprechend dieses Titels handelt das Buch nicht nur vom Tod ( und der Veränderung), sondern beginnt auch damit. Die Eingangsszene könnte fast schon als prophetisch bezeichnet werden: Ertrunkene illegale Migranten werden an die Küste Großbritanniens angespült, das politische Establishment, insbesondere in Form der Massenmedien, ergießt sich in Anklagen, Wehleidsbekundungen und Hysterie. Es kommt zu einem „Amoklauf der politischen Korrektheit“, wie es Albert Norman, eine der Hauptfiguren des Buches und konservativer Journalist, bezeichnen sollte. Man bräuchte nicht die explizite Thematisierung in Richard Spencers Vorwort ,um an den Fall Alan Kurdi zu denken, dem toten Jungen, der 2015 auf der Titelseite jeder Zeitung zu sehen war. Rund um die Tragödie auf See entwickelt sich der Erzählstrang aus mehreren verschiedenen Perspektiven. So etwa aus dem Betrachtungs-winkel von Dan Gowt, einem konservativen, einfachen Farmer, der aufgrund eines Interviews rund um die ertrunkenen Migranten zur landesweiten Hassfigur wird, aus der des bereits erwähnten Albert Normans und seines journalistischen Gegenspielers, dem „progressiven“ John Leyden, und schließlich aus der des Irakers Ibrahim, der sich als illegaler Migrant auf den Weg aus seiner Heimat nach Großbritannien macht. Zusammen zeichnen die verschiedenen Personen das große Leitmotiv des Romans, dem Tod und der Veränderung des alten Europas. Ein Vergleich zu John Raispails berühmten „Heerlager der Heiligen“, der Invasion Europas durch eine Masse von fremdrassigen Menschen ohne Gegenwehr und beklatscht von den eigenen Eliten, drängt sich bereits bei der Betrachtung des Titelbildes und noch mehr nach den ersten Seiten auf. Doch mit fortschreitender Lektüre bemerkt man die Unterschiede zwischen den beiden Werken, während Raispail eine wuchtige Dystopie mit kantigen Bildern malt, in der eine kleine Schar zum letzten Mal das Banner des Abendlandes in die Schlacht führt – wohl wissend, dass sie nicht mehr lebend aus ihr heimkehren werden – ist Sea Changes viel subtiler. Es findet keine Invasion statt, es fliegen keine Kampfjets und es finden auch keine Kämpfe statt. Stattdessen: Kolumnenschreiber, die sich literarisch bekriegen, Parteien, die sich für oder gegen Einwanderung aussprechen und vor allem das große Unbehagen vieler Menschen, die die Entwicklung nicht in Worte fassen zu können, sie aber fühlen. Raispail schrieb eine Anklage gegen den Untergang Europas, Turner beschreibt und schildert die Prozesse einer sich wandelnden Gesellschaft und bleibt dabei den realen Begebenheiten treu, während Raspail sein Szenario bewusst überzeichnet malt. Während Raspail aufwühlt, weckt Turner ein unbestimmbares Gefühl der Bitterkeit, da einem alle paar Seiten ein reales Pendant zur fiktiven Erzählung einfällt. „Wir müssen uns mit der Veränderung abfinden. Wir müssen unmissverständlich klarmachen, dass wir das Unerträgliche nicht länger tolerieren werden. Die Polizei muss nicht nur dieses grauenvolle Verbrechen aufklären, sondern auch gegen Sende- und Redaktionsleiter vorgehen, die das Klima des Hasses verschärft haben. Die Meinungsfreiheit – die uns heilig ist – ist kein Freibrief für Widerwärtigkeiten. Der Gesetzgeber und die politischen Aktivisten müssen dringend anfangen, nicht nur über Menschenschmuggel zu debattieren, sondern auch über die Grenzen von „Hate Speech“ und darüber, ob ein moderner Nationalstaat überhaupt wirklich Einwanderungsbeschränkungen braucht. Denn die sind nur geschichtlich und intellektuell zusammenhanglos – was sind schon „autochthone Briten“ – , sondern geben auch denen das Gefühl, im Recht zu sein, die die verwundbarsten unserer Gesellschaft aufs Korn nehmen.“ Diese Worte des linken Starjournalisten John Leyden könnten (und wurden!) auch in ähnlicher Weise in Deutschland während der Asylkrise öffentlich von Vertretern des Establishment geäußert. Grade das ist die große Stärke des Romans, alle Personen, alle Geschehnisse und geäußerten Worte entsprechen – tragischerweise – den realen Entwicklungen des westlichen Europas. Auch wenn die Figuren fast schon stereotypisch sind – z.B. der völlig versessene jüdische Antifaschist, der sein Leben dem Kampf gegen Rassismus und der Datensammlung über seine Feinde gewidmet hat (an dieser Stelle einen Gruß an Anneta K.!) oder der bourgeoise, arrogante und narzisstische linke Mainstreamjournalist – , so kriegt man nie den Eindruck einer klischeebeladenen oder langweiligen Darstellung. Natürlich ist der besagte Journalist John Leyden eine künstliche Figur und seine Handlungen und Worte fiktiv, aber es gibt eben solche John Leydens in nahezu jeder führenden Zeitung oder Fernsehanstalt, die genau solche Handlungen ausführen und solche Worte sagen. Ein Bild oder zumindest einen Namen eines solchen Schreiberlings hat jeder beim Lesen sofort vor Augen, schließlich gibt es Vertreter dieser Sorte von Tintenrittern in jedem größeren deutschen Medium. Turner hat mit seinem fiktiven Werk die realen Geschehnisse wenige Jahre später vorweg genommen und bestens dargestellt. Doch, und das ist ebenfalls ein Unterschied zu Raspail, es bleibt bei der Darstellung. Das Buch endet mehr oder weniger mit offenem Ende, es ist keine Ermutigung für den Leser, gegen die Entwicklung aktiv zu werden, es legt sich nicht einmal genau darauf fest, ob die Entwicklung gut oder schlecht ist. Turner beschreibt eine Wandlung und überlässt es dem Leser, welche Schlüsse er für sich daraus zieht. Sea Changes ist damit kein Weltanschauungsroman, auch nicht einmal direkt politische Literatur, sondern ein beschreibendes Bild unserer Tage. Es ruft in seiner konzentrierten Form demjenigen, der über die Geschehnisse bereits im Bilde ist, diese noch einmal ins Gedächtnis, es löst vielleicht für manchen den ein oder anderen Schleier der Unverständnis über den Gang der Dinge, und dies alles in einem schönen und flüssigem sprachlichen Stil, aber es bleibt bei der Darstellung. Die Darstellung ist aber nicht nur schriftlich gelungen, eine besondere Erwähnung verdient die grafische Gestaltung des Werkes, vom Umschlag über die einzelnen Kapitelabschnitte bis hin zur Einbindung des Logos des Verlages in die Seitennummerierung. Abschließend bleibt nur das Ende des bereits thematisierten Vorworts von Richard Spencer zu zitieren: „Unser Vater Europa liegt fünf Faden tief und ist kaum wiederzuerkennen. Doch er wird verwandelt, und am Ende werden wir zweifellos einen anderen Mann vorfinden. Sea Changes zeigt uns nicht, wie das neue Europa aussehen wird, aber es beschreibt den Augenblick und die Stimmung, in denen die Wandlung sich vollzieht.“

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