Vom Oberlandesgericht Wien wurde am 25. Januar die 10-jährige Haftstrafe wegen „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ für den unter dem Künstlernamen „Mr. Bond“ auftretenden Rapper Philip H. bestätigt. Ebenfalls bestätigt wurde eine Haftstrafe von vier Jahren für seinen jüngeren Bruder Benjamin. Sein Bruder hatte laut dem nunmehr rechtskräftigen Urteil eine Liste von Juden und Journalisten veröffentlicht. Die Verurteilung wegen Wiederbetätigung soll auf der Hervorhebung von Juden durch Sterne beruhen.
Mr. Bond wurde in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien für „nationalsozialistische Wiederbetätigung“ verurteilt. Der Rapper wurde damals für schuldig erklärt, den Nationalsozialismus verherrlicht zu haben. Laut Presseberichten soll er zu diesem Zweck beliebte Popmusikstücke mit verbotenen Texten neu vertont haben.
Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen, weshalb am Oberlandesgericht lediglich über die Strafhöhe abgesprochen werden musste. Die langjährige Haftstrafe des Hauptangeklagten wurde mit der besonderen Gefährlichkeit der Taten und des Täters gerechtfertigt. Festgemacht wurde diese an verschiedenen Vorwürfen: Der Angeklagte soll ein „Manifest“ von Brenton Tarrant, einem Australier, der zahlreiche Besucher einer Moschee in Neuseeland ermordet hat, ins Deutsche übersetzt haben. Bei einem Amoklauf in Halle wurden in einem Livestream Lieder von Mr. Bond abgespielt. Philip H. soll sich, nachdem er über den Anschlag in Halle erfuhr, über den 3D-Druck von Waffen informiert haben.
Seine besondere Gefährlichkeit wird also anscheinend nicht nur an den von ihm bestimmten Inhalten und Taten festgemacht, sondern auch an Taten Dritter, die ihm zugeschrieben werden. Schusswaffen sind in der Heimat der Gesinnungstäter, in Kärnten, einem breiten Personenkreis zugänglich, der implizierte Vorwurf einer zukünftigen Nachahmungstat mit gebastelten Waffen ist daher abwegig.
Das Berufungsgericht folgte jedoch der Konstruktion und ergänzte diese um weitere Punkte. So soll der Sprechgesangskünstler während der Untersuchungshaft eine Brieffreundschaft mit einer Amerikanerin, die sich laut Presse als Nationalsozialistin beschreibt, gepflegt haben. Auch soll er die Beantwortung von Fragen bezüglich seines Geständnisses verweigert haben. Über die Begründung der Strafhöhe des Bruders ist nichts genaues bekannt, sie soll jedoch üblich sein und ist sehr schnell bestätigt worden.
Rapper geraten auch in der BRD aufgrund ihrer Äußerungen immer wieder ins Visier der Behörden. Den dem „Gangster-Rap“ zuzuordnenden Künstlern „Farid Bang“ und „Kollegah“ wurden „volksverhetzende“, „antisemitische“ und „holocaustverharmlosende“ Inhalte vorgeworfen. Mit Verweis auf die Kunstfreiheit wurde jedoch gegen eine Anklageerhebung entschieden. Über eine Verfolgung der Gangsterrapper nach Auftritten in Wien ist nichts bekannt, möglicherweise sind sie als Künstler mit Zielgruppe im Ausländermilieu immun gegen derartige Bestimmungen.
Das stalinistische Verbotsgesetz soll im Juni ausgeweitet werden. Es ist geplant, künftig Straftaten nach dem § 3g des Verbotsgesetzes auch zu verfolgen, wenn der Tatort nicht in Österreich liegt. Ob in Wien eine Art stalinistischer Weltgerichtsbarkeit zur Unterdrückung von Nationalisten, derer man Habhaft werden kann, etabliert werden soll, bleibt abzuwarten. Es soll, weil aufgrund des gänzlich unbestimmten Tatbildes niemand weiß, was nicht alles „nationalsozialistische Wiederbetätigung“ ist, auch eine inhaltliche Ausweitung erfolgen. Künftig soll es etwa strafbar sein, die Verfolgung von Juden beispielsweise mit den unter dem Vorwand des Coronavirus getroffenen staatlichen Willkürmaßnahmen gegen Gesunde zu vergleichen. Das soll nämlich die Verfolgung von Juden verharmlosen. Laut den zur Urteilsfindung in Österreich zuständigen Geschworenen ist das aber nicht unter einer „gröblichen Verharmlosung“ zu subsumieren. Und auch nicht nationalsozialistisch.
Wird man in den Tintenburgen der Republik Österreich die Quadratur des Kreises versuchen? Nämlich das „normative Tatbestandsmerkmal nationalsozialistisch“ doch irgendwie zu definieren bzw. festzulegen, was ihm jedenfalls entspricht? Oder wird am § 3h Verbotsgesetz herumgebastelt – etwa „gröblich verharmlost“ durch „verharmlost“ ersetzt – und der Ball abermals der Rechtsprechung, die dann ja weiß, was man von ihr erwartet, zugespielt?