Der Schock über den Brexit sitzt noch immer tief. Kein Tag vergeht ohne Aufregung über die wegweisende Entscheidung der Briten – wie konnten sie es nur wagen, aus der vermeintlichen Einbahnstraße zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ auszuscheren? Tatsächlich herrschen Wut und Ratlosigkeit bei den selbsternannten Eliten, deren Zukunftsvision einen herben Dämpfer erlitten hat.
Nach Jahrzehnten der fortlaufenden territorialen Ausdehnung und politischen Vertiefung der EU wurde jetzt der für alle sichtbare Beweis geliefert, dass sich die bisherige Entwicklung nicht nur aufhalten, sondern sogar zurückdrehen lässt.
Der Unmut in Politik und Redaktionsstuben äußert sich vor allem in Beschimpfungen der Wähler. Das Ergebnis sei vor allem auf den Unmut der Unterschichten zurückzuführen, heißt es. Die Alten, die Verbitterten, die Abgehängten, sprich die Verlierer hätten die Abstimmung entschieden. "Demokratie ist eine feine Sache. Das Dumme daran ist nur, dass die Doofen mitmachen dürfen." Es ist bezeichnend für das Demokratieverständnis der Herrschenden, wenn zahlreiche Stimme behaupten, es gäbe Entscheidungen, die zu wichtig seien, als dass man sie den Völkern überlassen dürfe.
Dabei haben gerade diejenigen, die sich dem einfachen Volk für meilenweit überlegen und daher das Maß der Dinge halten, das Ergebnis erst herbeigeführt. Unverständlich ist lediglich, warum die Entscheidung nicht wesentlich deutlicher zugunsten des Brexit ausfiel.
In Wahrheit liegen die Dinge klar auf der Hand. Noch im Mai 2014 gaben in Befragungen 54% der Briten an, für einen Verbleib in der EU stimmen zu wollen. Mit jedem weiteren Desaster, das die Politik der offenen Grenzen und der Aufgabe nationaler Souveränität in Europa anrichtete, stieg die Zahl der Austrittswilligen. Nach einer Umfrage des Survation-Instituts war es vor allem die Asylkrise, die für eine Umkehr der Mehrheitsverhältnisse sorgte: Mit dem Massenansturm auf Europas Grenzen und der Weigerung insbesondere der BRD, geltendes Recht anzuwenden und illegale Eindringlinge an der Grenze abzuwehren, begann sich die Stimmung zu drehen.
Nach den Bildern vom Asylchaos im „Dschungel von Calais“ und den islamischen Anschlägen in Paris lagen Befürworter und Gegner des Austritts in etwa gleichauf und nach dem Silvesterpogrom von Köln war schließlich die Mehrheit erstmals für den Brexit. Niemand, der bei Verstand ist, könnte es den Briten verübeln. Wenn der Kontinent Selbstmord begehen will, muss die Insel nicht mitmachen. Historisch steht man ohnehin den USA und den ehemaligen Kolonien in Übersee näher, als den Mächten jenseits des Ärmelkanals.
Für die EU-Eliten scheint all das kein Grund zu sein, den bisherigen Kurz zu korrigieren. Im Gegenteil, der Ausbau der Eurokratie bei weiterer Aushöhlung der Souveränität der Mitgliedsstaaten soll nach dem Willen der EU-Bonzen mit Hochdruck vorangetrieben werden, während man in der Asylkrise fortwährend kopf- und hilflos agiert und geopolitisch über eine Satellitendasein der USA nicht hinauskommt. Man darf gespannt sein, ob es in weiteren Staaten zu vergleichbaren Volksabstimmungen kommt, die Chancen stehen eher schlecht.
Wie es scheint ist das Projekt EU nicht reformierbar, sondern bedarf der Abwicklung durch die Völker, auch wenn angesichts der aktuellen und künftigen Krisen vor allem in der Sicherheits- und Außenpolitik ein starkes und einiges Europa dringender vonnöten wäre denn je.
Wer für Europa ist, muß gegen die EU sein, damit eines Tages eine tatsächliche Einigung Europas auf Grundlage eines Europas der Vaterländer möglich werden kann.
Dank der mutigen Entscheidung des englischen Volkes ist hierzu hoffentlich der erste Schritt getan.