Das liberalistische Konzept der Menschheit ist eine der größten und schädlichsten geistigen Verwirrungen, die von den Köpfen der Europäer Besitz ergriffen hat. Sie entspringt der Idee, dass der Mensch im Grunde ein Individuum ohne Bindung zu seiner Umwelt, der Vergangenheit und den Menschen um ihn herum sei. Zudem gebietet das Dogma der Gleichheit, dass zwischen diesen Individuen im Prinzip kein Unterschied besteht und sie unterschiedlich zu behandeln moralisch verwerflich sei. Für den Liberalismus ist die Summe aller Menschen eine Ansammlung von Individuen, die als Zufälle nebeneinander her existieren, wie Sandkörner an einem Strand.
Während heute zwar die meisten Menschen im Westen das Konzept der Menschheit angenommen haben und manche so weit gehen und sich als Weltbürger sehen, merkt man, in einigen wichtigen Punkten, dass dies alles nur leere Worte sind, nicht mehr als hohle Phrasen, mit denen man um sich wirft, um dem Zeitgeist zu entsprechen. Das, an was ein Mensch wirklich glaubt, auch wenn er es sich selbst nicht eingestehen will, offenbart sich nur in seinen Taten. Sie sind das Zeugnis davon, dass wenn es drauf ankommt, auch der größte Menschheitsfreund sich nicht dem Ruf des Blutes entziehen kann.
Dies mag sich einerseits in Extremsituationen aber auch Alltagssituationen offenbaren, die so banal und selbstverständlich sind, dass man in ihnen handelt, ohne wirklich darüber nachzudenken. Dadurch wird all das, was Jahre der Bildung und Propaganda an der Oberfläche des menschlichen Geistes angehäuft haben, ohne ihn jedoch im Kern zu berühren, umgangen und die Natur des Menschen kommt wieder zum Vorschein. Die Rolle, die bewusste Denkprozesse dabei spielen, zeigen sich auch in der Tatsache, dass der größte Unsinn, den die Moderne hervorgebracht hat, an bildungsfernen Schichten vorbeiging, ohne viel Schaden anzurichten oder Fuß zu fassen, da diese Menschen eher „aus dem Bauch heraus“ handeln und sich so einen gesünderen Blick auf die Welt bewahrt haben oder wie Orwell es formulierte: „Manche Ideen sind so dumm, dass nur Intellektuelle sie glauben können.“
Ein Punkt, an dem dies so deutlich wird, wie sonst nirgends ist der Umgang mit der eigenen Familie. Wer wird schon ernsthaft behaupten, dass ihm das Wohl der eigenen Familie ihn im gleichen Maß berührt, wie das eines beliebigen Eskimos oder Schwarzafrikaners? Niemand, der in einer intakten Familie aufgewachsen ist, würde dies tun. Nicht ohne Grund müssen Familienmitglieder vor Gericht nicht gegeneinander aussagen. Jeder Einzelne versteht instinktiv, dass dies zu fordern unmenschlich wäre, da man vom Betroffenen verlangen würde, gegen etwas anzukämpfen, das so tief in unserem Inneren verankert ist, dass es in einigen Fällen sogar den Selbsterhaltungstrieb besiegt.
Wären die Vertreter der Idee einer Menschheit mit sich und anderen ehrlich, müssten sie jedoch genau dies fordern. Wer meint, die Menschen seien gleich und besäßen keine inhärente Zugehörigkeit zu anderen Menschen, kann keine auf Gruppenzugehörigkeit basierende Sonderbehandlung rechtfertigen. Damit würde er die Einteilung der Menschen in Gruppen als legitim anerkennen, was jedoch gegen die Grundsätze seiner Ideologie verstoßen würde. Der Mensch nimmt aber, indem er seine Familie als wichtiger bewertet als x-beliebige Menschen, eine solche Einteilung vor. Er diskriminiert sozusagen die, die nicht, wie der Liberalismus es ausdrücken würde, rein zufällig in diese Familie geboren wurden und lädt damit moralische Schuld auf sich. Was im Kontext der Familie absurd klingt, ist genau die Argumentation, die man im Kontext der Nation anwendet. Warum dies noch wichtig ist, werden wir in Kürze sehen, wenn wir betrachten, warum die Familie und die Nation in bestimmten Situationen fast schon ein und dasselbe sind.
Ein weiteres Beispiel für eine solche Einteilung, das zudem zeigt, dass die Kriterien nach denen wir Menschen in Gruppen einteilen, dynamisch sind, ist täglich auf den Schulhöfen der BRD zu beobachten. Die Schüler finden sich hier in der Regel in Gruppen, die ihrer ethnischen Herkunft entsprechen, zusammen, Deutsche bleiben unter Deutschen, Türken unter Türken und so weiter. Die erwähnte Dynamik besteht darin, dass die primäre Gruppenzugehörigkeit, insbesondere bei Kindern, zwar die eigene Familie ist, aber je nach Umfeld neue Gruppenzugehörigkeiten hinzukommen können. Verlässt ein Kind beispielsweise durch die Schule den engen Kreis der Familie, wird es seine Gruppenzugehörigkeit neu beurteilen. Dabei bilden sich diese Gruppen stets anhand von bestimmten Gemeinsamkeiten der Mitglieder in Abhängigkeit von der Umwelt. In Zeiten, in denen auf deutschen Schulhöfen nur deutsche Kinder zu finden waren, mögen sich diese Gruppen anhand von Religion, sozialer Herkunft, Musikgeschmack oder sportlichen Interessen gebildet haben. Da in der BRD deutsche Kinder mehr und mehr zur Minderheit werden, werden diese einmal charakteristischen Merkmale zunehmend unwichtig und die ethnische Herkunft wird ausschlaggebend.
Vertreter der Menschheitsidee mögen jetzt frohlocken und erklären, dass ihre Ideologie am Ende doch recht hat, denn, so wie heute vergessene Einteilungen in evangelisch und katholisch der Vergangenheit angehören, wird auch die Einteilung in ethnische Gruppen einmal vergessen sein. Dem stehen jedoch zwei Dinge im Wege.
Zum einen werden größere Gruppen zu immer abstrakteren Gebilden, was die Identifikation mit der Gruppe zunehmend erschwert, wodurch die Bindung zwischen den Mitgliedern schwächer wird. Während es noch recht einfach ist, jedes Mitglied der eigenen Familie zu kennen und eine emotionale Bindung zu jedem Mitglied zu haben, werden die Mitglieder sehr großer Gruppen zwingend zu kaum mehr als bedeutungslosen Namen ohne Gesicht und Persönlichkeit. Dies ist schlicht der Begrenztheit des menschlichen Geistes zu schulden. Und darüber zu klagen, dass dem nicht so sein solle, ändert rein gar nichts.
Zum anderen wird eine Gruppe in dem Maß, in dem sie immer mehr verschiedenere Menschen aufnimmt, zunehmend instabiler. Es fangen an sich Untergruppen zu bilden, welche die Einheit der Obergruppe zu untergraben beginnen und schließlich zu deren Kollaps führen können.
Damit eine Gruppe, die mehr als eine Handvoll Menschen beinhaltet, auf Dauer bestehen kann, ist Druck von außen nötig, nämlich der einer anderen Gruppierung, deren Präsenz die internen Differenzen unterdrückt. Bei kleinen Gruppen reicht schon entsprechend wenig Druck aus, beispielsweise in der Form kleiner Rivalitäten. Größere Gruppen benötigen dementsprechend auch einen größeren Druck, meistens in der Form eines tatsächlichen Feindes, wie im Falle eines Konfliktes zwischen Nationen. Um das nötige Umfeld zu schaffen, in dem die Menschheit sich als Spezies betrachtet, wären schon außerordentliche Umstände, wie eine unmittelbare außerirdische Invasion nötig.
Warum dies, vorausgesetzt ein solch unwahrscheinliches Szenario träte ein, auch aus der Weltanschauung eines Nationalisten heraus, eine für den Zeitraum der Krise angemessene Maßnahme wäre, bringt uns zum Sinn und Zweck dieser Zusammenschlüsse.
Gruppen finden sich fast immer zusammen, da der Einzelne sich einen Vorteil daraus erhofft. Bei Zusammenschlüssen wirtschaftlicher Natur wie Unternehmen oder Versicherungen mag dies auf der Hand liegen, bei persönlichen Beziehungen jedoch weniger. Menschen gehen persönliche Beziehungen, die sich in der Familie oder einem Freundeskreis manifestieren, ein, um ihr Bedürfnis nach sozialen Kontakten zu befriedigen. Wie jedes andere Bedürfnis ist auch das Bedürfnis nach einem sozialen Umfeld nicht ohne Grund im Menschen vorhanden. Die Natur hat es im Menschen verankert, da er auf sich allein gestellt, schwach ist. Jede ernsthafte Verletzung oder Krankheit bedeutet für einen auf sich gestellten Menschen den fast schon sicheren Tod, ganz zu schweigen von einer Konfrontation mit natürlichen Jägern wie Wölfen, welche auch wieder in Gruppen agieren. Erst mit der Hilfe anderer können diese und andere Gefahren überwunden werden. Selbst die Familie ist im Kern eine Zweckgemeinschaft, sie ist sogar das beste Beispiel, warum, die Spezies Mensch als Einzelgänger nicht überleben kann.
Fortpflanzung ist ohne Zweifel der wichtigste Aspekt, wenn es um den Erhalt einer Art geht, aber genau hier offenbart der Mensch einige seiner größten Schwächen, die er als Preis für seinen hohen Entwicklungsstand zahlen muss. Für eine Frau ist die Schwangerschaft eine physisch fordernde Phase, die sie auf dem Höhepunkt schwach und hilfsbedürftig zurücklässt. Mit der Geburt ist das Schlimmste aber noch lange nicht überstanden, es geht erst los. Während einfache Lebewesen körperlich sehr weit entwickelt auf die Welt kommen und schon mit fast vollständig entwickelten Instinkten ausgestattet sind, bedarf der Mensch deutlich mehr Zeit. Die ersten paar Jahre benötigt ein Kind permanente Aufmerksamkeit, noch einige Jahre mehr, bis es in irgendeiner Form etwas zum Erhalt der Gruppe beitragen kann und noch viel länger, bis es für sich selbst sorgen könnte.
Über den gesamten Zeitraum, sagen wir einmal pauschal rund 15 Jahre (ein paar mehr oder weniger tun nichts zur Sache) ist das Kind, und zum Teil die Mutter, auf die Hilfe anderer angewiesen. Nicht ohne Grund hat sich die Familie als evolutionäres Erfolgsmodell erwiesen und, in egal welcher Form, über die ganze Welt verbreitet. Die Familie ist damit zwar die kleinste Form, in der sich Menschen organisieren und sicherlich auch die wichtigste, aber keinesfalls die Einzige. Die nächste Ebene über der Familie wäre beispielsweise der erweitere Kreis der Verwandten, welcher fließend in die nächste Ebene, den Stamm oder die Sippe übergeht, welche wiederum die Vorstufe zur Nation ist. Welche dieser Ebenen die primäre Organisationsform darstellt, hängt wieder von äußeren Gegebenheiten ab. Mit jeder Ebene, die man in dieser Hierarchie nach oben wandert, wird der Verwandtschaftsgrad der Menschen geringer, ohne nie ganz zu verschwinden. Im gleichen Maß werden die Bindungen zwischen den Menschen abstrakter, während die Familie durch Instinkt entsteht und damit selbstverständlich ist, bedarf das Schaffen einer Nation schon ein wenig mehr Arbeit und Überzeugungskraft. Ganz gleich, auf welcher Ebene man sich jedoch befindet, geht der Mensch davon aus, dass, je höher der Verwandtschaftsgrad eines anderen Menschen ist, desto niedriger ist die Chance, dass der andere ihm etwas Böses will. Da die Evolution diesen Instinkt im Menschen hervorgebracht hat, ist anzunehmen, dass an dieser Annahme etwas dran ist, sonst hätte die Natur sich ihrer schon lange entledigt, wie sie sich allem entledigt, das keinen Wert hat.
Es gäbe noch mehr über dieses Thema zu sagen, für das, was wir hier eigentlich diskutieren wollen, reicht es aber festzuhalten, dass der Mensch sich in Gruppen organisiert, die keine Zufälle sind, sondern sich auf der Basis von Gemeinsamkeiten und Verwandtschaft formen. Er tut dies, um in einer ihm feindlich gesinnten Umwelt überleben zu können. Dies schließt selbstverständlich andere Menschen mit ein.
Hier kommen wir erneut an einen Punkt, in dem der Liberalismus sich der manchmal harten Realität verweigert. Der Liberalismus meint, die Menschen seien Brüder, das sind sie jedoch nicht.
Er meint, die Menschen könnten und wollen eigentlich auch, friedlich nebeneinander her existieren, das können und wollen sie aber nicht. Er meint, Leben müsse aus Freude und Spaß bestehen und erkennt nicht, dass die einzige Konstante menschlicher Existenz der Kampf ist.
Damit kommen wir zu einem weiteren Thema, welches wir im nächsten Teil diskutieren werden. Die Sicht des Liberalismus und des modernen Menschen auf das Leben an sich.