Memorial: Pioniere in der Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen
Bis vor wenigen Jahrzehnten war Russland das Herz des „proletarischen Internationalismus“, Moskau das Herz des internationalen Bolschewismus. Die Geschichte des Kommunismus durchzieht auch in Russland eine blutige Spur von Verbrechen. Was lange Zeit verschwiegen wurde, kam in der Zeit von Perestroika und Glasnost Ende der 1980er-Jahre langsam in das Bewusstsein des Volkes. Die 1988 gegründete Organisation Memorial setzte sich als eine der ersten Nicht-Regierungsorganisationen das Ziel, die sowjetischen Verbrechen aufzuklären und das Schicksal der Millionen Opfer des Kommunismus bekannter zu machen. Einer ihrer Gründer war der Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow.
Ein großer Erfolg der Organisation war die Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Stalinismus vor der früheren KGB-Zentrale Lubjanka in Moskau. Heute führt die Organisation über drei Millionen Opfer des Stalinismus in ihrer Datenbank. Doch im Laufe der letzten Jahrzehnte wird die düstere kommunistische Vergangenheit in Russland verdrängt. Statt anti-kommunistische Kräfte wie die Weißgardisten oder die Wlassow-Armee zu ehren, wird ein Kult um die Rote Armee betrieben. Kommunistische Verbrechen, nicht nur an Oppositionellen, stören das makellose Bild in der heutigen Staatsdoktrin. Es verwundert nicht, dass gerade der ehemalige KGB-Offizier Wladimir Putin ungern über Verbrechen des Kommunismus spricht.
Viele der Aktionen von Memorial sind aus Sicht des Systems unbequem. So hat die Organisation jährlich am 29. Oktober vor der ehemaligen KGB-Zentrale die Namen von Opfern des Kommunismus vor tausenden Anhängern verlesen. Systematisch hat man im Laufe der Jahre Geschichten und Zeitzeugenberichte von Opfern gesammelt. Außerdem wurden Berichte und Fotos aus der stalinistischen Epoche ausgewertet. Weiterhin wurden diverse Denkmäler errichtet und beispielsweise Erinnerungsfahrten auf die Solowezki-Inseln durchgeführt, wo eines der ersten Gefangenenlager (Gulag) der Sowjets stand.
Memorial befindet sich derzeit auf der Anklagebank des obersten Gerichts und soll verboten werden. Die Vorwürfe sind kaum nachvollziehbar und offensichtlich konstruiert. So wird Memorial als „ausländischer Agent“ eingestuft und eine Anklage lautet, die Organisation hätte sich als solche nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet. Auch Wladimir Putin persönlich hetzt gegen die Organisation. Er wirft Memorial vor, drei Männer in ihrer Datenbank über „Opfer des politischen Terrors in der Sowjetunion“ zu führen, die an der Ermordung von Juden im Zweiten Weltkrieg beteiligt gewesen sein sollen. Offenbar soll es sich um Freiwillige in den zeitweise vom Bolschewismus befreiten Gebieten gehandelt haben. Ein israelischer Forscher hätte die Männer auf der Liste entdeckt.
Dennoch kann man davon ausgehen, dass die Organisation keineswegs mit dem nationalsozialistischen Deutschland sympathisiert. Memorial hat eine Jugendorganisation, die sich gegen „Rechtsextremismus in Russland“ engagiert. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass die Organisation unter anderem von der Soros-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung gefördert wird. In Konflikt mit der Staatsmacht geriet Memorial auch, da es die russische Vorgehensweise in der Ukraine als „Aggression“ einstuft. Zudem untersucht die Organisation auch Verbrechen, die unter dem amtierenden Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, begangen worden sind.
Generell dürfte der Bekanntheitsgrad von Memorial im russischen Volk in den letzten Jahren gesunken sein. In den Massenmedien wird nicht über die NGO gesprochen. Dennoch hat die Gruppe auch zahlreiche Anhänger. Daher hatten sich beim Prozess gegen Memorial auch viele Unterstützer vor dem Gericht eingefunden. Ein Demonstrant sagte: „Es ist notwendig, Memorial zu erhalten, damit wir verstehen können, wo wir gelebt haben, wo unsere Eltern gelebt haben und wohin wir nicht zurückkehren können“. Er bezeichnete die russischen Behörden als „Erben Stalins“. Zwei Aktivisten wurden offenbar festgenommen. Der Prozess wurde, offenbar aufgrund der breiten internationalen Aufmerksamkeit, vertagt. Dennoch gilt die Verurteilung bzw. das Verbot von Memorial als Formsache.
Fakt bleibt, dass nicht nur in der BRD, sondern auch in Russland die Meinungsfreiheit bedroht ist. Freilich könnten die Vorzeichen nicht unterschiedlicher sein, betroffen ist jedoch jeweils die nationale Opposition. Denn Nationalismus geht nur anti-kommunistisch und kommunistische Verbrechen müssen überall konsequent angeprangert werden. Wenn die international renommierte Organisation Memorial unter fadenscheinigen Gründen verboten werden kann, gilt dies für kleinere Organisationen umso mehr. Auch dezidiert nationalrevolutionäre anti-kommunistische Gruppen könnten in Russland der Repression zum Opfer fallen.
Unterstüzung von Soros und Heinrich Böll Stiftung ? Sicherlich mit Vorsicht zu genießen. Eine neutrale Sichtweise sollte hier evtl. angedacht werden.