Wir kennen ihn bereits: Den streitbaren Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Von Antifa-Studenten wegen „rassistischer und sexistischer Äußerungen“ regelmäßig beobachtet („Münkler-Watch“), veröffentlichte er jüngst ein Buch über „Die neuen Aufgaben Deutschlands in Europa“ („Macht in der Mitte“ 2015). Nun hat Münkler im Interview mit dem Deutschlandfunk zur Griechenland-Krise wieder einige deutliche Worte gefunden.
Die Vorstellung, daß sich die Glaubwürdigkeit der EU durch mehr Demokratie erhöhen ließe, hält der Professor der Berliner Humboldt-Universität für eine gefährliche Illusion. Wo soll diese Demokratie stattfinden? Es gibt keine europäische Öffentlichkeit und keine europäischen Parteien. Und ein Referendum in dem jeweiligen Land bedeutet „nicht ein Zusammenwachsen Europas, sondern man erhöht dadurch im Prinzip seine eigene Verhandlungsmacht. Das gilt für Herrn Cameron, diese Karte hat jetzt Tsipras gespielt“, erklärt Münkler. Was aber Deutschland betrifft, so sei klar: „Wenn in der gegenwärtigen Situation die bundesdeutsche Bevölkerung analog zur griechischen aufgefordert würde, darüber abzustimmen, was die Höchstsumme sei an Nettoeinzahlungen in den EU-Haushalt, das wäre das Ende Europas.“
Es besteht also kein Zweifel, daß eine deutsche Mehrheit die gegenwärtige Europa-Politik ablehnt. „Das heißt, alles hängt in der augenblicklichen Situation an der Politik der Bundesregierung, ob der Euro das übersteht und ob letzten Endes das Europaprojekt das übersteht und wie groß und strukturiert Europa in den nächsten Jahren sein wird. Man muß nur das Gegenbeispiel sich überlegen, die Bundesregierung wäre eine Regierung wie die rechtspopulistischen und linkspopulistischen Regierungen in Griechenland oder andere.“ Auch dann würde das künstliche Gebilde sofort auseinanderbrechen.
Zum Schluß stellt Münkler die Frage nach der Legitimation der EU insgesamt. Die Europäer „brauchen eine Erzählung, die gewissermaßen die Emotionalität der Menschen in Anspruch nimmt, ein gemeinsames Projekt, für das man auch bereit ist, einzutreten und gelegentlich größere oder kleinere Opfer zu bringen. Wenn Europa sozusagen nach Kassenlage verwaltet wird,“ so der Wissenschaftler, „dann wird es das nicht durchstehen.“
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