Nicht in der gesamten Öffentlichkeit lösen die Flüchtlingsströme die gleiche Begeisterung aus wie bei Til Schweiger, Konstantin Wecker und ihren Hofjournalisten. Die meinungsführende „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) brachte am letzten Sonntag einen erstaunlich nüchternen Artikel zum Thema Abschiebung. Dort heißt es: „In einem Klima falsch verstandener Toleranz und Feigheit haben es Politiker jahrelang versäumt, abgelehnte Asylbewerber wegzuschicken. Das rächt sich nun. Um die Flüchtlingskrise zu bewältigen, sind nämlich nicht nur Hilfsbereitschaft und Integrationskurse nötig, sondern auch der Wille, zu unterscheiden zwischen denen, die bleiben können, und jenen, die wieder gehen müssen. Und dann danach zu handeln.“
FAZ-Korrespondent Peter Carstens vertritt die Position der Konservativen und Wirtschaftsliberalen. Weshalb sich deren Interessen beim Asylrecht nur zum Teil durchsetzen lassen, beschreibt der Artikel mit ungewohnter Offenheit. „Statt geltendes Recht anzuwenden und das auch öffentlich zu vertreten“, heißt es da, „wurde vor allem die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber jahrelang als bürokratischer Gewaltakt stigmatisiert. Die Ausländerbehörden sind längst nicht mehr imstande, geltendes Recht mit politischer Rückendeckung anzuwenden. Denn es gibt dafür keine Personalstellen, Gerichte verfolgen Rechtsbrüche durch Bewerber im Asylverfahren fast nie, Ärzte werden von ihrer Standesvertretung aufgefordert, bei Abschiebungen nicht mitzumachen, Kirchen bieten rechtsfreie Rückzugsräume.“
Unsere schlimmsten Vermutungen werden hier durch den politischen Gegner bestätigt. Die Zeitung gibt auch zu, daß „nur sehr wenige der rechtskräftig Abgelehnten Deutschland je wieder verlassen haben. Zahlen aus mehreren Bundesländern zeigen, daß in den vergangenen Jahren kaum fünfzehn Prozent (!) der Ausländer, die dazu ultimativ und mit Fristsetzung aufgefordert worden waren, tatsächlich ausgereist sind oder abgeschoben wurden.“
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, gesteht ebenfalls ein: „Die mangelhafte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ist eines der Hauptprobleme bei der Bewältigung der angespannten Asylsituation.“ Gerade in den rot-grün regierten Ländern fehle oft der politische Wille. „Die Länder verhindern, daß geltendes Recht umgesetzt wird. Das zeigen Personalzahlen aus den Ausländerbehörden. Wenn mehr Antragsteller kommen und viele abgelehnt werden, müßten logischerweise mehr Abschiebe-Referenten in den Behörden eingestellt werden. Bei den Asylanträgen ist das auch so. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekommt Hunderte neue Sachbearbeiter, um die Anträge schneller zu bearbeiten. Geht es aber um Abschiebung, so denkt man gar nicht daran, neues Personal einzustellen.“
„Wenn eine Abschiebung endlich vorbereitet, die Bescheide verschickt sind, der Flug gebucht ist, dann kommen die Ausreisepflichtigen in vielen Fällen in letzter Minute mit einem Attest, das ihnen bescheinigt, krank oder suizidgefährdet zu sein. Die Atteste müßen überprüft werden, wobei ein weiteres Hindernis auftaucht: Viele Ärzte wollen da aus politischen oder berufsethischen Gründen nicht mitmachen. Ein neues, wieder wochen- und monatelanges Ringen beginnt. Sind sie aber im Herkunftsland tatsächlich angekommen, dann entfällt das Bedürfnis nach medizinischer Behandlung von einem Tag auf den anderen. Ein offensichtlicher Betrug.“
Doch selbst wenn eine konsequente Abschiebung, wie die FAZ sie fordert, im Rechtsstaat BRD realisierbar wäre, wirkt Abschiebung als Strafmaßnahme gegen illegale Einwanderung immer nur so, als würde man einem ertappten Einbrecher die Busfahrkarte nach Hause bezahlen, damit er ein anderes mal wiederkommen kann. Bei vielen Schlepper-Preisen ist ein zwei- oder dreimaliges Scheitern schon mit inbegriffen. Die einzig sicheren Mittel sind Abschreckung und Sicherung der Grenzen.