Wir dürfen uns freuen. Mit zahlreichen Beispielen belegt das neu erschienene Buch „Gefährliche Bürger“, wie das politische Umdenken schon weit in bürgerliche Schichten und sogar in die etablierten Medien vorgedrungen ist. Da sind die wohlbekannten Autoren Thilo Sarrazin, Udo Ulfkotte und Acif Pirincci, die mit Erfolg gegen die PC anschreiben. Als „gefährlich“ im Sinne der Gutmenschen gelten aber auch Matthias Matussek vom „Spiegel“ (konservativer Katholik) und Michael Klonovsky von der Zeitschrift „Focus“. Letzterer soll geäußert haben: „Wer sich allzu sehr feminisiert, ob Mann oder Land, sollte sich nicht wundern, wenn er schließlich auch gefickt wird.“ Das klingt schon fast nach den vielen „pöbelhaften“ Kommentaren, die man neuerdings im Netz liest, und die fast alle in eine Richtung zeigen, nämlich nach rechts.
Mit ihrem durchgehend empörten Buch ordnen Liane Bednarz und Christoph Giesa den deutschen Stimmungswechsel auch in eine europäische Entwicklung ein. Da ist einerseits die Griechenland-Krise und andererseits das Rußland Putins, das eine gewisse Alternative zur westeuropäischen Demokratie aufzeigt. Und so hat sich ähnlich wie in Österreich inzwischen auch in Deutschland ein bürgerliches Lager gebildet, das in Opposition zum liberalistisch-multikulturellen „Mainstream“ tritt. Ein Gegenstrom aus manierlich angezogenen, Geld verdienenden, gut ausgebildeten Deutschen, die zu Pegida gehen, die AfD wählen und sich überhaupt „repolitisiert“ haben. Dabei muß man bedenken, daß „Gefährliche Bürger“ noch vor der Flüchtlingskrise geschrieben wurde. Man kann also vor die „bedrohlichen“ Erscheinungen noch ein dickes Plus machen.
Allerdings haben Bednarz und Giesa den merkwürdigen ideologischen Ehrgeiz, das neue Wut-Bürgertum auf die Tradition der „Neuen Rechten“ und von dort aus auf die „Konservative Revolution“ zurückzuführen. Das ist Unsinn. Man sieht es schon daran, daß die neu-rechten Organe „Junge Freiheit“ und „Sezession“ von der gegenwärtigen Tendenzwende kaum profitieren. Und schon gar nicht kommt ein Wut-Bürger auf den Gedanken, Ernst Jünger oder Möller van den Bruck zu lesen. Für solche Interessen haben Leute, die Geld verdienen, gar keine Zeit. „Gefährlich“, also revolutionär, sind die bürgerlichen Schichten immer nur als Mitläufer, niemals als Ideengeber. Die müssen schon von woanders her kommen.
Liane Bednarz, Christoph Giesa: Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte. Hanser Verlag, München 2015 (17, 90 Euro)