Die neue deutsche Aufsässigkeit dringt auch an die Universitäten vor. Die Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe genießt einen ausgezeichneten Ruf. Rektor ist Peter Sloterdijk, einer der wenigen Philosophen der letzten Jahrzehnte mit einer gewissen Berühmtheit. Ausgerechnet sein persönlicher Assistent, Marc Jongen, ebenfalls Philosoph, hat das Entsetzliche getan und ist in die „Alternative für Deutschland“ (AfD) eingetreten. Dort blieb er nicht etwa passives Mitglied, sondern gab ein viel diskutiertes Manifest heraus und wurde zum stellvertretenden Sprecher des Landesverbandes Baden-Württemberg gewählt. Demnächst will Jongen für das Europa-Parlament kandidieren.
Die akademischen Kollegen, allen voran der Kunstprofessor Beat Wyss, halten den Sloterdijk-Mitarbeiter nunmehr für untragbar. Er lasse sich „als akademisches Feigenblatt mißbrauchen für eine rechtsnationale Splitterpartei mit Verbindungen in die Neonazi-Szene“. Es ist das alte Muster: Tritt ein nachweislich intelligenter Mensch für nationale Positionen ein, dann fungiert er in der gegnerischen Darstellung immer als „Feigenblatt“ für die dümmliche Mehrheit der Nationalen, und will man eine Partei rechts der Mitte ausgrenzen, so unterstellt man ihr stets „neonazistische Kontakte“. Während zur Zeit der „Studentenbewegung“ ganze Heerscharen marxistischer Hochschullehrer mit militanter Vergangenheit sich in aller Ruhe ausbreiten konnten, beginnt bei der AfD bereits heute die Extremistenhatz.
Allerdings hat Marc Jongen einen Fehler gemacht, als er beteuerte, daß seine politische Ausrichtung und die wissenschaftlichen Tätigkeit „sauber“ zu trennen seien. Dies ist vielleicht im Fach Physik möglich, aber bei den Humanwissenschaften ist diese Sauberkeit nicht durchzuhalten. So konnte dem Philosophen hämisch nachgewiesen werden, daß er sich auch gegen die „naturwidrige Gender-Ideologie“ ausgesprochen hat, die „der wichtigsten bevölkerungspolitischen Herausforderung, vor der Deutschland steht, nämlich die Geburtenrate signifikant zu steigern, in extremer Weise abträglich“ sei.
Die Frage ist nun: Was sagt der große Meister Sloterdijk zu den politischen Experimenten seines Mitarbeiters? Und siehe da: Sloterdijk schweigt sich aus. Der Autor der „Kritik der zynischen Vernunft“ hat als Provokateur im linken Lager begonnen und jeden antifaschistischen Impuls inzwischen offenbar eingebüßt. Oder noch schlimmer: „In seinen weltanschaulichen Entwürfen ist Sloterdijk gar nicht so weit weg von der AfD“, behauptet Kollege Wyss. Wenn dessen Logik aufgeht, dann müßte Peter Sloterdijk auch über „Verbindungen in die Neonazi-Szene“ verfügen. In diesem Fall würden wir ihn gern einmal zum Vortrag einladen.