Ab 18. Dezember bietet die Firma Amazon in ihrem Streamingdienst eine neue Serie an. „The Man in the High Castle“ spielt in den Vereinigten Staaten des Jahres 1962. Trotzdem handelt es sich eher um einen Science-Fiction-Film. Deutschland hat nämlich den 2. Weltkrieg gewonnen und – noch unwahrscheinlicher – die USA als Protektorat vereinnahmt. Allerdings nur die östliche Hälfte inklusive New York, wo jetzt die US-Fahne mit integriertem Hakenkreuz weht, den Westen mit Los Angeles als Hauptstadt darf der Bündnispartner Japan regieren.
Das könnte spannend werden, zumal die Romanvorlage von einem bekannten Thrillerautor stammt (Philip K. Dick) und das Drehbuch von Frank Spotnitz, der für die Serie „Akte X“ verantwortlich war. Wer die Vorankündigungen zur neuen Unterhaltungsattraktion sieht, kann sich allerdings schon ausrechnen, daß die nationalsozialistische Politik des Jahres 1962 von den gleichen Vernichtungsorgien geprägt sein wird, wie wir sie aus zahllosen „historischen“ Spielfilmen kennen. Die Japaner sind jedoch um keinen Deut netter und unterscheiden sich nur im ästhetischen Auftreten, nicht aber in der Wahl der Todesarten von den markigen Deutschen.
Doch das Traurigste an „The Man in the High Castle“ ist gar nicht die moralische Anklage, sondern die Tatsache, daß die nationalsozialistischen USA sich von der tausendmal gesehenen kriminellen USA kaum unterscheidet. Wieder werden Gestalten in dunklen Straßen verfolgt, malen sich Angst und Entsetzen in naiven Mädchengesichtern, blitzen Waffen in ledernen Handschuhen und tuten Auto-Sirenen in tiefen Straßenschluchten. Nur statt der Mafia oder sonstigen Gangstern ist es hier die Gestapo, die das Böse repräsentiert.
Man sieht daran, und insofern ist die Serie informativ, daß die ganze Vergangenheitsbewältigung bei den meisten Zuschauern nicht einmal zu einer Ahnung geführt hat, was „die Nazis“ eigentlich wollten, und wie sie sich von anderen politischen Richtungen unterschieden. Jeder etablierte Historiker wird zugeben: dieser Unterschied bestand nicht nur in der ungehemmten Bereitschaft zu töten. Es gab – unbestritten – inhaltliche Bestrebungen, Werte und Ziele. Es gab sogar eine Neubestimmung von Gut und Böse, eine Moral jenseits dieser alten Kategorien. Eine Fernsehserie, die das zum Thema machte, wäre garantiert spannender und sogar erfolgreicher als „High Castle“. Nur würde sie weder bei Amazon noch im herkömmlichen Fernsehprogramm einen Sendeplatz bekommen.
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