Der sich für Verbraucherrechte und Lebensmittelqualität einsetzende Verein „foodwatch“ machte aktuell auf einige Passagen im Vertragstext des CETA-Freihandelsabkommens aufmerksam, die gewisse längst gehegte Befürchtungen bestätigen. Seit nunmehr über zwei Jahren gehört die Organisation mit zu der breiten Widerstandsfront gegen die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Nimmt man CETA in den Blick, dürfte ein besonderer Dorn nicht nur im Auge von „foodwatch“ sein, daß künftig ein vorsorgliches Verbot von Chemikalien, die im Verdacht stehen, der menschlichen Gesundheit ernsthaft zu schaden, nicht länger sichergestellt sein wird, da ein diesbezügliches Vorsorgeprinzip im Vertragstext nicht garantiert ist. Die Organisation beruft sich dabei auf eine Analyse der Universität Göttingen. Wie viele freihandelskritische Organisationen sieht auch „foodwatch“ durch CETA und TTIP die bisher erreichten Maßstäbe im Umwelt-, Verbraucher- Gesundheits- und Arbeitnehmerschutz, ja sogar die Grundprinzipien unserer Demokratie an sich gefährdet.
Letztgenannter Aspekt, der naturschutzfachliche Eingriffe auf nationalstaatlicher Ebene mit an mathematische Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit konterkarieren wird, bezieht sich am deutlichsten auf die Paralleljustiz durch Schiedsgerichte, die dem Investorenschutz gegenüber staatlicher Souveränität dienen. Das Primat eines kapitaldienstinduzierten Profitzwangs war allerdings aus Sicht von „Umwelt & Aktiv“ noch selten bis niemals ein verläßlicher Garant für zukunftsorientiert ethisches Verantwortungsbewußtsein und naturschutzverträgliches Verhalten. Dies muß keineswegs bedeuten, jeglichen über den nationalstaatlichen Gesichtskreis hinausgehenden Handel als per se schädlich in Abrede zu stellen. Nur hat sachbezogenen, temporär überschaubaren Übereinkommen demokratisch geerdeter bilateraler Prägung der Vorzug vor großräumig-supranational institutionalisierten Automatismen eingeräumt zu werden. Zudem ist nicht ersichtlich, warum nicht vergleichbar der ökonomischen Optimierung Willen ebenso hinsichtlich ökologischer Standards ein sogenannter Benchmark- und Best-Practice-Prozeß als Grundlage internationaler Abkommen Anwendung findet. Vor allem je größer die internationale Tragweite von Verhandlungsrunden ist, sollte man – neben der Praxis öffentlich nachvollziehbarer Verhandlungsweise – dazu übergehen, die jeweils qualitativ höchststehenden Standards innerhalb der Verhandlungsteilnehmer zum Vertragsgegenstand zu machen.
Ökonomischer Fortschritt muß auch am Kriterium der Vermeidung ökologischer Schäden gemessen werden. Der Maßstab hierfür fehlt jedoch bislang in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die Vorteile dezentraler regionaler Wirtschaftskreisläufe gegenüber einem großräumigen Freihandelssystem realisieren sich aus dem Mehr an Selbstbestimmung, die es erlaubt Gewinn nicht nur an Bilanzen, sondern auch an der Lebensqualität abzulesen. Und um wieder den Bogen zu „foodwatch“ zu spannen: Ohne Lebensmittelqualität auch keine Lebensqualität!
Gerhard Keil
Quelle: Umwelt & Aktiv