Ausbeutung, Verbrennungen von vermeintlichen Hexen, Teufelsaustreibungen – die Liste mit Schandtaten der katholischen Kirche lässt sich beliebig fortführen. Darauf angesprochen flüchten sich die heutigen Kirchenvorsteher häufig in die Ausrede, dass diese Abscheulichkeiten schon lange zurückliegen und damals auch andere Funktionäre an den Hebeln der kirchlichen Macht waren. Beim Blick auf die unzähligen Kindesmissbrauchsfälle, welche durch Vertreter der Kirche in den letzten Jahren begangen wurde, schleicht sich jedoch wieder das Gefühl ein, dass es sich bei zahlreichen Kirchenfunktionären nur um ein scheinheiliges Gesindel handelt. So kamen viele gleichartige Fälle ans Tageslicht, wo Pfaffen und anderes Kirchenpersonal Minderjährige, oftmals Schutzbefohlene, sexuell missbrauchten. Die fürs Leben gezeichneten Opfer trauen sich aus Scham erst nach Jahren oder Jahrzehnten über die Perversitäten zu sprechen, wenn sie überhaupt aus sich rausgehen können.
So auch eine mittlerweile 44-jährige Frau, welche 1988 im Alter von zarten 17 Jahren von einem Pfaffen zum Oralverkehr gezwungen worden sei. Nun handelt es sich bei dem mutmaßlichen Vergewaltiger jedoch nicht um einen x-beliebigen Pfarrer, sondern angeblich ausgerechnet um den jahrelangen Missbrauchsbeauftragten des Bistums Würzburg. Fast möchte man meinen, dass in der Kirche ein Missbrauchsbeauftragter für den Missbrauch zuständig ist, anstatt als Ansprechpartner für sexuelle Übergriffe durch Kirchenvertreter zu fungieren.
Der widerwärtige Vorfall
Der sexuelle Übergriff soll sich an einem Wochenende für katholische Familien ereignet haben, die sich zu Kursen und zum Austausch untereinander im „Exerzitienhaus Himmelspforten“ in Würzburg trafen. Die Geschädigte war mit ihren Eltern zugegen. In einem Moment der Abgeschiedenheit soll der Pfaffe das Mädchen in ein Zimmer gelockt und in ein Gespräch mit anzüglichen Themen verwickelt haben. Als sie gehen wollte, sei er wütend geworden und habe sie zu Boden gerissen und missbraucht.
Viele Jahre hätte sie Angst gehabt, von dem widerwärtigen Übergriff zu erzählen. Weder gegenüber ihren Eltern noch vor Polizei und Justiz brach sie ihr Schweigen. Nach dem gefassten Entschluss über ihre Peinigung zu sprechen, meldete sie sich schließlich beim Missbrauchsbeauftragten der Kirche. Dort musste sie erschreckend feststellen, dass gerade der Peiniger, welcher sie missbraucht haben soll, diese Stellung übrig hat. Das Amt bekleidete der mutmaßliche Vergewaltiger von 2002 bis 2010. Im Jahr 2012 meldete sie sich wieder beim Bistum Würzburg aufgrund des Missbrauchsfalls. Auch wenn der frühere Beauftragte nicht mehr im Amt war, ging der Skandal weiter.
Die Vertuschung im Kirchenfilz
Anfang diesen Jahres bekam das Opfer Kontakt zum Spiegel, der den Fall in seiner Ausgabe 13/2016 publizierte. Auch wenn man den Inhalt dieses Systempropagandajournals oftmals gelinde gesagt als „Schweinjournalismus“ bezeichnen kann, sind die zutage gebrachten Erkenntnisse in diesem Zusammenhang doch hochinteressant.
Hier einige brisante Punkte zusammengefasst, die der Spiegel abdruckte:
- Die Eltern der Frau hätten sich 2012 direkt beim Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann gemeldet, der daher von dem Fall gewusst haben müsse.
- Der damalige Generalvikar (sozusagen der kircheninterne „Ermittler“) und der Beschuldigte standen sich nahe. Darüber hinaus hätte der Generalvikar ihn vorgewarnt und habe ihn auch „bestens über jeden geplanten Schritt im schwebenden Verfahren“ informiert.
- Dem Beschuldigten sei erlaubt worden die Akten zu seinem Fall einzusehen, die Außenstehenden unzugänglich seien.
- Nach über 20 Jahren konnte der Beschuldigte noch genau sagen, welche Kleidungsstücke das Mädchen damals getragen habe, gleichzeitig könne er sich weder an andere Teilnehmer der besagten Veranstaltung noch an deren Kleidung erinnern.
- Der Beschuldigte und der Ermittler träfen zusammen Entscheidungen. In einem Vermerk habe der mutmaßliche Sextäter festgehalten: „Der Generalvikar und ich haben uns gegen eine Weiterleitung an die Justiz entschieden.“
- Der Generalvikar habe mit einem befreundeten Richter beraten, was gegen die Frau und für den Beschuldigten in dem Fall spräche.
- Der Fall wurde bisher nur an einem Kirchengericht verhandelt, welches keinerlei strafrechtliche Urteile aussprechen darf.
- Es seien nur die Eltern der Geschädigten vor diesem Gericht angehört worden, nicht aber die Geschädigte selbst. Auch der Beschuldigte sei angehört worden und durfte – im Gegensatz zu den Eltern – das Protokoll seiner Aussage einsehen und Anmerkungen machen, die Beachtung in der Urteilsfällung gefunden hätten.
- Der Pfaffe wurde freigesprochen und der Geschädigten sei selbst weitere psychische Betreuung verwehrt worden.
Das Bistum Würzburg veröffentlichte am Folgetag des Erscheinens des Spiegel-Artikels eine Stellungnahme, die aber nicht die Unschuldigkeit des Kirchenvertreters erörtert, sondern nur aufzeigen will, dass das „kirchenrechtliche Verfahren“ ordnungsgemäß abgelaufen sei – was für ein Trost für das Opfer.
Mittlerweile prüft die Staatsanwaltschaft, ob die mutmaßliche Tat schon verjährt ist.