Wir kennen es von den Märchenbüchern. Zusammen mit den antiautoritären Erziehungsmethoden der 68er wurden auch die Märchen der Gebrüder Grimm oder Hauff und Andersen plötzlich verdammt, weil sie böse Hexen und allerlei Grausamkeiten enthalten. Kinder dürften solche Geschichten nicht lesen, um sie vor seelischen Schäden zu bewahren.
Man sagte: so etwas gibt es gar nicht, das sind Phantasieprodukte, und eine manchmal blutige Phantasie. Den poetischen Gehalt und Reiz bekamen die 68er gar nicht mit, man konnte es ihnen nicht erklären. Inzwischen aber herrscht ein neuer Großangriff auf beliebte Kindergeschichten. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Eltern“ geht es um „Lotta aus der Krachmacherstraße“, eine Geschichte von Astrid Lindgren. Die Frau von „Eltern“ beschreibt gefühlsselig ihre Erinnerung an die unternehmungslustige Lotta, mit der sie sich als Kind identifizierte. Nun will sie ihrem eigenen Sohn das Buch vorlesen – und stößt dabei auf das Kapitel „Lotta ist ein Negersklave“. Schon das Wort „Neger“ wird von der Zeitschrift gar nicht ausgeschrieben, sondern nur mit N und drei Punkten markiert. In der Geschichte schmiert sich Lotta mit Schuhcreme ein und will den anderen Kindern Angst machen: „Ein Negersklave ist manchmal ganz schön gefährlich!“ sagt sie.
Das Entsetzen der Modell-Mutter ist groß. Ähnlich ergeht es politisch korrekten Eltern heute mit vielen Kinderbuch-Klassikern. Sie enthalten – meist nur am Rande, denn noch gab es in Europa kaum Farbige – irgendeine Episode mit einem „Negerkönig“ (in „Pipi Langstrumpf“ übrigens sehr sympathisch dargestellt) oder einem Mohren oder leckeren Mohrenkopf. Alles Gründe, das Buch sorgsam vor den Kindern zu verbergen und künftig jedes Buch zu untersuchen, ob wieder etwas so Entsetzliches darin steht.
Pech nur, daß sich die Geschichten über Andersrassige nicht mit demselben Argument bekämpfen lassen wie „Hänsel und Gretel“ oder „Schneewittchen“. Denn weiße und schwarze Menschen gibt es nun einmal, der eklatante Unterschied läßt sich nicht ins Reich der Märchen und Fabeln verweisen. Ebenso besteht die Tatsache, daß die Farbigen im 19. und 20. Jahrhundert und bis heute überwiegend die Unterklasse bilden und entsprechend primitiv agieren.
Das brauchte eigentlich keiner zu verschweigen, denn nach korrekter Lesart sind an diesem Zustand nicht die Schwarzen selbst schuld, sondern die bösen Weißen. Bücher, die dieses Realität widerspiegeln, wären geradezu förderlich für den Antirassismus der Kinder, und es gäbe keinen Grund, sie zu verstecken und zu „reinigen“. Man sieht aber, daß die Antirassisten ihrer eigenen Ideologie nicht vertrauen. An die kämpferische Durchsetzung der Gleichheit glauben sie nicht mehr und bevorzugen ein rosarotes Lügengewebe – ein Märchen im schlechten Sinne fürs kindliche Bewußtsein.