Immer mal wieder: Hitler als Zyniker der Macht

Home/Politik, Gesellschaft und Wirtschaft/Immer mal wieder: Hitler als Zyniker der Macht

Quelle: Screenshot von http://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/adolf-hitlers-mein-kampf.html

Quelle: Screenshot von http://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/adolf-hitlers-mein-kampf.html

Im Mein-Kampf-Jahr 2016 (Neuerscheinung) wagen sich auch Nicht-Historiker an das Thema, um etwas möglichst Unkonventionelles beizusteuern. Ein Beispiel ist der Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke. Gerade erschien sein Büchlein „Adolf Hitlers Mein Kampf. Zur Poetik des Nationalsozialismus“ beim Matthes&Seitz Verlag. Zu Anfang meint man, die 10 Euro umsonst ausgegeben zu haben, denn Koschorke breitet nur sprachliche Spitzfindigkeiten aus, die mit Hitler wenig zu tun haben.

In der zweiten Hälfte des Buches kommt immerhin eine Provokation, nämlich daß „Mein Kampf eine geheime Botschaft enthält, die sich nur an Eingeweihte richtet“. Wie kommt Koschorke darauf? „Sogar der Einsatz der propagandistischen Mittel wird von Hitler in vollkommener Offenheit erörtert“, wundert er sich, „entgegen der verbreiteten Annnahme, daß Ideologien nur funktionieren, wenn sie die Art und Weise ihrer Gemachtheit im Verborgenen halten.“ Und daraus folgert der Wissenschaftler: „Der Text von Mein Kampf ist so angelegt, daß man ihn auf zwei Ebenen lesen kann.

Es gibt viele Indizien dafür, daß Hitler vorrangig eine an der Machart von Macht interessierte Gefolgschaft ansprechen wollte.“ Und nun steuert Albrecht Koschorke auf eine ganz ähnliche Hitler-Deutung zu, wie sie der ehemalige nationalsozialistische Bürgermeister und Emigrant Hermann Rauschning versucht hat. Auch Rauschning hatte behauptet, daß Hitler seine eigene Ideologie nur als Instrument benutzt und in Wahrheit die Macht als Selbstzweck erstrebt. Um diese These zu belegen, hatte Rauschning ein Buch mit dem Titel „Gespräche mit Hitler“ (1939) herausgegeben, das allerdings von vorn bis hinten gefälscht war.

Koschorke bewegt sich ganz auf dieser Linie: von einer „gewaltbewehrten Grundlosigkeit“ spricht er und von der „Lust am Machtwort“ und behauptet von dem „inneren Kreis“, daß „der Nationalsozialismus ein Instrument war und keine Religion“. Trotz Rauschnings Entlarvung übt die Vorstellung eines Hitler, der über seine eigene Weltanschauung wie über ein Propagandamittel eher zynisch verfügt, weiterhin eine suggestive Wirkung aus. Irgendeine Teilwahrheit muß also dahinterstecken.
Die Teilwahrheit ist, daß Hitlers Weltanschauung selbst eine Kälte ausströmt, die man mit Zynismus verwechseln könnte. Sie hat aber damit nichts zu tun. Vielmehr wird der Mensch und auch der eigene Anhänger in erster Linie als Instinktwesen betrachtet, das jenseits von Vernunft und idealen Absichten nach den gleichen Mechanismen funktioniert wie jedes Lebewesen. Und deshalb auch von der Propaganda entsprechend angepackt werden muß. Diese Ansicht kann Hitler offen aussprechen, und zwar nicht nur gegenüber „Eingeweihten“, weil sie seinem biologisch orientierten Menschenbild entspricht.

Auf die eigentliche Weltanschauung geht Koschorke wieder einmal nicht ein, weil ein solches Denken ihm völlig fremd ist und bleibt. In „Mein Kampf“ mögen Formulierungen vorkommen, wie sie auch für die „Gespräche mit Hitler“ verwendet wurden, Formulierungen, die eine gewisse Verachtung für schöne Worte und Ideale zeigen. Doch heißt das nicht, daß Hitler an nichts geglaubt hätte. Er spricht vom „granitenen Fundament“ und ist tatsächlich kein Machtzyniker, sondern ein „Überzeugungstäter“.

×

Schneller und einfacher Kontakt über WhatsApp - Einfach auf den unteren Button klicken!

 

Kontakt über Threema unter der ID:
Y87HKB2B

×