Wie trompeteten die „Anständigen“ nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln? Die Flüchtlinge sind nicht schuld, die Regierung ist auch nicht schuld, schuld sind nur einzelne Täter, und die wird man hart bestrafen. Unser Rechtsstaat sorgt dafür.
In der Tat bestraft der Rechtsstaat immer nur einzelne Personen und niemals die politischen Verhältnisse. Doch wie sieht es mit der Kompetenz in Bezug auf Einzeltäter angesichts der Masseneinwanderung inzwischen aus? Wie sieht es insbesondere mit der Bestrafung der Täter aus der Silvesternacht aus? Ein halbes Jahr danach fragt kaum einer mehr danach. Die „Gutwilligen“ nehmen einfach an, daß hier alles seinen ordentlichen Gang geht.
Das tut es aber nicht. In einem Interview mit dem Staatsrechtler Udo Di Fabio, der bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht war, greift die liberale „Zeit“ ausnahmsweise das Thema auf. Nachdem Di Fabio die üblichen Phrasen über „verläßliches Recht und konsequentes Vorgehen“ abgegeben hat, stellt die „Zeit“ eine konkrete Frage:
„Eine Untersuchung des Bundeskriminalamtes legt aktuell nahe, daß die Justiz offenbar außerstande ist, die Täter der Silvesternacht zu ermitteln und zu verurteilen. (…) Es gab 1200 Frauen, die Opfer wurden, es wurden bislang aber nur 120 Tatverdächtige ermittelt, verurteilt wurden bis heute nur vier (!) Täter. Wie beurteilen Sie das?“
Der Rechtsgelehrte spricht von „undeutlichen Zeugenaussagen“ und „vielen mutmaßlichen Tätern, die keinen gemeldeten Wohnsitz haben“, und sieht in dem Skandal „keine wirkliche Überraschung“. Gar nichts hält er von der Forderung nach Durchgreifen und Härte, wo „professionelle Konsequenz“ und „politische Konzeption“ gefragt sind. Zutreffend stellt er fest, daß „der Bruch des Rechts nie nur ein Problem des Rechts“ ist. Mit anderen Worten: Wenn unkontrolliert Ausländer nach Deutschland einwandern, weil das Asylsystem falsch ist, dann können Polizisten und Richter nicht alles ausbügeln. Vor allem eine „Residenzpflicht“ müsse her.
Ganz so liberal, wie er sich anfangs gibt, ist Udo Fi Fabio offenbar doch nicht. Aus seiner Gelassenheit im Hinblick auf die Täter der Silvesternacht kann man sogar einen gewissen Zynismus heraushören nach dem Motto „Kein Wunder“. „Erosionserscheinungen“ beim Rechtsstaat sieht er sehr wohl, und „wenn die Zahl der Wohnungseinbrüche oder die Sprengung von Geldautomaten steigen und die Behörden dagegen machtlos scheinen – dann erfüllt mich auch das mit Sorge.“
„Allerdings sind freie Gesellschaften auch deshalb allen anderen überlegen, weil sie lernfähig sind“, behauptet er. Zumindest die Wochenzeitung „Die Zeit“ scheint in Maßen lernfähig zu sein. Unter dem Titel „Der Häuserkampf“ bringt sie in derselben Ausgabe eine Reportage aus Gelsenkirchen, wo 6.200 Bulgaren und Rumänen, darunter viele Zigeuner, zugezogen sind. Der Bericht verletzt an mehreren Stellen die Politische Korrektheit. Besonders wo Bürger zitiert werden: „Ihr könnt uns nicht die Probleme der ganzen Welt reindrücken!“