Der Historiker Ernst Nolte ist in dieser Woche mit 93 Jahren gestorben. Berühmt und berüchtigt wurde er 1986 durch den sogenannten Historikerstreit. Danach war Nolte nicht mehr Teil der etablierten Zeitgeschichte, sein weiteres Werk fand nur noch in nationalen Kreisen Beachtung, obwohl Nolte immer die wissenschaftliche Absicht über jede politische Orientierung gestellt hatte. Er war der Typus des bürgerlichen Wissenschaftlers alter Schule, der gerade durch sein Erkenntnisstreben in Gegensatz zum modernen Wissenschaftsbetrieb geriet.
Ernst Nolte wurde 1923 geboren und studierte zunächst als Hauptfach Philosophie, u.a. bei Martin Heidegger. Sein Berufsziel war Lehrer, doch nicht lange nach seiner Befähigung zum Studienrat erschien 1963 das Buch „Das Faschismus in seiner Epoche“. Daraufhin wurde der Außenseiter an die Universität berufen. An dem Buchtitel fällt auf, daß Nolte den Nationalsozialismus sowie den italienischen Faschismus und Franco zusammen unter den Begriff „Faschismus“ stellt. Entsprechend machte sich Nolte damals nur Freunde und galt sogar als linksliberal.
Der Sturz kam erst 25 Jahre später. Passend zu seinem Opus magnum „Der europäische Bürgerkrieg“ hatte Nolte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen Artikel veröffentlicht, in dem er erstmals die These aufstellte, die NS-Verbrechen (Nolte ist kein Revisionist) seien eine Reaktion auf den Terror, der in der Sowjetunion in- und außerhalb von Lagern herrschte. Die Meldungen darüber hätten Deutschland erreicht, und die Nationalsozialisten in ihrem Haß auf den Bolschewismus daraufhin keine Hemmungen mehr gekannt, gegen ihre inneren Feinde vorzugehen.
Der Aufsatz löste sogleich den wütenden Protest des Star-Philosophen und Adorno-Schülers Jürgen Habermas aus, und daran schloß sich eine ausführliche Debatte in den Zeitungen, die insgesamt als „Historikerstreit“ bezeichnet wurde. Nolte galt nun als Verteidiger der Nationalsozialisten und als verbohrter Antikommunist. Die Professur in Berlin konnte man ihm zwar nicht nehmen, aber der Verlag erhob Einspruch und die meisten Kollegen zogen sich zurück.
Was ist von Noltes These im Abstand zu halten? Es ist darauf hinzuweisen, daß er selbst noch eine Menge geschrieben hat, vor allem die „Späten Reflexionen“ (im Karolinger-Verlag erschienen), wo sehr viel klarer wird, was er eigentlich meint. Anfangs hatte Nolte nicht deutlich gemacht, daß der Kampf gegen den Bolschewismus im Zusammenhang eines umfassenderen Projekts steht, nämlich der Überwindung der gesamten jüdisch inspirierten Kultur, wozu auch der Kapitalismus (die bürgerliche Gesellschaft) gehört. Der bolschewistische Terror ist das äußerste Zeichen für das Scheitern dieser ganzen historischen Linie. Da ein Ernst Nolte sich immer mit der bürgerlichen Gesellschaft identifiziert hat, neigt er dazu, im Nationalsozialismus nur einen aggressiven Protest gegen den anrückenden Kommunismus zu sehen. Das greift aber zu kurz, was in den späteren Schriften auch zunehmend deutlich wird. In den „späten Reflexionen“ bezeichnet Nolte den Nationalsozialismus als „Widerstand gegen die Transzendenz“. Als Philosoph benutzt er das Wort „Transzendenz“ für alle Fortschritts- und Utopiebestrebungen in Europa.
„Ist eine Renaissance Hitlers vorstellbar?“ fragt sich Nolte wenige Jahre vor seinem Tod. „Selbst wenn es auf Grund von Exzessen der EU-Bürokraten und der Globalisierer zu einem Wiederentstehen des deutschen Nationalismus käme, würde dieser sich aller Vermutung nach nicht auf Hitler berufen. Genuine Zukunft könnte Hitler nur als der entschlossenste und mächtigste aller Judenfeinde haben“
Und dann fragt sich Nolte: „Würde ich meinen Denkweg bereuen, wenn es dazu (zu einer Renaissance Hitlers) kommen sollte und ich aus dem Jenseits zuschauen könnte? Vermutlich würde ich sagen: leider sei nun ein weiterer Beweis dafür erbracht, daß auch die vernünftige und berechtigte Gegenwehr vor dem Umschlag in das „Überschießen“ nicht gesichert ist.“
Video der Tagesschau: Tod des umstrittenen Historikers Ernst Nolte