Der Soziologe Michael Hartmann hat ein Buch über „Die globale Wirtschaftselite“ geschrieben. Es erscheint in diesem Monat im Campus Verlag, Frankfurt. Die Ergebnisse der Untersuchung sind teils sehr überraschend. Im Grunde widerspricht Hartmann seinem eigenen Titel: eine „international denkende“ Elite gibt es nach seiner Ansicht nämlich nicht. Die Wirtschaftsführer und ihre Familien sind in ihrem persönlichen Leben und Empfinden immer noch stark am jeweiligen Herkunftsland orientiert.
„Mehr als neunzig Prozent der Superreichen leben noch in dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind“, stellt Hartmann fest. „Ein reicher Chinese hat mit einem armen Chinesen noch mehr gemeinsam als mit einem reichen Russen oder Brasilianer.“
Zwar werden überall die gleichen Designerkleider und -handtaschen verkauft, doch „die reichen Russinnen auf ihren Datschen leben ganz anders als die reichen Chinesinnen oder Engländerinnen in ihren Häusern.“ Die Hobbys zum Beispiel weichen stark voneinander ab. Während französische Spitzenmanager gern Bücher schreiben, sind die Briten viel eher Hobbygärtner. In Deutschland spielen immer noch viele ein Instrument.
Michael Hartmann behauptet sogar: Die Elite schickt ihre Kinder eher nicht auf teure Privatschulen im Ausland, das macht die obere Mittelschicht, sondern auf das staatliche Gymnasium, und zwar möglichst mit einem altsprachlichen Zweig. Auch die Business School besuchen angehende Spitzenmanager meist im eigenen Land, so daß die berühmte Harvard Universität immer noch hauptsächlich von Amerikanern frequentiert wird.
Die Globalisierung findet eher im mittleren Bereich statt: „Natürlich holt man sich gern Leute aus aller Welt, die die Arbeit machen. An der Macht werden sie deswegen noch lange nicht beteiligt. Die USA sind seit Jahrhunderten ein Einwanderungsland, aber den Ton geben bis heute die White Anglo-Saxon Protestants an. Obama ist nichts als ein Alibi.“ Hier könnte auch ein Grund liegen, weshalb die Oberschicht nichts gegen massive Zuwanderung hat. Nicht etwa weil sie so global denkt, sondern weil die Tonangebenden keine Angst haben, daß die Migranten ihnen demnächst die Hegemonie streitig machen könnten. Diese verbleiben nämlich im unteren Sektor. „Schauen Sie auf die Chefs der großen Konzerne“, betont Hartmann. „Da, wo die Macht sitzt – und das ist nicht in der Politik, sondern in der Wirtschaft – finden Sie so gut wie keine Migranten.“
Hinzu kommt eine politische Veränderung: „Regierungschefs wie Putin machen klar: Hier im Land spielt die Musik. Die russischen Milliardäre wissen ganz genau, wo die Basis ihres Reichtums liegt. Nur eine winzige Minderheit wandert aus.“ Aus diesem Grund hält Michael Hartmann auch die Befürchtung für unbegründet, daß bei höherem Steuersatz für Superreiche diese scharenweise ins Ausland abwandern würden: „Die Eliten sind eher national organisiert. Wenn wir die Legende los würden, wonach die Reichen und Mächtigen total mobil sind und die Politik nichts machen kann, wären wir schon viel weiter.“