Wir haben immer wieder über die Entwicklung des nationalistischen Freiwilligen Regiments Azov in der Ukraine berichtet. (Siehe Azov: Zwischen Regiment und politischer Bewegung). Es handelt sich hierbei nicht nur um eine reine Militäreinheit, sondern um eine politische Bewegung mit militärischem Arm. Wir wollen kurz die neuen Entwicklungen rund um Azov darstellen.
Rund um das inzwischen in die Nationalgarde aufgenommen, streng nationalistischem Regiment hat sich eine ganze politische Bewegung geformt. Andrij Bilezkyj, der Kommandant des Regiments, war bereits vor Ausbruch des aktuellen Konflikts in der Ostukraine in volkstreuen Organisationen tätig und war Leiter der „sozial-nationalen Vereinigung“ und der „Patrioten der Ukraine“.
Neben der ständigen Ausbildung neuer Rekruten (auch in politischer Hinsicht) für das stets größer werdende Regiment wurden die sogenannten Zivil-Einheiten gegründet, welche Internetseiten, Zeitungen und Bücher herausgeben und Demonstrationen und ähnliche politische Arbeit leisten. Neben dem Ausbildungsgelände ATEK in Kiew gibt es seit neustem auch das „Kosaken-Haus“, wenige hunderte Meter vom zentralen Maidan-Platz entfernt. Im „Kosaken-Haus“ wird u. A. mehrmals die Woche kostenloses Kampfsporttraining angeboten. Iinzwischen haben die Zivileinheiten auch mehrere von Azov organisierte Kampfsportturniere dort abgehalten. Eng verknüpft ist dabei alles mit einer konsequenten, national und sozialistischen Weltanschauung, welche sowohl das Regiment als auch die Zivileinheiten durchdringt.
Neben der Nutzung als Veranstaltungsort und dem Sportraum beherbergt das „Kosakenhaus“ u. A. eine Bibliothek und ein Tätowierstudio, in dem Veteranen des Regiments arbeiten. Der Hof wird für Filmvorstellungen genutzt.
Um diese Weltanschauung auch der ukrainischen Jugend näher zu bringen, wurde vor kurzem auch eine Jugendorganisation gegründet, welche neben den üblichen Betätigungen (Schulungen, Zeltlager, Sport, Ausflüge) auch Besuche bei den Militäreinheiten von Azov veranstaltet. So werden die Kinder schon früh an ein soldatisches Idealbild heran geführt und gleichzeitig findet die enge Verzahnung zwischen dem zivilen und dem militärischen Teil der Azov-Bewegung statt. Dazu verfügt die Azov–Bewegung über eigene Journalisten und eine Video-Mannschaft, welche ständige Propagandaarbeit leisten.
Unterstützung erhält sie auch von diversen nationalen Musikgruppen, darunter Sokyra Peruna, welche wohl die außerhalb der Ukraine bekannteste Rechtsrockband ist. Auch die inzwischen in Deutschland erhältliche, nationale Modemarke „Svastone“ unterstützt neben anderen nationalen Gruppen die Azov-Bewegung.
Das Ziel der Bewegung ist dabei weit mehr als die Weichenstellung der Tagespolitik zu ändern. Sie selbst sieht sich als Bewegung zur völkischen Neugeburt der Ukraine. Gesellschaftliche Probleme wie etwa eine weitverbreitete Korruption, Oligarchie und Werteverfall sollen durch eine neue Grundlage auf allen Ebenen beseitigt werden. Diese Grundlage ist eine nationale und sozialistische Weltanschauung. Bei diesen Bestrebungen kann die Bewegung auf viele Sympathien und Unterstützer zählen, die sich bereits seit langem danach sehen. So arbeiten etwa auch Professoren bei den Zivileinheiten mit.
Auf der militärischen Ebene ist dies in Teilen schon gelungen. So wird das Azov-Regiment selbst vom Verteidigungsminister als Vorbild für die ukrainische Armee bezeichnet. Die Rekruten durchlaufen nicht nur die härteste körperliche Ausbildung der ukrainischen Armee sondern werden auch politisch und moralisch geschult. Alkohol ist während der Ausbildung komplett tabu, während sich andere Einheiten der ukrainischen Armee öfters mit Alkoholexzessen und Disziplinlosigkeit hervorgetan haben. Im Moment plant die Bewegung neben dem militärischen Arm und der bisherigen kulturschaffenden Arbeit eine Partei zu gründen, um auch in die Höhle der Korruption, dem ukrainischen Parlament, vorzudringen und ihren Kampf für eine neue Ordnung auch dort zu führen.
Erst vergangene Woche gab es erneut Kundgebungen der Azov-Bewegung gegen Korruption. Bei diesen Kundgebungen kam es zu Straßenkämpfen mit bezahlten Schlägertrupps einer oligarchischen Baufirma.
Siehe Video (https://www.youtube.com/watch?v=wNF07GjVyOE)
Vorgeschichte des Konfliktes
Seit Februar 2016 kämpfen die Bewohner der Sviatoshynsky Straße Nr. 3 in Kiev gegen die illegale Errichtung eines Hochhauses direkt vor ihrem Heim. Der Bauplatz ist eigentlich als Kinderspiel- und Parkplatz ausgewiesen, zudem gab es hier einen Erdrutsch, der das sowieso verbotene Bauen im Bereich von Wohnhäusern strafrechtlich relevant werden lässt. Das Bauprojekt ist aber nur eine von zahlreichen illegalen Baustellen in Kiev, die häufig auch das geschichtliche Erbe der Stadt zerstören. Daher ist es auch kein Wunder, daß sich inzwischen eine Mehrheit der Einwohner von Kiev für ein generelles Verbot weiterer Bauvorhaben ausspricht, egal ob legal oder illegal.
Am 5. September veranstalteten die Anwohner der Sviatoshynsky Straße eine jährliche Kundgebung gegen das Bauvorhaben. Diese wurde nach kurzer Zeit von angeheuerten Schlägern, den so genannten „titushki“, nach ihrem Anführer Titushko, angegriffen und aufgelöst. Diese erlangten bereits durch ihre unrühmliche Rolle während der Maidan Revolution Bekanntheit. Die geschockten Anwohner wandten sich von den Angriffen gezeichnet an die Azov-Bewegung, die ihre Forderungen unterstützt und die Azov Zivilkorps konnten nicht anders als dem Hilferuf folge leisten.
Video: riskante Auseinandersetzung von Azov mit der Bau-Mafia
Am 8. September beteiligten sich daher Aktivisten der Azov Zivilkorps an der nächsten Kundgebung gegen die illegale Baustelle an der Sviatoshynsky Straße in Kiev. Die Schläger begannen sofort Reifen anzuzünden und Steine auf die bis dahin friedlichen Demonstranten zu werfen. Daraufhin stürmten Aktivisten die Baustelle, auf der sich die Schläger verschanzt hatten. Dabei mussten sie drei mit Stacheldraht befestigte Zäune überwinden bzw. einreißen. Über dreißig Aktivisten wurden verletzt. Einer von ihnen musste mit 25 Stichen am Kopf genäht werden. Dabei schossen die „titushki“ auch mit Bleikugeln auf die Aktivisten. Die anwesende Polizei sah aber keinen Grund einzugreifen und die Schläger zu stoppen. Dennoch konnten die Aktivisten am Ende des Tages den Sieg für sich verbuchen. Die Azov Zivilkorps konnten die Zäune und Befestigungen der Schläger zerstören, waren sich dabei aber bewusst, daß damit erst eine Schlacht und noch lange nicht der Krieg gegen die Bau-Mafia gewonnen war, der Kampf stand noch ganz am Anfang.
Die Polizei löst die Blockade der „Kyivmiskbud“-Firmenzentrale auf
Am nächsten Tag, dem 9. September, begab sich eine symbolische Gruppe von 25-30 Aktivisten der Azov Zivilkorps zum Firmensitz der „Kyivmiskbud“ und blockierte dort den Eingang mit physischen Beweisen für die Angriffe der Schläger am Vortag. Mit der Blockade forderten die Aktivisten von der Firma die Herausgabe einer Liste der angeheuerten Schläger. Überraschend tauchten aber schnell gut 40 Polizisten auf und beendeten die Blockade gewaltsam, wobei sie alle Aktivisten festnahmen, die sie kriegen konnten.
Im Besonderen attackierte ein Zivilpolizist den Anführer der Kiever Zivilkorps, Sergiy Filimonov, und provozierte einen Kampf bei dem dieser zurückschlug. Absehbar wird „Filya“ nun vorgeworfen den Polizisten angegriffen zu haben, obwohl die Polizeigewalt gegen ihn auf Video dokumentiert wurde.
Außerdem wurde einem Journalisten, der gegen die brutalen Übergriffe der angeblich nach der Revolution reformierten und „zivilisierten“ Polizei protestierte, die Nase gebrochen. Schließlich schrie einer der Polizisten: „Wir haben euch auf dem Maidan getötet und wir werden euch weiter töten!“.
Die Azov Zivilkorps versammeln sich vor der Polizeiwache
Die Azov Zivilkrops gaben nicht auf und mobilisierten öffentlich alle verfügbaren Aktivisten und Unterstützer zur Pechersk Polizeiwache. Die Kundgebung dauerte mehrere Stunden und wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen. „Einer für Alle und Alle für Einen!“ gab Nazar Kravchenko von den Azov Zivilkorps die Parole vor, die von den Aktivisten lautstark wiederholt wurde. Vertreter des Rechten Sektors, der Partei Svoboda und von C14 beteiligten sich ebenfalls an den Protesten. Andriy Biletsky, der Führer der Azov-Bewegung und Oleg Petrenko, ihr langzeitiges Mitglied und Verteidiger politischer Gefangener betraten schließlich als Parlamentsabgeordnete die Polizeiwache, um die Gefangenen zu befreien. Im Ergebnis wurden alle freigelassen.
„Kyivmiskbud“ droht alls Bauvorhaben in Kiev einzustellen
Sofort folgte die Reaktion von „Kyivmiskbud“: Die Firma drohte damit alle Bauvorhaben in Kiev einzustellen, da Azov ihre Arbeit behindere (gemeint ist die Blockade der illegalen Baustelle in der Sviatoshynsky Straße). Wenn man in Betracht zieht, das „Kyivmiskbud“ eine nach dem Fall der Sovjetunion privatisierte Staatsfirma ist, die Milliarden Aufträge erhält, müssen die Azov Zivilkorps einen sehr profitablen Zweig der Korruption verdorben haben. Während der Präsidentschaft von Yanukovych war der heutige Direktor von „Kyivmiskbud“ Igor Kushnir Vertreter des Verteidigungsministers Mykhailo Yezhel, der nach der Revolution aus dem Land floh und dem zur Zeit vorgeworfen wird, die Logistik der ukrainischen Armee zerstört und ihre Waffen verkauft zu haben. Ohne Zweifel kann man, wenn man das alles in Betracht zieht, die Einstellung aller Aktivitäten von „Kyivmiskbud“ auf Grund einer einzelnen Protestaktion von Azov gegen eine illegale Baustelle nur begrüßen. Die Anwohner der Sviatoshynsky Straße teilen jedenfalls diese Meinung und unterstützen die Aktivisten der Azov Zivilkorps wo Sie nur können. Diese haben inzwischen auf der besetzten illegalen Baustelle ein weiteres Bürgerbüro für Andriy Biletsky eingerichtet.
Kundgebung in Solidarität mit Sergiy Filimonov vor dem Pecherskyer Gericht
Am 10. September begann vor dem Pecherskyer Gericht die Verhandlung im Fall von Sergiy Filimonov. Aktivisten des Azov Zivilkorps zeigten um das Gebäude zahlreich ihre Solidarität mit dem inhaftierten Kameraden. Andreiy Biletsky und Oleg Petrenko, beide Parlamentsabgeordnete, wiesen im Gericht darauf hin, daß der Polizist in Zivil war und daher kein Recht hätte, Sergiy wegen Gewalt gegen einen Polizisten anzuzeigen. Sie beantragten daraufhin Filya gegen Kaution freizulassen. Dieser Antrag wurde angenommen. Sergiy ist damit jetzt frei!
Der Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption ist damit ein weiteres Feld, daß die Azov-Bewegung im Kampf für eine neue ukrainische Ordnung aufgenommen hat.