In den letzten Wochen gewann das Wort „völkisch“ ganz neues Interesse. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ hatte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry beklagt, daß „völkisch“ heute nur noch in negativer Bedeutung gebraucht werde. Petry will den verpönten Begriff gern rehabilitieren. Empört darüber zeigten sich nicht nur die politischen Gegner, sondern auch innerhalb der AfD halten viele von diesem Vorstoß nichts. Jörg Meuthen erklärte: „Ich bin der Meinung, daß diese Begrifflichkeit nicht rehabilitierbar ist, sie ist kontaminiert.“ Kontaminiert gleich beschmutzt durch den Nationalsozialismus, denn damals gab es sogar einen „Völkischen Beobachter“.
Nun schaltet sich die „Junge Freiheit“, der AfD nahestehende Wochenzeitung, in die Debatte ein. Der Historiker Karlheinz Weißmann schafft Klarheit darüber, daß „völkisch“ keineswegs gleich nationalsozialistisch bedeutet. Es gibt vielmehr zwischen Völkischen wie der Ludendorff-Bewegung und den Nationalsozialisten deutliche Meinungsverschiedenheiten. Der Name der Parteizeitung ist kein Gegenbeweis, denn sie trug den Namen schon früher und wurde von der NSDAP übernommen. Aus praktischen Gründen behielt man den Namen „Völkischer Beobachter“ bei und setzte sich über Differenzen hinweg, die ohnehin nach 1933, als die Nationalsozialisten den Ausdruck selbst mit Leben füllen konnten, ihre Bedeutung verloren.
In „Mein Kampf“ jedoch hat Hitler sich noch kritisch über die „völkischen Wanderscholaren“ geäußert, deren positive Leistung gleich null sei, oder über die „völkischen Ideologen“, die allen historischen Fortschritt rückgängig machen wollten, um „im vermeintlichen Bärenfell aufs neue ihre Wanderung anzutreten“. Weißmann erläutert: „Allerdings ging es bei dem Konflikt zwischen Völkischen und Nationalsozialisten nicht um Differenzen der Weltanschauung, sondern um deplaziertes Sendungsbewußtsein, fehlende Einordnungsbereitschaft und einen eklatanten Mangel an praktisch-politischem Sinn.“
Weiter erklärt der Historiker, wie es zu der Herausbildung von Begriffen wie „völkisch“ oder „Volkstum“ und sogar „Volkheit“ im 19. Jahrhundert kommt. Als Deutschland mit seiner Kleinstaaterei zu einem gemeinsamen Bewußtsein kam, konnte es die Worte „Nation“ oder „Patriotismus“ nicht wie die anderen europäischen Länder verwenden, weil es noch keine nationale Einheit hatte. So stützte man sich ganz auf das Volk und bildete sprachliche Ableitungen dazu. Karlheinz Weißmann, der den Deutschen auch sonst gern empfiehlt, sich an England und Frankreich zu orientieren und eine „normale Nation“ zu werden, ist daher gegen die Wiederverwendung des Ausdrucks „völkisch“, auch wenn die angebliche „Kontamination“ so nicht stattgefunden hat.