„Böses Denken“ – neuer Kodex des Gutmenschen

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Screenshot von: http://www.rowohlt.de/hardcover/bettina-stangneth-boeses-denken.html

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Was ist „böses Denken“? Klar, was heute damit gemeint ist: „politisch nicht korrekt“. „Böse“ ist es, wenn man Unterschiede zwischen den Menschen annimmt, wenn man Gehorsam verlangt und Disziplin und naturgemäßes Betragen fordert. Also alles, was sich gegen Multikulti und Gender richtet, gilt heute als „böse“. Insofern enthält das Buch von Bettina Stangneth nichts Neues.

Überraschend klingt aber die These der Philosophin, daß es sich bei den „unkorrekten“ Haltungen um echtes Denken handelt. Auch Rassisten und Nazis bedienen sich ihres Gehirns und sogar ihrer Vernunft. Diese Erkenntnis wirkt schockierend. Stangneth hatte sie schon bei der Untersuchung der NS-Führer getroffen. Sie hatte jedoch geglaubt, daß heute nur noch ausgesprochen dumme und „dumpfe“ Menschen gegen die herrschenden Moralvorstellungen auftreten. Dumpf und dumm, unreflektiert, ungebildet, unwissend, so schätzte man den rechten Gegner ein.

Neuerdings läßt sich aber nicht mehr abstreiten, daß auch intelligente und gut informierte Menschen vom „Mainstream“ nach rechts hin abweichen. Stangneth ist eine der ersten, die diese Tatsache immerhin aussprechen und problematisieren. Sie zieht daraus den Schluß: „Denken reicht nicht.“ Auch das von Wissensfragmenten und Meinungsbrocken im Internet befeuerte „autonome“ Denken, das „Selberdenken“, ist gefährlich. Es braucht vernünftiges Denken. Doch vernünftiges Denken reicht auch nicht hin, solange es nicht zugleich ethisches Denken ist.

Mit anderen Worten: Um das „Böse“ zu verhindern, soll jeder einzelne beim Nachdenken und Nachlesen noch ein gutmenschliches Gewissen in sich tragen, das ihm sagt, ob dieser Gedanke überhaupt gedacht werden darf oder nicht. Diese sogenannte „Ethik“ klingt verdächtig nach den alten Zeiten der Kirche, als man „böse Gedanken“ auch nicht denken durfte, und was „böse“ war, bestimmte der Priester.

Stangneth beruft sich ständig auf Immanuel Kant, doch bei Kant war die Moral ein Teil der Vernunft, nicht aber eine aufgesetzte Instanz darüber. Was hier philosophisch vorgetragen wird, ist die Praxis der Mediengesellschaft, wo Argumente ausgeschlossen werden, wenn sie das gewünschte liberalistische Resultat in Frage stellen. Die Theorie ist reaktionär, sie will den Zustand der Oberhoheit der Linksintellektuellen wiederherstellen, der zum Glück seit den 1980er Jahren immer mehr verloren geht.

Bettina Stangneth, Böses Denken, Reinbek bei Hamburg 2016, Euro 19,95

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