Pierre Drieu la Rochelle – die Unzulänglichen

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Zum ersten Mal seit knapp 50 Jahren erscheint nun Pierre Drieu la Rochelles „Die Unzulänglichen“ neu.  Bereits 1939 geschrieben, konnte es erst 1942 unter deutscher Besatzung erscheinen, da der französische Staat es verbot. Auch die 1966 von Gerhard Heller übersetzte deutsche Version erschien mit einigen Zensuren. Es ist dem neugegründeten JungEuropa-Verlag zu verdanken, dass das „bedeutendste Werk der faschistischen Literatur“ (Zeev Sternhell, jüdischer Historiker)  nun zum ersten Mal in kompletter Länge erscheint. Eine Rezension dieses Weltanschauungsromans gestaltet sich durchaus schwierig, da la Rochelle schlichtweg versuchte, alles, was er zu sagen hat, drin unterzubringen. Wir hatten bereits vor kurzem einen kleineren Artikel über Leben und Werk des streitbaren französischen Schriftstellers veröffentlicht. Da Rochelle einmal meinte, dass er nur „seine Geschichte zu erzählen“ imstande sei, ist es für den Kenner der Biographie dieses französischen Faschisten ein leichtes, die Hauptfigur Gilles Gambier als alter Ego la Rochelles zu identifizieren. Dieser durchstreift das Frankreich und insbesondere das Paris der 20er und 30er Jahre, springt geradezu besessen von einer Frau zur nächsten, durchzieht die Kneipen und Cafés der französischen Hauptstadt und ist doch von seinem Leben angeekelt. Drieus Werk ist eine einzige, große Anklage an das Bürgertum, die Dekadenz und die moderne Welt, die er in überspitzter Form in dem dandyhaften Lebensstil seines Protagonisten zeichnet. Einzig die Rückkehr in den ersten Weltkrieg erscheint für den Veteranen Gilles immer wieder am Horizont als Möglichkeit, aus der verhassten bürgerlichen Gesellschaft auszubrechen. Die Stahlgewitter der Front sind hier, wie bereits in Drieus „Die Komödie von Charleroi“, die männliche Welt, in der der Moment, die Tat und der Führer herrschen, die der Sinnlosigkeit eines bürgerlichen Lebens vorzuziehen ist. Als auch der Krieg vorbei ist, erscheint diese Sinnlosigkeit umso drückender. Orientierungslos schwankt Gambier durch die verschiedenen Gruppen der damaligen Zeit – Kommunisten, exklusive Clubs und Avantgardisten – stets auf der Suche nach einer Antwort. Hierbei werden zwei der großen Themen Drieus ausführlich behandelt, die Beziehungen zu Frauen und sein Hass auf alles Bürgerliche. Tatsächlich kann man die ersten zweidrittel des Buches als die Anklage eines Zeitgenossen an der modernen Welt lesen, welche für den Antisemiten la Rochelle ein jüdisches Erzeugnis ist. „Ich persönlich kann die Juden nicht ausstehen, weil sie für mich die moderne Welt verkörpern, die ich verabschaue“ legt er einer der Hauptfiguren seines Buches in den Mund. Den Kerninhalt des Buches, das es zum Weltanschauungsroman macht, findet sich erst, als Gilles Gambier seine eigene Zeitschrift gründet und seine Erfüllung als Schriftsteller und Literat findet. Doch eine wirkliche Antwort auf die Probleme der Zeit kann er auch hier nicht finden, erst die Februar-Krise ermöglicht explosionsartig den Aufbruch der verkrusteten gesellschaftlichen Strukturen. In den Straßenschlachten der Nationalisten mit der Polizei – eine Aufnahme davon ist das Titelbild des Buches – sieht Gilles die historische Chance, das verhasste System zu beseitigen. Doch noch plant er nicht die Etablierung eines neuen Systems, vielmehr geht es zu allererst um den Sturz des bestehenden. Genauso wie die Vorstöße der Nationalisten beflügeln ihn die möglichen Reaktionen der Kommunisten, da er noch zuerst an eine Art Querfront der jungen, unverbrauchten Kräfte gegen die alte, verrottete Demokratie glaubt. Erst als er erkennt, dass sowohl die Anführer der bisherigen nationalen Bewegung als auch die der kommunistischen nicht gewillt sind, die Revolution zu versuchen, wendet er sich von allem bisherigem ab. Seine Antwort auf die bestehenden Missstände lautet nun: Faschismus.

Gilles – in einem Kapitel unter einem anderen Namen – meldet sich als Freiwilliger für den spanischen Bürgerkrieg. Zunächst als Agent der Falange gerät er nach einem Flugzeugabsturz mitten an die Front, wo er den irischen Freiwilligen O´Conner und einen polnischen Freiwilligen trifft. Zwischen ihnen entwickelt sich ein Gespräch, in denen einige Aspekte Drieus Weltanschauung behandelt werden: Europakonzentrierung, ein faschistischer Machtblock sowohl gegen den Bolschewismus als auch gegen den westlichen Liberalismus, Faschismus als Bewegung der erneuerungswilligen europäischen Jugend. In einem Teil des Gesprächs werden einige dieser Konzeptionen, zusammen mit einer möglichen Konkurrenz oder Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche (nicht zufällig sind alle drei aus tief katholischen Ländern) besprochen:

»Ich glaube«, sagte Walter, »ihr könnt beim Faschismus dieselbe
Unterscheidung wie bei der Kirche vornehmen. So wie ihr der Kirche
gegenüber die politischen Direktiven und die geistlichen nicht
verwechselt, so werdet ihr beim Faschismus einen Unterschied
machen zwischen seinem universellen Prinzip und den Mächten,
die ihn verkörpern, und gelegentlich mißbrauchen. Wenn es euch
nicht gelingt, dem Faschismus in euren Ländern zum Sieg zu verhelfen,
werdet ihr die grausigen Folgen eurer Unfähigkeit zu spüren
bekommen und müßt eventuell diese Länder gegen faschistische
Mächte verteidigen, selbst auf die Gefahr hin, den antifaschistischen
Kräften zum Siege zu verhelfen. Der Faschismus kann abwarten,
wie die Kirche, aber ihr könnt den Mächten, die sich des
Faschismus bedienen, nicht den Leib eurer Vaterländer opfern.«
»Wenn Polen sich mit Rußland gegen Deutschland verbündet,
wenn Polen die roten Armeen einmarschieren läßt, kann ich nicht
mehr für Polen kämpfen, denn das hieße nicht nur den Faschismus,
sondern auch die Kirche opfern. Sehen Sie doch, was hier geschieht:
um die Kirche, das Fundament Europas, zu retten, sind die guten
Spanier gezwungen, Italien und Deutschland zu Hilfe zu rufen.«
»Aber der Sieg des Faschismus kann nicht der gleiche sein wie
der Sieg einer Nation über andere Nationen«, sagte Walter.
»Hegemonie einer Idee bedeutet immer Hegemonie einer Nation«,
entgegnete der Pole. »Die demokratische Hegemonie hat sich ein oder
zwei Jahrhunderte lang mit der Hegemonie Englands gedeckt. Wir
müssen endlich zwischen Nationalismus und Faschismus wählen.«
»Der Nationalismus ist überholt«, sagte O’Connor, nachdem er
eine Weile nachgedacht hatte. »Was die demokratischen Mächte in
Genf nicht erreicht haben, werden die faschistischen Mächte schaffen.
Sie werden die Einheit Europas herstellen. Doch wenn die faschistischen
Mächte besiegt werden, kommt es dann nicht zu einer
Hegemonie Rußlands? Oder zur Hegemonie einer dieser scheußli521
chen Demokratien Frankreich, England, Amerika? Für mich wäre
der Sieg der Vereinigten Staaten nach einem Weltkrieg ebenso
furchtbar wie der Sieg Rußlands.«
»Ja, das wäre dasselbe«, stimmte Walter zu.
»Und dann?«
»Dann …« Walter sah die beiden an. »Ich habe mich zwischen
die Nationen gestellt. Ich gehöre zu einem neuen militärischen und
religiösen Orden, der irgendwo gegründet worden ist, der für und
gegen alles die Aussöhnung zwischen Kirche und Faschismus betreibt
und für den doppelten Sieg in Europa kämpft.«
Die beiden Männer sahen ihn ernst und bewegt an.
»Doch wie wollen Sie die Hegemonie Deutschlands verhindern?
« fragte der Pole.
»Im vorigen Jahrhundert haben die Völker von Frankreich den
Nationalismus und die Demokratie übernommen und dann gegen
die Franzosen selbst ausgespielt. Wir werden den Faschismus gegen
Deutschland und Italien ausspielen. Außerdem weiß Deutschland
sicherlich, was in einem künftigen Weltkrieg geschehen wird. Gegen
die Invasion russischer Armeen in Europa muß ein patriotischer
europäischer Geist entstehen. Dieser Geist kann sich nur
entwickeln, wenn Deutschland von Anfang an die Integrität der
Vaterländer garantiert, aller Vaterländer Europas. Nur dann kann
Deutschland die Aufgabe erfüllen, die ihm wegen seiner Kraft und
wegen der Überlieferung des heiligen römisch-germanischen Reiches
zukommt: die europäische Linie von morgen zu bestimmen.«.

Gegen Ende lässt Drieu sein alter Ego Gilles nicht nur reden, angegriffen von den republikanischen Streitkräften greift er selbst zum Gewehr. Zum ersten Mal kämpft Gilles aktiv für seine Überzeugung und handelt, anstatt zu diskutieren und zu schreiben. Das Werk ist damit auch ein Entwicklungsprozess des dandyhaften Intellektuellen zum weltanschaulichen Tatmenschen.

Drieu als Faschist

Drieus Faschismus war nicht direkt zu vergleichen mit dem, was sich Mussolini beispielsweise darunter vorstellte. Grundsätzlich gibt es nicht „den“ Faschismus, da etwa die Eiserne Garde Rumäniens nicht mit den Vorstellungen des Spaniers de Riveras zu vergleichen sind. Für Frankreich gilt dies umso mehr, war hier der Faschismus doch viel weniger als anderswo eine Bewegung der Frontsoldaten oder der sozial deklassierten, sondern viel mehr von Schriftstellern und Intellektuellen wie la Rochelle geprägt. Soziale Probleme werden darum auch viel weniger in seinen Werken thematisiert als es vergleichbare Bücher in Deutschland wie „Kampf um Berlin“  oder Hans Zöberleins „Der Befehl des Gewissens“ taten. Das heißt keineswegs, dass Drieu nicht die soziale Frage im Blick hatte, sein 1934 geschriebenes Essay hieß nicht umsonst „Socialisme fasciste“, also faschistischer Sozialismus. Dennoch liegt das Augenmerk auf den Faschismus als antibürgerliche, revolutionäre Bewegung. Wie nichts anderes hasste er die Dekadenz der bürgerlichen Gesellschaft. Für ihn bemisst sich auch der Wert eines Schriftstellers, wie er in seinem Vorwort zu „Die Unzulänglichen“ schreibt, daran, wie ein Autor die allgegenwärtige Dekadenz der Gesellschaft wahrnehmen und reflektieren kann. Diese ist für ihn ein Produkt der kapitalistischen Demokratie, die er aufgrund dessen so sehr hasst, dass er, als die Niederlage des dritten Reiches 1945 ersichtlich wird, dem Kommunismus den Sieg wünscht, nur um die verhasste Demokratie beseitigt zu wissen. Die Faschismus-Definition von Robert Brasillach, wie Drieu französischer Schriftsteller und Faschist, lässt sich wohl auch für la Rochelles Denken übernehmen:

„Der Faschismus war für uns keine politische Doktrin, er war keine ökonomische Doktrin, er war keine Imitation ausländischer Vorbilder, uns unsere Zusammentreffen mit ausländischen Faschismen bewirkten nur, daß wir die nationalen Originalitäten, und nicht zuletzt unsere, besser verstehen konnten. Aber der Faschismus, das ist ein Esprit. Zuerst ein antikonformistischer, antibürgerlicher Esprit und die Unehrerbietigkeit ist ein Teil davon. Das ist ein Esprit, das sich den Vorurteilen widersetzt, denen der Klasse wie allen anderen. Das auch der Geist der Freundschaft, von dem wünschen, daß er sich bis zum Geist der nationalen Freundschaft emporschwingt.“

Er wandte sich erst dann von seiner Zusammenarbeit mit dem deutschen Reich ab, als es aus seiner Sicht nicht europäisch genug war. Er unterstellte Hitler, nur ein Großgermanisches Reich mit deutscher Hegemonie und weniger ein vereinigtes, faschistisches Europa der gleichberechtigten Nationen schaffen zu wollen. Angesichts des Scheitern seiner Ideen und dem sicheren Todesurteil durch die Alliierten versuchte la Rochelle insgesamt drei Mal, sich das Leben zu nehmen, wovon nur der letzte Versuch am 16. März 1945 erfolgreich war. Seine letzten Worte zeigen noch einmal sein Selbstverständnis:

„Ich, der Intellektuelle

Ich habe mich, in der Mitte meines Lebens, in vollem Bewußtsein so verhalten, wie es meine Vorstellung von den Pflichten des Intellektuellen entsprach. Der Intellektuelle, der Gelehrte, der Künstler ist kein Bürger wie die anderen. Er hat höhere Rechte und Pflichten als die anderen. Aus diesem Grunde habe ich eine waghalsige Entscheidung getroffen; aber in Zeiten größer Umwälzung befindet sich jeder Mensch in der gleichen Lage wie der Künstler. Der Staat gibt dann keine sichere Richtung und kein genügend hohes Ziel an. So war es 1940. Der Marschall bot uns die Einheit, aber auch nur sie: Das war ein Schatten ohne Inhalt. Daher gingen Wagemutige nach Paris, andere nach London. Die in London haben mehr Glück gehabt, das letzte Wort ist im Augenblick noch nicht gesprochen. Ich bin in Paris gewesen, und zusammen mit ein paar anderen haben wir es auf uns genommen, über das Nationale hinauszugehen, der allgemeinen Meinung die Stirn zu bieten, eine Minderheit zu sein,die, mit Zurückhaltung, Zweifel, Mißtrauen betrachtet, schließlich verdammt wurde, als in El Alamein und in Stalingrad die eisernen Würfel in die Waagschale geworfen wurden. Es ist die Rolle des Intellektuellen, zumindest einiger, sich über die Ereignisse zu stellen, auch Chancen, die Wagnisse sind, zu ergründen, die Wege der Geschichte zu erproben. Auch wenn sie sich momentan irren, so haben sie doch eine notwendige Mission übernommen; woanders als die Menge zu sein. Voraus, dahinter oder daneben, das spielt keine Rolle, aber woanders zu sein. Die Zukunft ist aus dem gemacht, was die Mehrheit und was die Minderheit gesehen hat. Eine Nation ist nicht eine einzige Stimme, es ist ein Zusammenhang von vielen. Stets muß es eine Minderheit geben; wir sind sie gewesen. Wir haben verloren, wir sind zu Verrätern erklärt worden. Das ist gerecht. Ihr wäret die Verräter gewesen, wenn eure Sache besiegt worden wäre. Und Frankreich wäre um nichts weniger Frankreich geblieben; Europa Europa. Ich gehöre zu den Intellektuellen, deren Rolle darin besteht, in der Minderheit zu sein. Was heißt aber Minderheit? Wir sind mehrere Minderheiten gewesen. Es gibt keine Mehrheit. Die von 1940 hat sich in kurzer Zeit aufgelöst, die eure wird sich ebenfalls auflösen. Alles Minderheiten. Die Widerstandsbewegung. Die alte Demokratie. Die Kommunisten. Ich bin stolz, zu jenen Intellektuellen gehört zu haben. Später wird man sich neugierig über uns beugen, um einen anderen als den gewohnten Ton zu hören. Und dieser schwache Ton wird stärker und stärker werden. Ich wollte nicht ein Intellektueller sein, der vorsichtig seine Worte wägt. Ich hätte im verborgenen schreiben können (ich habe daran gedacht), schreiben in der nichtbesetzten Zone, im Ausland. Nein, man muß Verantwortung auf sich nehmen, sich zu unlauteren Gruppierungen gesellen, das politische Gesetz erkennen, wonach man immer verachtungswürdige oder verhaßte Verbündete zu akzeptieren hat. Man muß sich zumindest die Füße schmutzig machen, nicht aber die Hände. Ich habe mir die Hände nicht schmutzig gemacht, nur die Füße. Ich habe in diesen Gruppierungen nichts getan. Ich habe mich dazugesellt, damit ihr mich heute aburteilen könnt, mich auf die Ebene des geläufigen, gewöhnlichen Urteilsspruchs stellt. Richtet, wie ihr sagt, da ihr Richter oder Geschworene seid. Ich habe mich euch in die Hand gegeben, da ich sicher bin, euch nicht heute, doch mit der Zeit zu entkommen. Doch heute richtet mich, voll und ganz. Deshalb bin ich erschienen. Ihr werdet mir nicht entkommen, ich werde euch nicht entkommen. Bleibt dem Ideal der Widerstandsbewegung treu, wie ich dem Ideal der Kollaboration treu bleibe. Schummelt nicht mehr, als ich es tue. Verhängt die Todesstrafe über mich. Keine Halbheiten. Das Denken war einfach geworden, es ist wieder schwierig geworden, fallt nicht wieder in die Leichtfertigkeit zurück. Ja, ich bin ein Verräter. Ja, ich war im Einverständnis mit dem Feind. Ich habe dem Feind französischen Verstand gebracht. Es ist nicht meine Schuld, wenn dieser Feind nicht verständig gewesen ist. Ja, ich bin kein gewöhnlicher Patriot, kein vernagelter Nationalist: Ich bin ein Internationalist. Ich bin nicht nur Franzose, ich bin Europäer. Auch ihr seid es, unbewußt oder bewußt. Aber wir haben gespielt, ich habe verloren.

Ich beantrage den Tod.“

Drieu unter Weltanschaulicher Betrachtung

Drieu: Das ist die Krankheit, die sich durchschaut“, meinte Andrê Malraux, gleichfalls Schriftsteller und Freund la Rochelles, einmal.  Tatsächlich ist eine weltanschauliche Betrachtung la Rochelles nur sehr schwierig, zu widersprüchlich, zu wechselhaft scheint er als Person zu sein. Wie kaum ein anderer griff er die Dekadenz und die bürgerliche Welt an. Seine Kritik an der modernen Welt, an verkrusteten Strukturen, einem feigen und hinter falscher Moral versteckenden Bürgertum können wir als Nationalrevolutionäre durchaus teilen. Es ist der gleiche bürgerliche Geist, der sich mehr über einen politischen Aufkleber als über die Invasion Deutschlands mit Kriminellen aus der ganzen Welt aufregt, denn das eine scheint für ihn eine Ordnungswidrigkeit, das andere ist laut Regierung ja legal. Es ist ein auf reine Äußerlichkeiten gerichteter Geist der Verantwortungslosigkeit. Die Dekadenz, die Drieu in den „goldenen 20ern“ erleben musste, war noch nichts gegen den heutigen Verfall von Sitte und Moral, von Hedonismus und Kulturmarxismus. Wenn Drieu also seinen Faschismus, der durchaus ein nationaler Sozialismus war, vor allem als Erneuerungsbewegung gegen die Dekadenz verstanden wissen will, so können wir uns ebenfalls als völkische Erneuerungsbewegung gegen den heutigen Zeitgeist verstehen. Wir wollen wieder ein positives, idealistisches Menschenbild, wir wollen eine starke und risikofreudige Jugend, die Einordnung des Einzelnen an seinen Platz in der Gemeinschaft. Es sollen wieder Werte und Kultur herrschen, statt der stumpfe, materialistische Geist.  Das Drieu dabei selber die Missstände seiner Zeit verkörperte und das Beispiel für einen Dandy schlechthin wurde, ist aber durchaus kritisch zu sehen. Sicherlich kann man so manches erst dann wirklich beleuchten, wenn man es selbst als Erfahrung gesammelt hat. So ist die Sinnlosigkeit eines dekadenten Lebens , die ihm bei seinen zahlreichen Affairen und Bordellbesuchen erst richtig bewusst wurde, in seinem Werk „Der Frauemann“ schonungslos offengelegt, dennoch haben wir eine andere Vorstellung, wie sich jemand zu verhalten hat. Bei uns soll es nicht bei Worten bleiben, wenn es auch noch so schöne sind, bei einer rein intellektuellen Auseinandersetzung mit einer Thematik. Unsere Aktivisten sollen das lebende Gegenbeispiel sein und in Fleisch, Blut und Tat unsere Weltanschauung verkörpern. Unsere Kritik an dem jetzigen Zeitgeist kommt nicht aus der jahrelangen Erfahrung und Lebens in ihm, sondern aus der Position einer moralischen und weltanschaulichen Überlegenheit. Dennoch wollen wir uns nicht als Richter Drieus sehen. Unzweifelhaft ist er einer der größten Schriftsteller die Frankreich im letzten Jahrhundert hervorgebracht hat, seine Sprache, sein Stil sind einzigartig.  Die unleugbare Authentizität seiner Werke ist es,  die ihren Charme ausmachen, die Brechung der Normen und die Thematisierung von menschlichem Scheitern und Fatalismus, die la Rochelles Bücher prägen. Insbesondere „die Komödie von Charleroi“ und „Die Unzulänglichen“ seien hier erwähnt, beides sind auch die weltanschaulichsten seiner Romane. In beiden wird die moderne Welt angegriffen, so wie es viele Zeitgenossen taten, aber sie stellen darüber hinaus noch andere Themen in den Mittelpunkt: Führertum, Kampf, den Moment der Tat,  Todesbereitschaft und Revolte. Das Drieus Europakonzeption dabei nicht die unsere ist – statt einer Art faschistischen, vereinigten Staaten von Europa fordern wir ein Europa der Vaterländer, in Form einer europäischen Eidgenossenschaft – spielt nur eine kleine Rolle. Wir wissen um die Richtigkeit unserer Forderungen und Positionen, wir stehen felsenfest auf dem Boden unserer Weltanschauung. Darum ist es für uns auch kein Problem, mit Drieu einen Schriftsteller zu behandeln, der weltanschaulich nicht zu einhundert Prozent mit uns übereinstimmt. Wir erkennen in ihm nicht den weltanschaulichen Vordenker oder Philosophen, sondern einen bedeutenden Schriftsteller des letzten Jahrhunderts, ein weiterer, kleiner Stein in dem Fundament der europäischen Kultur. Das Drieu uns dabei gedanklich durchaus verwandt – aber eben nicht gleich – ist, erhöht natürlich seine Bedeutung im Vergleich zu vom Etablishment bevorzugten Schriftsteller, etwa die entarten Werke eines Franz Kafkas. Die literarischen Qualität la Rochelles ist dabei unbestritten, 2012 wurde er mit einem Teilausgabe seines Werkes (freilich nicht ohne großen Protest) in die Bibliothèque de la Pléiade des französischen Gallimard Verlages aufgenommen. Die Traditionsreiche bringt Klassiker der französischen Literatur in besonders würdigenden Auflagen neu heraus, die dort verlegten Werke stellen nationales Kulturgut da. Wer also sich in den Figuren eines Drieu Werks wiederkennt, ähnliche Motivationen oder Gedankengänge wie bei sich findet, der findet vielleicht auch zu einer ähnlichen Schlussfolgerung wie er. Für jeden anderen ist es eine literarisch hochwertige Anklage an die moderne Welt und den alles überschattenden Kulturzerfall.   

Von der Neuauflage von „Die Unzulänglichen“ ist eine kleine Zahl auch über unsere Partei beziehbar. Vorbestellungen des 560 Seiten langem Werk gibt es für 25€ unter http://www.materialvertrieb.de/shop_content.php?coID=7&MODsid=ia09kihqi5o7u9lssmqqimqqv7
 

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