Die Worte des Widerstands

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Das Wort „Volksverräter“ ist zum „Unwort des Jahres 2016“ gewählt worden. Es kam auf durch die Proteste gegen die Merkel-Regierung, die sich unorganisiert an der Basis bildeten und außerdem mit dem Begriff „Gutmensch“ (Unwort 2015) oder „Lügenpresse“ (Unwort 2014) operieren. Beides paßt den Regierenden nicht, es sind Wörter, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, genau wie „Nafris“. Man kann also feststellen, es bildet sich eine Sprache des Widerstandes heraus.

Die Unwort-Aktion in Darmstadt besteht aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten Es gibt sie seit 1991. Für 2016 sind 1064 Einsendungen mit 594 verschiedenen Vorschlägen eingegangen. Als aussichtsreich galten auch Schlagworte wie „Umvolkung“ und „Rapefugee“. – Neben dieser Jury wählt davon getrennt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden das „Wort des Jahres“. Für 2016 entschied sie sich für den Begriff „postfaktisch“ (wir berichteten).

Die Jury in Darmstadt möchte „sprachkritisches Verhalten“ bei den Bürgern fördern. Die Kritik trifft in den letzten Jahren jedoch immer rechte Schlagworte. Der Begriff „Volksverräter“ sei „ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten“, begründete die Jury die Wahl. Aber ähnlich verwendeten es auch die Kommunisten, z.B. in Rot-China. Als Vorwurf gegen Politiker sei das Wort „in einer Weise undifferenziert und diffamierend, daß ein solcher Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürgt“.

Die Jury nominierte in diesem Jahr neben Volksverräter kein weiteres Unwort. Sie begründete dies damit, daß sie der mit der Wahl ausgedrückten Kritik an dem derzeit in sozialen Netzwerken, aber auch in der Politik „zunehmenden Sprachgebrauch mit faschistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund“ mehr Gewicht verleihen wolle. Man bekennt sich also zu einer antifaschistischen Ausrichtung der Wahl.

Einen „faschistischen Hintergrund“ hat das Wort „Volksverräter“ jedoch nicht zwingend. Was es allerdings voraussetzt, ist eine Auffassung vom Volk, die sich vom bloßen Mehrheitsprinzip unterscheidet. Sonst würde man nur vom „Betrug an den Wählern“ sprechen, was für die Politische Korrektheit keinen Verstoß darstellt. Vom Wählerbetrug darf man sprechen, aber nicht vom Verrat am Volk, weil das ein Volksinteresse voraussetzt, was von vorübergehenden Wahlergebnissen unabhängig besteht, und dem der Politiker verpflichtet ist. Zwar ist von einem solchen Volksbegriff sogar im Grundgesetz die Rede, doch im politischen Alltag gilt das als „völkisch“ oder sogar „faschistisch“.

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