Bis heute ist die „Junge Welt“ die einzige nennenswerte marxistische Zeitung in Deutschland. Sie berichtet auch positiv über die früheren „Ostblock“-Länder und insbesondere über die DDR. Der Inhalt entspricht jeder anderen sozialistischen Zeitung, also z.B. dem „Neuen Deutschland“. Und der Erfolg verwundert nicht, wenn man weiß, daß die „Junge Welt“ seit 1947 die offizielle FDJ-Zeitung war, also die Jugendorganisation der DDR vertrat. Jetzt wird sie 70 Jahre alt. In der DDR erreichte die „Junge Welt“ (JW) eine große Verbreitung, in den siebziger Jahren wurde sie zur meistgelesenen Tageszeitung. Gestartet hatte sie als Wochenblatt und war gedacht als Fortsetzung des „Trommlers“ für die Kleinen bis 14 Jahren. Wer die JW las, zählte als echter „FDJler“. Wie die Jusos bei der SPD stand die FDJ gegenüber der SED für einen offeneren und moderneren Kurs. „Abweichungen“ wurden jedoch nicht geduldet.
Die Gründe für den Riesenerfolg des bieder aussehenden Blattes sind eher praktischer Natur. Erstens kostete die Zeitung nur 15 Pfennig, so viel wie damals ein Kaugummi-Würfel, und zweitens wurden ganze Schulklassen zum Abonnent der „JW“ verpflichtet, das heißt gezwungen. Entsprechende Werber kamen in die Schulen und nahmen gleich die Unterschriften mit. Ein „Drücker“-Prinzip nach sozialistischen Vorgaben. Mit systemimmanentem Erfolg: bis zur Wende erreichte die „Junge Welt“ eine Auflage von 1,3 Millionen Exemplaren.
Selbstverständlich spielt auch das Thema „Antifa“ bei der JW eine große Rolle, nach der Wende stark zunehmend. Gelesen wurde sie allerdings wegen des Sportteils und der Rubrik „Unter vier Augen“ von Jutta Resch-Treuwerth. Ab 1971 beantwortete sie anonymisierte Leserbriefe zu Sexualfragen. Eine DDR-Version von „Dr. Sommer“ bei der westdeutschen „Bravo“. Tabus kannte man in dieser Hinsicht in der DDR nicht. Freizügigkeit gehörte vielmehr zur sozialistischen Ideologie dazu, und die diesbezüglichen „Bedürfnisse“ der Genossen und Genossinnen wurde politisch ernst genommen.
Was aber wenige wissen: Bereits im Dritten Reich gab es eine „Junge Welt“. Es war die „Reichszeitschrift der Hitler-Jugend“ und zeigt auf der Titelseite beispielsweise 1940 einen „Pimpf“ mit HJ-Fahne. Im Blatt wurde ausführlich über die Reise einer Gruppe Hitlerjungen ins verbündete Japan berichtet. Diese Vergangenheit des Zeitungsnamens dürfte den FDJ-Gründungsmitgliedern entweder nicht bekannt oder hochnotpeinlich gewesen sein. Nach eigener offizieller Lesart beharrt die Redaktion jedenfalls auf dem Gründungsjahr 1947.