Auf der Seite „desinformation review“ findet man sogenannte „Fake News“ gesammelt und richtig gestellt, die in immer größerer Zahl im Netz kursieren. Die Seite wird von der EU betrieben und geht selbstverständlich davon aus, daß die eigenen Nachrichten stets der Realität entsprechen. Unter „Fake News“ laufen: „700 000 Deutsche wandern aus, weil sie Angela Merkel und ihre Politik nicht mehr ertragen“, „Tausend Muslime setzen in Dortmund die älteste Kirche des Landes in Brand“ oder „Die EU plant, Schneemänner zu verbieten, weil die Gefühle schwarzer Mitbürger dadurch verletzt würden.“
Die „desinformation review“, die von elf EU-Beamten betrieben wird, hat inzwischen eine große Verbreitung gefunden, nicht nur aus Informationsbedarf, sondern weil die falschen Nachrichten auch einen gewissen Unterhaltungswert haben. Letztlich handelt es sich hier um Regierungspropaganda, die sich allerdings weniger gegen angebliche rechte Gegner richtet, sondern vielmehr gegen die Propaganda der Russen im Netz. Viele Falschmeldungen sollen von den Russen in Umlauf gesetzt werden, um ihre eigenen politischen Interessen zu stärken und die BRD-Regierung zu verleumden – etwa durch die Meldung von der massenhaften Auswanderung von Deutschen.
Im März 2015 beschlossen die Regierungschefs der EU-Länder, eine Abteilung für die Strategische Kommunikation (StratCom) aufzubauen. Der Krieg in der Ukraine war der Anlaß, weil der Kreml demnach „mit gezielten Desinformationskampagnen das Ansehen des Westens zu untergraben versucht“. Dagegen ist man angetreten, und „StratCom“ ist sich über den Vorwurf bewußt, selbst Propaganda zu betreiben. Deshalb tritt man betont faktenorientiert auf und weist etwa darauf hin, daß schon deshalb nicht 700 000 Deutsche wegen Merkels Politik auswandern können, weil die Zahl der Auswanderungen insgesamt nur 150 000 beträgt.
Der Gegner von StratCom sitzt in Moskau in einem Betonklotz und heißt „Rossija sewodnja“ (Rußland heute). Die Propagandisten liefern Fernseh- und Internetprogramme, sie machen Umfragen und Satellitensendungen, dazu gehören „RIA Nowosti“ und „Sputnik News“ in dreißig Sprachen. Parallel läuft der russische Auslandskanal RT. Ein Musterbeispiel für die russische Desinformation bot die Verwirrung um das angeblich gekidnappte Mädchen Lisa im Januar 2016.
Was russische Medien aufbringen, wird auch in deutschen sozialen Netzwerken verbreitet. Es geht aber auch umgekehrt, und jetzt zeigt sich, daß der Kampf von StratCom gegen russische Propaganda doch eine Verbindung zum politischen Widerstand in Deutschland hat. Foren wie das Israel-freundliche „Politically incorrect“ oder amerikakritische „Compact“ werden von den Russen gern zitiert, um zu belegen, daß auch in Deutschland andere Meinungen vorhanden sind als die offiziell erwünschten. Die Meldung „USA entladen Panzer in Deutschland für Krieg gegen Rußland“, von 3600 Panzern ist die Rede, gelangte von deutschen Internet-Seiten nach Rußland. Nach westlicher Behauptung waren es nur 87.
Kurz nach der Wende hieß es noch, daß man Propaganda nicht mehr nötig habe, weil es nur noch um „Fakten, Fakten, Fakten“ (Werbung Focus) gehe. Im Internet-Zeitalter aber werden angebliche Fakten auf beiden Seiten immer mehr zur bloßen Propaganda. Das Nachsehen haben die, die nicht über eine entsprechend große Verbreitung verfügen, wie sie das Magazin „Compact“ immerhin hat. Höchstwahrscheinlich in Abhängigkeit von den Russen.