Traditionalismus – Teil 3 / 6

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In zweiten Teil der Serie haben wir uns mit der Natur einer positiven Hierarchie befasst und den Unterschied zwischen einem totalitären Staat und dem, was Evola einen Organischen Staat nennt. Im Bezug auf den Organischen Staat haben wir gesagt, dass sein Zentrum eine Idee ist. In diesem Teil werden wir klären, woher der Staat diese Idee enthält und woher der Staat überhaupt kommt.

Der Ursprung des Staates

Den Ursprung oder besser gesagt die Keimzelle des Staates sieht Evola in den „Männerbünden“. Ein Männerbund ist ein Zusammenschluss von ausschließlich Männern, er hat dabei sowohl einen kriegerischen als auch einen geistigen Charakter. Ein wichtiger Aspekt des Bundes ist, dass der Eintritt in diesen durch eine Initiation erfolgt. Dabei handelt es sich um eine oder mehrere harte Prüfungen, welche den Sinn haben, den potenziellen Kandidaten auf eine neue und höhere Stufe der Existenz zu heben. Diese Praxis findet man laut Evola noch in vielen primitiven Kulturen. Der Wechsel in Status dabei so gewaltig, dass Männer, die bei der Initiation versagen oder sie noch nicht hinter sich gebracht haben, auf der gleichen Ebene wie Frauen oder sogar Tiere stehen, erst die Initiation macht sie zu einem Mann. Die Mitglieder des Bundes stehen sich als Bundgenossen gegenüber, sind aber in einer, wie im ersten Teil beschriebenen, Hierarchie organisiert. Evola schreibt zum Charakter des Männerbundes:

„Liebe zur Hierarchie, Beziehungen des Führens und Folgens, Mut, Gefühle der Ehre und
Treue, besondere Formen eines aktiven Über-der-Person-Stehens, die bis zum anonymen Opfer gehen können, klare und offene Beziehungen von Mann zu Mann, von Kamerad zu Kamerad, von Führendem zu Gefolgsmann – das sind die charakteristischen und lebendigen Werte, denen besagte Auffassung das Recht zuerkennt, im Leben Vorrang einzunehmen –, und genau dieselben Werte kennzeichnen ebenso das, was wir »Männerbund« genannt haben.“

Der Männerbund bildet den Staat, indem er sich an die Spitze der Gesellschaft schwingt und diese nach seinen Idealen formt. Zwar schreibt Evola dies nicht explizit, es ist aber anzunehmen daß durch den Männerbund auch die Idee, welche den Organischen Staat bildet, in die Gesellschaft Einzug hält. Die Idee ist dabei wieder von zentraler Bedeutung, sie macht für Evola den Unterschied aus- zwischen einer wahren politischen Ortung und einer reinen Zweckgemeinschaft. Er schreibt in diesem Zusammenhang:

„Daher erscheint jede echte politische Einheit als die Verkörperung einer Idee und einer Macht und unterscheidet sich so von jeder de facto-Einheit, von jeder naturalistischen oder »naturrechtlichen« Vereinigung sowie von jedem Zusammenschluß, der nur durch soziale oder ökonomische, biologische, auf Nutzen bezogene oder auf Wohlbefinden ausgerichtete Faktoren bestimmt ist.“

An diesem Punkt drängt sich das Bild eines Eroberers auf, welches nicht ganz unangebracht ist, Evola benutzt es selbst einige Male. Nicht ohne Grund verwendet Evola oft den Begriff „Imperium“, wenn er vom Staat spricht, den er im Sinn hat. Die Beziehung zwischen Eroberer und Erobertem ist aber nicht rein negativ, immerhin ist das Ziel der Eroberer nicht das Ausbeuten und Versklaven, sondern das Schaffen von Ordnung, wo vorher nur Chaos war. Auch die Ordnung an sich ist natürlich kein Selbstzweck oder von einer rein praktischen Natur, zumindest im Idealfall. So schreibt Evola:

„Die höchste und echteste Legitimation einer wahren politischen Ordnung und daher auch
des Staates liegt in ihrer anagogischen (emporziehenden) Funktion: indem sie die
Bereitschaft des Einzelnen erweckt und pflegt, für etwas zu handeln und zu denken, zu
leben, zu kämpfen und gegebenenfalls auch zu sterben, was über seine einfache
Individualität hinausgeht.“

Evola ist sich dabei durchaus bewusst, dass eine solche „Selbstlosigkeit“ auch missbraucht werden kann und die Gefahr besteht, in einen Kollektivismus zu verfallen. So unterscheidet Evola zwischen zwei verschiedenen Strömungen, die den Einzelnen über sich hinausragen können. Als positiv nennt er eine Geistige und Metaphysische, die negative bezeichnet er einfach als dämonisch. Konkrete Beispiele, die uns erlauben eine scharfe Trennung zwischen beiden Formen zu definieren, sind leider nur schwer zu finden, insbesondere ohne eine weit schweifende philosophische und esoterische Exkursion, etwas das wir, wie anfangs erwähnt, hier nicht betreiben wollen. Nichtsdestotrotz wollen wir zwei Beispiele betrachten, da ansonsten der Unterschied sehr nebulös erscheinen mag. Ein Beispiel im positiven Sinne wäre das Opfern des eigenen Lebens für Staat oder König, vorausgesetzt beide besitzen eine höhere, also über das soziale und natürliche hinausgehende, Legitimation. Ein weiteres Beispiel wäre auch ein Opfer im Namen von Ehre und Treue. Ein negatives Beispiel wäre, wenn ein Individuum das eigene Leben, ähnlich eines ameisenhaften Kollektivismus, als praktisch wertlos betrachtet und dadurch bereit ist, ein Opfer zu bringen. Ein weiteres Beispiel, welches Evola anführt, wäre ein Denken im Sinne des „Wegs der Ahnen“. Dabei sieht das Individuum sich selbst nur als die Inkarnation eines mystischen Geistes, zu welchem es nach seinem Tod zurückkehrt. Hierin sieht Evola einen rein naturbehafteten, fast schon tierischen Geist.
Wenn man die Macht der Idee betrachtet, welche, wie erwähnt ein Individuum zu größten Opfern antreiben kann, drängt sich die Frage der Religion und der Kirche auf. Evola schreibt im Bezug auf die Kirche und den Staat Folgendes:

„Nach wie vor steht fest, dass ein Reich, das wirklich ein Imperium ist, unmöglich über
sich eine Kirche als besondere Organisation dulden kann. Ein Staat, dessen Herrschaft
rein materiell ist, kann eine Kirche sicherlich tolerieren und ihr die Sorge um die
geistigen Dinge überlassen, an denen er uninteressiert ist. Ein Imperium aber ist nur ein
solches, wenn es eine immanente Geistigkeit aufweist. Und dann kann es keinerlei
Organisation anerkennen, die sich das Vorrecht über die geistigen Dinge anmaßt. Es
wird jede Kirche entmachten und verdrängen, indem es sich ohne weiteres zur einzigen
und wahren Kirche aufwirft. In der einen oder anderen Weise wird es zur heidnischarischen
Auffassung zurückkehren, zur solaren Synthese aus Königtum und Priestertum,
zum Sacrum Imperium.“

Kirche und Staat werden bei Evola zu einer Einheit. Daher besitzt der Staat selbst einen heiligen Charakter, allerdings setzt hier wieder das Prinzip der persönlichen Beziehungen ein. So wie schon anfangs erwähnt, da nicht das Amt, sondern die Person dahinter, von Bedeutung ist, erhält der Staat seinen religiösen Aspekt erst durch die Person des Königs. Dieser ist sowohl das weltliche als auch geistige Oberhaupt. Evola vergleicht dies mit einer Geste, welche erst ihre religiöse Bedeutung erhält, wenn ein Priester sie vollführt.

Evola sagt, dass in einer solchen Umgebung ein König wahrhaft von sich behaupten kann „Der Staat bin ich“. Weiterhin sind der König und die Herrschaftsschicht im Allgemeinen nicht an die Anerkennung der unteren Schichten gebunden und müssen auch keinerlei Sanktionen von diesen fürchten. Für den König geht Evola sogar so weit, dass er sagt, dieser stehe über jeglichem von menschengemachtem Gesetz. Die Macht des Königs wird dadurch zur höchsten Instanz, sie steht sozusagen am Ende der Argumentationskette. Evola schreibt über die Absolutheit der Macht und deren Wert im Bezug auf die Ordnung im Staat Folgendes:

„Die Serie [eine Kausalitätskette] muß an
einem Punkt ihr Ende finden, der durch das Unbedingte und die Absolutheit in der
Entscheidung gekennzeichnet ist. Und dies ist auch der Punkt der Stabilität und der
inneren Einheit, das natürliche Zentrum des ganzen Organismus. Während ohne einen
solchen Punkt eine politische Vereinigung ein bloßer Zusammenschluß und eine
vorübergehende Bildung ist, so verweist die oben genannte Macht auf eine
transzendente Ordnung, die sie (die Macht) allein als souveränes, eigenständiges, nicht
abgeleitetes Prinzip, das heißt als Grundlage jedes Rechts, ohne selbst einem anderen
Recht unterworfen zu sein, zu begründen und zu legitimieren vermag.“

Wenn man diese Logik auf den König anwendet, ist es nur folgerichtig, dass dieser keinem Gesetz unterworfen ist. Er ist immerhin das Gesetz in Person, er steht am Ende der Kette. Das bedeutet nicht, dass diese Macht sich aber unbedingt in Willkür oder ähnlichen äußern muss. Evola schreibt, dass diese Macht während bestimmter Zeitabschnitte auch stumm und unsichtbar bleiben kann. Während in Krisen und Ausnahmesituationen die Macht in Form einer Diktatur zum Ausdruck kommen kann. Diktatur in diesem Sinne wird aber stets zeitlich begrenzt sein und enden, sobald die Krise gemeistert wurde, so wie es im alten Rom der Fall war.

Wir haben schon mehrfach gesehen, dass für Evola materielle und soziale Belange hinter höheren Werten zurückstehen. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass sie keinen Platz in seinem Staat haben, Evola legt lediglich Wert darauf, dass die Priorität bei den höheren Werten liegt. Die Trennung beider Bereiche ist bei Evola so stark ausgeprägt, dass er sie in zwei Kategorien aufteilt. Die oberste Ebene ist die der Politik. Das was Evola unter Politik versteht, ist jedoch anders als das, was man heute darunter versteht. Politik im Sinne Evolas ist nicht an tagespolitischen Dingen interessiert, sondern eher am Erhalt der Tradition, dem des Staates als Ganzes und seiner zentralen Idee. Wie schon die Macht des Königs sind die Ziele auf dieser Ebene nicht abgleitet.
Die zweite Ebene ist die des Sozialen. Sie ist mit dem zu vergleichen, was heute allgemein unter Politik zu verstehen ist. Die soziale Ebene ist für die Dinge des alltäglichen Lebens zuständig. Darunter fallen materielle, soziale und administrative Belange, kurz gesagt sie hält den Staat an sich am Leben und ermöglicht das Verfolgen der höheren Ziele. Die Ziele auf dieser Ebene sind denen der oberen untergeordnet, können sogar konträr zu diesen sein.

Wir haben bis hier her viel über die Ordnung um Staat und über die Natur der menschlichen Beziehungen im Staat geredet, haben aber ein Thema ausgelassen, das zwingend bei einer solchen Betrachtung angesprochen werden muss. Die Rede ist von der Beziehung zwischen den Geschlechtern.
Evola ordnet die Geschlechter auf zwei verschiedene Ebenen der Existenz an. Die Ebene des Mannes ist die politische, die des Staates. Die Ebene der Frau ist die soziale und materielle. Durch die unterschiedlichen Ebenen sieht Evola auch unterschiedliche Wege für die Geschlechter vor. Für den Mann ist dies der Weg des Kriegers oder der des Asketen, beide verfolgen ein Ideal, das jenseits ihres eigenen Lebens liegt, der Erste durch ein Leben der Tat, der Zweite durch das Loslösen von der Welt. Das weibliche Äquivalent ist das Leben als Liebhaberin oder Mutter. Hier findet die Überwindung durch die totale Aufopferung für eine andere Person statt, im ersten Fall ist dies der Liebhaber oder Ehemann, im Zweiten nennt Evola den Sohn.
Gegen das, was heute unter Gleichberechtigung verstanden wird, führt Evola an, dass es der Frau die Möglichkeit nehmen würde, ihr höchstes Potenzial als solche zu erreichen und stattdessen in einem sinnlosen Wettbewerb mit dem Mann tritt. Was die Rechte der Frau im Staat anbelangt, macht Evola zwar keine explizite Aussage, die seine Sicht der Dinge offenbart, allerdings führt er an, dass im Altertum die Frau im Vergleich zum Mann keine oder nur wenige Rechte hatte. Wenn überhaupt bekam sie Rechte und sozialen Status entweder durch ihren Vater oder später durch ihren Mann. Da Evola seine Philosophie auf die Praktiken dieser alten, in seinem Sinne traditionellen, Staaten aufbaut, ist anzunehmen, dass er hier eine ähnliche Meinung vertritt. Evola begründet die Behandlung der Frau auf diese Weise damit, dass diese Maßnahmen ein Umfeld schaffen würden, welches der Frau erlaube, sich zum höchstem ihres Potenzials zu entwickelt.
In dieser Sicht der Dinge könnte man den Nationalsozialismus, im Vergleich zu Evola fast schon als liberal bezeichnen, wobei es auch einige Überschneidungen gibt.
So trennt Rosenberg zwar Mann und Frau nicht auf zwei unterschiedliche Ebenen der Existenz auf, sagt aber, dass beide durch unterschiedliche Prinzipien geleitet werden. Das Prinzip des Männlichen ist die Ehre, das der Frau die Liebe, wobei beide Prinzipien in beiden Geschlechtern vorhanden sind, aber jeweils unterschiedlich dominant. Rosenberg sieht die Ehre als Grundpfeiler eines gesunden Staates, aus diesem Grund sprach er sich dafür aus, dass einige wenige Berufe, zum Beispiel der Beruf des Richters und des Soldaten, der Frau vorenthalten bleiben sollten. Er befürchtete, dass ein Übermaß an Liebe den Staat kontaminieren könnte. Was alle anderen Berufe und Bildungswege anbelangt, sollten der Frau alle Wege offenstehen, auch rechtlich sollte sie dem Mann gleich sein.
Aus den unterschiedlichen Prinzipien leiten sich auch die unterschiedlichen Ideale für Mann und Frau ab. Das Ideal des Mannes war das des Soldaten oder Arbeiters. Das Ideal der Frau war das der Mutter. In diesem Sinn sagt Rosenberg, dass die Welt des Mannes, die große sei, die der Frau die kleine. Wobei die große Welt auf der kleinen aufbaue, männlicher Opfermut und Erfindergeist seinen wertlos, wenn keine neue Generation auf diese folgt. Damit baut Rosenberg den Staat auf die Familie auf, eine Idee die Evola strikt ablehnte.

Im nächsten Teil der Serie werden wir uns mit Evolas Rassenlehre und seiner Sicht auf den Adel befassen.

Teil 1
Teil 2

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