Wer regelmäßig politische Diskussionen führt, welche über rein Tagespolitisches hinausgehen, wird früher oder später drauf aufmerksam werden, dass es einige Phrasen gibt, welche in praktische jeder Diskussion gebraucht werden. Oft werden diese mit einer derartigen Selbstverständlichkeit gebraucht, als handle es sich dabei, um über jeden Zweifel erhabene Dinge, die kein respektabler Mensch infrage stellen würde. Stellt man diesen Leuten dann jedoch die ketzerische Frage, nach dem „Warum“ und „Wieso“, wird man in vielen Fällen feststellen, dass die Überzugengen des Gegenübers nur erlernt, aber nicht verstanden sind. Sie wiederholen nur dass, was andere erzählt haben, ohne sich über die Gründe hinter den Gründen dieser Überzeugung, geschweige denn ihrer Schwachpunkte und Schattenseiten, im Klaren zu sein. Eine solche Überzeug ist die Idee, dass der Kommunismus in der Theorie die beste Staatsform sei.
Wir wollen an dieser Stelle nicht diskutieren, warum Menschen sich oberflächliche Überzeugungen aneignen oder warum grade diese in der BRD so weit verbreitet sind. Stattdessen möchten wir zeigen, was Menschen, welche dem Kommunismus einen inhärent guten Charakter zuschreiben, übersehen. Diesen Mythos aus der Welt zu räumen, ist besonders wichtig, da viel Menschen, die ihm Anhängen, keine überzeugten Kommunisten sind und es selbst unter diesen, jene gibt, die Kommunisten aus den richtigen Gründen sind, sich jedoch nicht über die Schattenseiten ihrer Ideologie bewusst sind.
Die einleitend erwähnte Aussage wird meist in Verbindung mit einer weiteren Aussage gebracht. So ist sich die fragliche Person durchaus über die Verbrechen des Kommunismus bewusst und auch ehrlich von ihnen entsetzt, jedoch wird sie sofort einwerfen, dass dies kein „echter“ Kommunismus gewesen sei. Wir möchten hier keine Grundsatzdiskussion führen und versuchen zu klären, ob diese Regime nun Kommunismus betrieben oder nicht. Fakt ist, dass ausnahmslos jede politische Theorie, bei ihrer Umsetzung in die Realität, gewisse Abweichungen erfahren wird. Es wird immer Umstände geben, die außerhalb des eigenen Einflusses liegen und den eigenen Untergang bedeutet würden, wenn man sich nicht im gewissen Maß in sie anpasst.
Selbst wenn wir hier zeigen könnten, dass diese Staaten kommunistisch waren, könnte man immer noch mit gutem Recht einwerfen, dass man es beim nächsten Mal ja besser machen und keine Verbrechen begehen könnte. Daher wollen wir unsere Kritik auch nicht an den Taten vergangener und existierender, sich selbst als kommunistisch bezeichnenden, Staaten festmachen.
Im Grunde besteht das Problem, welches der erwähnten Aussage zugrunde liegt, in einer gewissen Unschuldsvermutung gegenüber dem Kommunismus, welche aus der Annahme hervorgeht, der Kommunismus habe im Kern nur das Beste für alle Menschen im Sinn. Alles andere seien nur Unfälle gewesen. Dies ist auch der Grund, warum andere politische Systeme wie der Nationalsozialismus oder der Faschismus, nicht von einer solchen Unschuldsvermutung profitieren, da man meint, ihr Charakter sei inhärent böse und die von ihnen begangene Verbrechen seien untrennbar mit dem Rest verbunden, ja sogar die logische Fortsetzung ihrer politischen Theorie.
Die Frage, die wir im Folgenden daher klären möchten, ist also, ob die Unschuldsvermutung gegenüber dem Kommunismus gerechtfertigt ist oder nicht.
Um die Antwort auf diese Frage zu finden, müssen wir den Kern der kommunistischen Idee untersuchen, welcher gleichzeitig auch der Grund ist, warum die Idee an sich überhaupt zustande kam. Dieser Kern ist der Ausgangspunkt für alle Absichten und Standpunkte, er ist der Filter, durch den die Welt wahrgenommen wird. Die Schlussfolgerungen, welche sich aus ihm ergeben, mögen sich mit den Umständen ändern, er selbst ist jedoch unbeweglich, er ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Ideologie. Daher wird er auch von seinen Anhängern praktisch nie infrage gestellt, da ansonsten die interne Stabilität der Bewegung ins Wanken geraten würde.
Praktisch jede politische Theorie lässt sich auf einen Kern zusammenschrumpfen, sie mag dadurch an Vielem verlieren, in ihren Grundzügen jedoch immer noch erkennbar sein.
In einer Theokratie mag dies der Glaube an eine göttliche Überlieferung sein, im Kommunismus ist es eine vermeintliche Ungerechtigkeit, welche aus einer angeblichen Unterdrückung entsteht. Der Grund, warum wir hier den Konjunktiv verwenden, wird später noch von Bedeutung sein, es sei aber erwähnt, dass die wahrgenommene Ungerechtigkeit durchaus sehr real sein kann und es in gewissen Perioden auch war.
Zur Entstehungszeit des Kommunismus bestand die vermeintliche Ungerechtigkeit im Unterschied des materiellen Wohlstandes zwischen der Arbeiterklasse und dem Fabrikbesitzer. Wichtig ist hier, dass die Frage, ob der Unterschied in Bezug auf materiellen Wohlstand nicht gerechtfertigt sei, beispielsweise weil das Betreiben einer Fabrik organisatorische Fähigkeiten erfordert, welche die meisten einfachen Arbeiter nicht besitzen, nicht gestellt wird. Da diese Differenzierung nicht stattfindet, findet auch keine Differenzierung zwischen Großindustriellen, reinen Kapitalbesitzern und dem Mittelstand statt. Während man bei Ersteren durchaus argumentieren könnte, dass sie außer ihrem materiellen Besitz nicht zum Produktionsprozess beitragen, wobei auch sie einmal klein angefangen haben müssen, sind die Letzteren zweifelsfrei eng mit dem Produktionsprozess verbunden und tragen ein hohes persönliches Risiko.
Der Grund für die Ignoranz gegenüber diesen offenkundigen Tatsachen liegt in der Milieutheorie. Diese besagt kurz gesagt, dass der Mensch als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt und er einzig und allein durch seine Umwelt, also Gesellschaft, Elternhaus, etc., geprägt wird. Gene und damit die Abstammung spielen nach der Milieutheorie keine Rolle. Diese Theorie ist selbstverständlich falsch. Man mag sich darüber streiten können, in welchen Maß die Gene einen Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen haben und gesellschaftliche Prägung ist sicherlich ein wichtiger Faktor, aber zu behaupten Gene hätten keinerlei Einfluss, ist jedoch ideologisches Wunschdenken. Leider ist dieser fatale Fehler immer noch in den Köpfen unzähliger Menschen vorhanden, er ist sogar das Fundament unserer liberalistischen Gesellschaftsordnung, da die Anerkennung eines genetischen Determinismus und sei er noch so marginal, die Lüge von der Gleichheit aller Menschen zum Einsturz bringen würde.
Führt man nun den Gedanken der Milieutheorie zu Ende, muss zwingen jeder Unterschied zwischen zwei Personen auf eine Ungleichbehandlung und damit einer Ungerechtigkeit zurückzuführen sein. Negative Verhaltensweisen wie Faulheit sind davon nicht ausgenommen, selbst wenn diese so offenkundig sind, dass die Person selbst sie nicht leugnen kann, wird sie für die eigenen Fehler immer noch die Gesellschaft verantwortlich machen können, denn nach der Milieutheorie wurde sie von ihr zur Faulheit erzogen. Was hier sehr Überspitzt klinge mag, kommt jedoch in der Realität schon lange zur Anwendung. Ein Beispiel hierfür wäre der Versuch die Schuld eines Kriminellen zu relativieren, in dem man auf sein schlechtes Umfeld aufmerksam macht. Wir wollen hier nicht behaupten, dass man einen Menschen nicht zur Faulheit erziehen könnte oder dass ein kriminelles Umfeld sich nicht schlecht auf einen Menschen auswirken wird, jedoch ist jeder Mensch am Ende immer noch mit einem freien Willen ausgestattet und damit für seine Taten selbst verantwortlich.
Teil 2 folgt…