In dem südamerikanischen Staat Venezuela herrscht derzeit Chaos. Das für seine großen Ölvorkommen bekannte Land befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Seit dem Tod des sozialistischen Präsidenten, Hugo Chavez, 2013 und dem Beginn der folgenden Herrschaft durch den amtierenden Machthaber Nicolas Maduro, geht es in dem Land abwärts. Nach inneren Unruhen hatte Maduro 2017 das Parlament durch eine Verfassungsänderung entmachtet. Die Nationalversammlung erklärte dieses Vorgehen für illegitim. Am 22. Januar 2019 ernannte sich nun der Vorsitzende der Versammlung, der Sozialdemokrat Juan Guaido, zum Interimspräsidenten. Insbesondere die USA setzen sich stark für den Regierungswechsel ein.
Venezuela hat eine gemischtrassige Bevölkerung. Mehr als die Hälfte der etwa 31 Millionen Einwohner sind Mestizen, also Mischlinge aus roter und weißer Rasse. Weitere 43,6 Prozent der Bevölkerung sind Weiße, 3,6 Prozent sind Schwarze und 2,8 Prozent gehören der indigenen roten Bevölkerung an. Venezuela verfügte im Jahr 2017 über die größten Ölreserven der Welt, 300,878 Millionen Barrel. Die großen Ölvorkommen machten Venezuela ab Mitte der 1970er Jahre zu einem der reichsten Länder Südamerikas. Doch mit dem Verfall des Ölpreises ab 1983 schwand der Wohlstand so schnell, wie er gekommen war. Das abwechselnd sozialdemokratisch und konservativ geführte Land stürzte in eine schwere, langanhaltende Wirtschaftskrise.
1998 waren die Venezolaner dieser Entwicklung überdrüssig und es kam zu einer Revolution, in deren Folge Hugo Chavez die Macht übernahm. Er führte den Chavismus, eine Art nationalen Sozialismus ein. Grundprinzipien des Chavismus sind nationale Souveränität und Unabhängigkeit, Antiimperialismus, die Ablehnung finanzieller Supermächte – insbesondere IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation sowie ein gewisser Nationalismus. Zugleich sah Chavez neben seiner sozialistischen Idee das Christentum als wichtigen spirituellen Grundpfeiler seines Landes. Er selbst regierte autoritär, verstand sich jedoch als Demokrat. Unter seiner Ägide sank die Zahl der Juden im Land zwischen 1998 und 2007 von 16.000 auf 12.000. In einer Weihnachtsansprache kritisierte er die Herrschaft einer Minderheit über die Reichtümer der ganzen Welt. Chavez kritisierte wiederholt die zionistischen Verbrechen in Nahost.
Noch 2012 zählten die Venezolaner einer Umfrage des Instituts Gallup zufolge zu den glücklichsten Menschen der Erde. Unter Chavez wurde die wirtschaftliche Ungleichheit im Lande abgebaut, der Sozialstaat wurde ausgebaut. Ein wichtiges Ziel der Politik war es, die Abhängigkeit von den Ölexporten abzubauen. Dies gelang nicht. Korruption, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Staatsverschuldung sowie eine verkommene Infrastruktur waren bereits zu Lebzeiten von Hugo Chavez Schattenseiten der sogenannten „bolivarischen Revolution“. 2013 starb der langjährige Machthaber nach einer schweren Krebserkrankung. Während seiner Amtszeit hatte es immer wieder Mordversuche gegen Chavez gegeben.
Nach dem Tod von Chavez übernahm der ebenfalls sozialistische Präsident, Nicolas Maduro, die Macht. Schon bald fiel die Wirtschaft Venezuelas ins bodenlose. Der Staat ist faktisch pleite und komplett von den verbliebenen Öleinnahmen abhängig. Es herrscht Hyperinflation, eine Hungersnot und eine Armutsquote, die im Jahr 2016 80 Prozent betrug. Während unter Chavez das Land noch die höchste Fettleibigkeitsquote Südamerikas hatte, galten Ende 2017 1,3 Millionen Venezuelaner als unterernährt. Fünf bis sechs Kinder starben pro Woche an den Folgen der Mangelernährung. Die Preise für Wasser und Lebensmittel sind explodiert. Zahlreiche Einwohner verlassen das Land.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass es zu anhaltenden Streiks, Protesten und Demonstrationen kommt. Einziger Rückhalt Maduros ist offenbar das Militär. Diesen Umstand machen sich nun die USA zunutze. Mit Sanktionen gegen den staatlichen Ölkonzern, der Androhung eines Militäreinsatz durch US-Präsident Trump und der Anerkennung des Machtanspruchs von Guaido, versuchen die Amerikaner, Maduro endgültig zu stürzen. Die USA sind Hauptabnehmer des venezolanischen Öls. Durch die Sanktionen wird Maduro der Zugriff auf die wichtigen Einnahmen verwehrt. Ein anderer Abnehmer ist schwer aufzutreiben: In den vergangenen Jahren hat Venezuela seine Schulden bei China und Russland nicht beglichen. Deswegen verrechnen diese Länder ihre Ölimporte mit den finanziellen Altlasten.
Der politische Wandel in dem Land ist also sehr wahrscheinlich. Fraglich ist, ob er friedlich oder gewaltsam vonstattengehen wird, denn Maduro macht keine Anstalten zu gehen. Sollte er auch faktisch abgesetzt werden, würde der Sozialdemokrat Juan Guaido die Macht vorerst übernehmen. Zwar würden die USA den Geldhahn wieder aufdrehen, doch die Abhängigkeit vom internationalen Kapitalismus würde wieder wachsen. Die eigentlichen Probleme des Landes dürften weiterhin nicht behoben werden, denn die gravierende Abhängigkeit vom Erdöl bliebe bestehen.
Die Geschichte Venezuelas zeigt, dass Länder mit großen Bodenschätzen vom Kapitalismus kurzfristig profitieren können. Langfristig begeben sich Länder jedoch in Abhängigkeit, die für die Zukunft einer Nation zu einem großen Problem werden kann. Mit dem Chavismus hat Venezuela daraufhin versucht, einen nationalen Sozialismus zu installieren. Dieser Versuch ist aufgrund von Korruption, Misswirtschaft und unfähiger Eliten in einer rassisch inhomogenen Gesellschaft langfristig gescheitert. Eine autonome Wirtschaft, die nachhaltig in der Lage zur Selbstversorgung des Staates ist, konnte nicht aufgebaut werden. Parallelen zu einem nationalen Sozialismus im Sinne der dritten politischen Theorie lassen sich jedoch nicht ziehen. Zum einen blieb der Chavismus stark im marxistischen Denken verwurzelt. Dies hat in der Praxis zu einem für kommunistische Systeme typischen Staatskapitalismus geführt, bei dem sich einige wenige korrupte Eliten persönlich bereicherten. Zum anderen kann bei einer überwiegend aus Mestizen bestehenden Bevölkerung nicht von einem Volk, der Basis für jeden nationalen Sozialismus, gesprochen werden.