Aktuell ist es die Einkesselung von St. Petersburg (damals Leningrad), für die eine Entschädigung fällig sein soll, wenn auch nur die vergleichsweise geringe Summe von 12 Millionen Euro. Mit dem Geld soll ein Krankenhaus für Kriegsveteranen in der Stadt modernisiert und ein deutsch-russisches Begegnungszentrum aufgebaut werden.
Ein solcher Fall ist neu, denn erstmals werden hier Zahlungen für militärische Handlungen geleistet, die insofern nicht in die gängige Kategorie Holocaust fallen.
Was war geschehen?
Nachdem die deutschen Truppen am 22. Juni 1941 Stalins Angriffsplänen auf Europa nur knapp zuvorgekommen waren und mitten in die an der sowjetischen Westgrenze bereitstehende Rote Armee hineingestoßen waren, begann auch gegen die Sowjetunion der bereits im Westen bewährte Blitzkrieg. Anfang September 1941 erreichte die Wehrmacht im Verbund mit aus Norden angreifenden finnischen Truppen die Außenbezirke von St. Petersburg, mit dem Ziel, die strategisch wichtige Stadt einzunehmen. Um die erwarteten zähen und verlustreichen Straßenkämpfe zu vermeiden, befahl Hitler die Belagerung der zweitgrößten sowjetischen Stadt, um die Bevölkerung auszuhungern – seit dem ersten Bau von befestigten Siedlungen ein fester Bestandteil der Kriegsführung.
Stalins Evakuierungsplan sah die Verlegung der Rüstungsbetriebe vor, die Zivilbevölkerung interessierte den Diktator nicht. Schon aus Prestigegründen durfte die Stadt nicht fallen. Anstatt zu kapitulieren, versuchten die Sowjets die Eingeschlossenen über einen schmalen Korridor zu versorgen. Während das Volk hungerte, bis hin zu Fällen von Kannibalismus, ließen es sich die kommunistischen Funktionäre wohlergehen. Aussagen belegen, dass das Offizierskorps des Geheimdienstes NKWD, die Funktionärskaste der kommunistischen Partei und der Stadt-Verwaltung sogar mit Kaviar versorgt wurden und Geldprämien erhielten.
Nach fast 900 Tagen wurde der deutsch-finnische Belagerungsring schließlich gesprengt – etwa ein Drittel der Einwohner sollte die Einkesselung nicht überleben.
Dafür soll nun also Geld fließen. Dies sei ein Zeichen der Anerkennung der Verantwortung für das im deutschen Namen begangene Unrecht jener Jahre, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Die Handschrift von Außenminister Heiko Maas, der nach eigenem Bekunden wegen Auschwitz in die Politik gegangen ist und den Bußgang seiner Vorgänger nahtlos fortsetzt, lässt sich deutlich zu erkennen.
Ein Bemühen, das zum Scheitern verurteilt ist. Dass historische Ereignisse vom Volk eines Tages historisiert und als „erledigt“ angesehen werden, ist nur natürlich. Kein Einzelwesen und keine Nation kann die eigene Zukunft positiv gestalten, wenn immerwährend mit dem tatsächlichen oder oft auch nur angeblichen Versagen konfrontiert. Maas und seine Genossen erinnern mehr an Don Quixote als an Mutter Theresa oder wen auch sonst die Damen und Herren sich zum Vorbild gewählt haben.
Die deutsche Geschichte geht weiter – weil die Deutschen ein Recht haben, weiterzuleben und weil wir es so wollen.
Übrigens erklärte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa nach Bekanntwerden der deutschen Absicht umgehend, dass die Frage der Entschädigung damit keineswegs abgeschlossen sei. Deutschland müsse alle Überlebenden der Belagerung persönlich entschädigen, forderte sie, was für die jüdischen Opfer der Blockade bereits geschehen ist. Im heutigen St. Petersburg leben insgesamt noch rund 86.000 Überlebende der Belagerung, sowie 22.000 Veteranen der Kämpfe.