Kollhoff zeichnet für den Bau des Walter-Benjamin-Platzes in Charlottenburg verantwortlich. Fast in der Mitte des 108 Meter langen und 32 Meter breiten, längsseits von den „Leibnizkolonaden“ mit jeweils 26 granitgrauen Säulen gesäumten Platzes ist im Pflaster zu lesen: „Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein / die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, / dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert.“
Die Inschrift ist so unscheinbar eingeprägt, dass die meisten der Millionen von Menschen, die seit Eröffnung im Jahre 2001 den Platz passierten, sie wohl noch nicht einmal bemerkt haben dürften. Doch die Redakteure der „Arch+“ sind offenbar der Meinung, dass dieser Satz zur Staatsaffäre aufgeblasen gehört. Denn, halten Sie sich fest: „Usura“ ist das italienische Wort für „Wucher“. Wenn Sie sich jetzt fragen: „Ja, und?“, dann gehören Sie wohl zu jenem Teil der Menschheit, der noch alle Sinne beisammenhat.
In den Schreibstuben der „Arch+“ hingegen wittert man direkt Antisemitismus. Das in Rede stehende Zitat jedenfalls stammt aus der zwischen 1915 und 1962 nach und nach auf fast 1000 Seiten angewachsenen Gedichtsammlung „Cantos“ vom amerikanischen Dichter Ezra Pound, der sich mehrmals kritisch über das Judentum geäußert hat.
„Arch+“-Chefredakteur Anh-Linh Ngo bezeichnete die Kombination von Platzgestaltung und Pound-Zitat daher „als der explizit antisemitische Kulminationspunkt einer implizit rechten retrospektiven Architektur Berliner Machart“. Walter Benjamin, der Jude und linker Intellektueller gewesen sei und der Mussolini-Verehrer und angebliche Verbreiter „antisemitischer Propaganda“ Ezra Pound – diese von Kollhoff bewusst gewählte Verbindung sei „eine kaum anders als perfide zu nennende Konstellation“.
Perfide und annähernd geisteskrank erscheint klar denkenden Menschen hingegen eher die krankhafte Suche nach Antisemitismus, wobei ganz gerne auch einmal Gespenster gejagt werden.