Russland plant national kontrolliertes Internet

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In Russland ist am 1. November ein Gesetz in Kraft getreten, mit dem die Regierung das Internet im eigenen Land unter staatliche Kontrolle bringen will. Noch ist dieses Ziel nicht erreicht, aber das bereits im Mai von Wladimir Putin unterzeichnete Gesetz legt die Grundlage dafür, dass in Zukunft der gesamte Internetverkehr Russlands über Server im eigenen Land gelenkt werden soll. In Verbindung mit einem eigenen Domain-Name-System (Server, die menschenlesbare Internetadressen in IPs auflösen), könnte Russlands Internet damit autonom vom Rest der Welt operieren. Ob und mit welchen Einschränkungen dies möglich ist, ist noch offen, denn noch sind nicht alle technischen Fragen geklärt. Die Infrastruktur für diese Unterfangen muss erst noch geschaffen werden, was derzeit die Aufgabe der russischen Internetprovider ist. Das Ziel steht jedenfalls fest: Russlands Internet soll unabhängig vom Westen werden und dessen Kontrolle gänzlich in die Hände der russischen Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor gelegt werden.

Besonders Letzteres hat heftige Kritik ausgelöst, sowohl in Russland, wo die Opposition die Zensur regierungskritischer Medien und eine allgemeine Einschränkung der Meinungsfreiheit fürchtet, als auch im Ausland, wo man bekanntlich Sympathien für putin-feindliche Oppositionelle hegt. Die deutsche Presse schreibt bereits von der „Abkopplung Russlands vom Internet“ und befürchtet eine neue Ära der Zensur, nicht ganz unähnlich derer, die China mit seiner großen Firewall aufrechterhält. Die Heuchelei könnte hierbei kaum größer sein, ist man sich doch in den bundesrepublikanischen Redaktionsstuben einig, dass, wenn es um die Opposition im eigenen Land geht, nahezu jedes Mittel recht ist, um diese in der Verbreitung ihrer Meinung zu hindern. Der einzige Unterschied ist, dass man im Westen durch Gesetze Technologieunternehmen wie Facebook und Twitter dazu zwingt, die Drecksarbeit zu übernehmen, damit man sich selbst weiter als die Verteidiger des liberalen Meinungspluralismus darstellen kann.

Dass man in Russland ehrlicher oder einfach nur direkter ist, ändert nichts daran, dass die Befürchtungen nicht ganz unbegründet sind. Die Teile der deutschen Rechten, die sich derzeit(!) der Gunst des Kremls erfreuen dürfen, mögen es nicht wahrhaben wollen, aber Russland hat bekanntlich ein schwieriges Verhältnis zur Meinungsfreiheit und es gibt keinen Grund zu glauben, dass ein Machtpolitiker wie Putin nicht jedes Mittel nutzen wird, um seine Ziele zu erreichen.

Presseberichten zufolge soll bereits 2018 in der in der russischen Teilrepublik Inguschetien im Nordkaukasus, infolge von Protesten, das Internet zeitweise abgeschaltet worden sein. Es existiert daher mutmaßlich ein Präzedenzfall und wenn der gesamte Internetverkehr Russlands zukünftig über staatliche kontrollierte Knotenpunkte gelenkt wird, könnte ähnliches sich nicht nur in größeren Dimensionen wiederholen, sondern auch auf subtilere Weise, indem beispielsweise nur bestimme Seiten oder Dienste nicht erreichbar sind.

 

Nationalisierung des Internets?

Unabhängig davon, welchem Zweck Russland die Macht zuführen wird, die es durch diesen Vorstoß erhält, ist die offizielle Begründung hinter der Nationalisierung des Netzes einen Blick wert. Erst einmal verneinte der Chef des Ausschusses für Informationspolitik der Duma, Leonid Lewin, dass Russlands Internet vom Rest der Welt abgekoppelt werde. Es werde weiterhin Teil des weltweiten Netzes bleiben und sei vielmehr als Reserveinfrastruktur gedacht. Durch diese soll das russische Internet im Falle einer Gefahr von außen weiterhin funktionsfähig bleiben. Es diene damit der nationalen Sicherheit, wie auch Putin selbst betonte. Dessen Sprecher für Internetfragen Dmitri Peskow wies ebenfalls den Vorwurf zurück, dass man vorhabe, das Internet aus politischen Gründen abzuschalten. Peskow führte stattdessen an, dass es der Westen sein könnte, der Russland möglicherweise vom Internet abtrenne.

Ob dies technisch machbar ist, sei einmal dahingestellt, doch dass unter gewissen Umständen Russlands Gegner geneigt sein könnten, genau dies zu versuchen, ist nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Bedenkt man, welche enorme Bedeutung das Internet für die Prozesse innerhalb einer modernen Wirtschaft und für das alltägliche Leben der Bürger hat, wäre die Störung dieses mit einem Angriff auf das Strom- oder Verkehrsnetz zu vergleichen. Dass Russland als Nationalstaat das Internet als Teil seiner Infrastruktur schützen will, ist also nur richtig und völlig legitim. Ganz gleich was Russland sonst noch mit „seinem“ Internet treiben mag, ist die Schaffung eines Reservenetzwerkes damit auch für Deutschland und Europa unter dem Aspekt der nationalen Sicherheit richtungsweisend.

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