„Der Graben, der sich zwischen der Schönheit, der Ernsthaftigkeit des Werks und dem aufgetan hat, was aus ihm geworden ist, all das verstehe ich nicht. Bei einem solchen Grad an Kommerzialisierung löst sich die ästhetische und philosophische Kraft dieser Schöpfung in nichts auf. Für mich gibt es nur eine Lösung: mich abzuwenden.“
So urteilt Christopher John Reuel Tolkien, Sohn des weltberühmten John Ronald Reuel Tolkien, über die Verfilmung des literarischen Kulturguts, welches er zusammen mit seinem Vater der Welt geschenkt hat. Die fantastische Welt des Herr der Ringe, welche aus der Feder des Vaters stammt, wäre ohne die Hilfe und Unterstützung des Sohnes undenkbar. Schon als Kind hatte der Vater den Sohn in die Welt „Mittelerdes“ eingeführt und es dauerte nicht lange, da nahmen die Geschichten um Bilbo und Frodo Beutlin durch das gemeinsame Werk der beiden Gestalt an – eine Gestaltung, die sich teils über Jahrzehnte hingezogen hatte. Christopher fungierte dem Vater als Berater und Zeichner.
Die meisten der Karten, welche heute vielen Werkausgaben beigegeben sind, stammen von Christopher, welche jener unter Obhut des Werkschöpfers erstellt hatte. Den intensiven Austausch zwischen Vater und Sohn weisen u.a. mehr als siebzig Briefe nach, welche sich die beiden während Christophers Stationierung im 2. Weltkrieg in Südafrika zugesendet hatten, nach.
Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1973 oblag es ihm, die ungeheure Menge an unbearbeitetem Material zu sammeln, zu ordnen und werkfähig zu machen. Herausragend ist hierbei das „Silmarillion“, welche eine Sammlung unvollendeter Werke des Vaters enthält, die die Vorgeschichte zum „Hobbit“ und des „Herrn der Ringe“ enthält. Seine Professur für englische Sprache an der Universität von Oxford war ihm zweifelsohne eine große Hilfe, die Abhandlungen und Notizen seines Vaters zu bearbeiten, welcher auf dem Gebiet der Sprachen äußerst bewandert gewesen war und dies auch in seinen Werken Niederschlag gefunden hatte.
Das väterliche Erbe als Lebensaufgabe
Die Verwaltung des väterlichen Nachlaßes offenbarte sich rasch als Lebensaufgabe für Christopher. Dies war eine Lebensaufgabe, welcher er ohne jeden Zweifel gemeistert hat. Als Vorsitzender des Tolkien Estate verwaltete er bis 2017 auch die finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten des väterlichen Nachlaßes. Es ist zu vermuten, daß er durch seinen unermüdlichen Einsatz dafür gesorgt hat, daß nun auch nach seinem Tod die übrigen Mitglieder der Tolkienfamilie nach wie vor Einfluß auf den Umgang mit dem väterlichen Werk haben – diverse Verträge mit Amazon Prime, Warner Bros., New Line Cinemaund Metro-Goldwyn-Mayer machen dies ohne Frage nötig, soll das väterliche Werk nicht vollkommen der Kommerzialisierung anheimfallen.
Die Werke Tolkiens erfreuen sich bei vielerlei Menschen Bewunderung, nicht zuletzt auch im nationalen bzw. konservativen Lager findet man Liebhaber der Bücher – oder anders formuliert: Politische Feindschaft begegnet dem Werk fast ausnahmslos in linken bzw. liberalen Kreisen, da diese zuweilen in der klaren Völkertrennung, dem Kampf um Vaterländer, überhaupt dem Kampf zwischen Gut und Böse, im Besonderen aber dem Kampf der „hellen“ Elben gegen die „dunklen“ Orks rassische Motive wittern. Dabei war Vater Tolkien sehr deutlich, was den politischen Gehalt seiner Werke angeht:
„Das Hauptmotiv war der Wunsch eines Märchenerzählers, es einmal mit einer wirklich langen Geschichte zu versuchen, die die Aufmerksamkeit der Leser fesselt, sie unterhält, erfreut und manchmal vielleicht erregt oder tief bewegt. […] Was irgendwelche tiefere Bedeutung oder „Botschaft“ betrifft, so gibt es nach der Absicht des Verfassers keine.“
Mag es also wohl sein, daß es der politischen Linken wieder einmal auch daran gelegen ist, dem Menschen das letzte bisschen Schönheit in der Tristheit der Moderne zu nehmen, in diesem Falle in der Literatur.
Doch Christopher Tolkiens Werk als Herold und Funkenbewahrer des Vaters bleibt ungebrochen. Er vermochte ungetrübt am 15. Januar diesen Jahres in Ruhe zu entschlafen, wissend, seinem und dem Werk des Vaters treu geblieben zu sein.