Deutliches Abstimmungsergebnis für die Freiheit
„Dieser 21. Februar ist historisch“, verkündete der Regionalpräsident des Elsass, Fréderic Bierry, als er das Ergebnis der Umfrage bekanntgab. Was viele Elsässer schon lange vermutet haben, wird durch die Abstimmung bestätigt. Auch wenn die Abstimmung keine direkten Konsequenzen nach sich zieht: Die Elsässer wollen mehr Autonomie. In der Region zwischen Vogesen und Rhein wohnen 1,9 Millionen Menschen. Die Elsässer haben eine eigene regionale Identität, die dem zentralistischen Frankreich schon lange ein Dorn im Auge ist. In Paris fürchtet man jede Autonomiebestrebung, von der es derzeit einige gibt. Ob im Baskenland, in der Bretagne oder auf Korsika: Überall streben Unabhängigkeitsbewegungen nach mehr Freiheit.
Die Wahl im Elsass war zuvor in einer Kampagne beworben worden. Teilnehmen konnten die Elsässer an 99 installierten Wahlurnen, per Briefwahl oder online. Die meisten Teilnehmer hatten die letztgenannte Option gewählt. Die Wahlbeteiligung übertraf die Erwartung von Initiator Bierry: Dieser hatte zuvor mit etwa 100 000 Teilnehmern gerechnet.
Das Wahlergebnis wird in Paris unterdessen ignoriert. In diesem Jahr steht in Frankreich die Präsidentschaftswahl an und das Thema ist für die Kandidaten ein heißes Eisen. Größere Medien griffen das Wahlergebnis nicht auf. Der Präsident der ungeliebten Großregion Grand Est, Jean Rottner, hatte die Befragung von vornherein abgelehnt. „Vor 2028 wird es keine Änderungen des regionalen Zuschnitts geben“, hatte Rottner erklärt. Doch Fréderic Bierry möchte sich nicht mit dem Wahlergebnis zufriedengeben. So erklärte er: „Das Elsass will und wird zu einer vollständigen Region zurückkehren“. Er möchte den 21. Februar als Beginn eines Kampfes um die Autonomie des Elsass verstanden wissen.
Das Elsass gehörte von 1871 bis 1918 und von 1940 bis 1945 zum Deutschen Reich. Viele Bürger sprachen alemannische Dialekte, die unter dem Übergriff Elsässisch zusammengefasst werden. Nicht grundlos fürchteten die Franzosen, das Elsass könnte eines Tages zu Deutschland zurückkehren. Ab 1945 wurde daher versucht, das Elsass frankofoner zu machen. So war es bis in die 1970er-Jahre an Schulen nicht erlaubt, elsässisch oder deutsch zu sprechen. Auch in der Öffentlichkeit war es unüblich, eine andere Sprache als Französisch zu sprechen. Zusätzlich zogen zahlreiche Migranten aus Italien, Portugal, der Türkei und dem Maghreb sowie aus diversen französischen Provinzen in das Elsass. Während 1946 ganze 91 Prozent der Bevölkerung angaben, Elsässisch zu sprechen, waren es 1997 nur noch 63 Prozent und 2012 sogar nur noch 43 Prozent.
Ab dem Ende der 1970er-Jahre erstarkte jedoch auch die elsässische Autonomiebewegung. Sie fordert vor allem den Erhalt der Zweisprachigkeit im Elsass. Gleichwohl setzt sich die Bewegung nicht für einen Anschluss an Deutschland ein. Doch es gibt auch Elsässer, die sich nach wie vor mit Deutschland identifizieren. Ein Beispiel hierfür war die Organisation Schwarze Wölfe. Die militante deutsch-nationalistische Gruppe hatte in den späten 1970er und frühen 1980er-Jahren mit Anschlägen auf sich aufmerksam gemacht. Die bedeutendste Aktion war dabei ein Anschlag auf das Turenne-Denkmal in Türkheim. Das Denkmal verherrlicht den Sieg französischer Truppen in der Schlacht bei Türkheim 1675 gegen ein Heer des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Zahlreiche Aktivisten der Schwarzen Wölfe wurden verhaftet. Gleichzeitig agierte jedoch weiterhin ein legaler Arm, der Rat der Frankreich-Deutschen, fort. Dieser brachte unter anderem die Zeitschrift „Elsaß den Elsässern – Kampfblatt für Muttersprache und Heimatrecht“ heraus. In den 1990er-Jahren wurden weiterhin Propagandaaktionen durchgeführt und noch heute scheint es deutsch-nationale Aktivisten zu geben. So wurde auf einem jüdischen Friedhof in Quatzenheim der Schriftzug „ElSASSICHES SCHWARZEN WOlFE“ hinterlassen.
Bis zum westfälischen Frieden (1648) war der Elsaß als habsburgische Besitzung Bestandteil das deutschen Reiches. Er wurde dann essentiell an die Franzosen verschachtert, damit die regierende Linie ihre Schulden bezahlen konnte.