Weg vom Westen – die BRICS-Staaten auf Expansionskurs

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Der Krieg in der Ukraine machte mit brutaler Deutlichkeit bewußt, dass auch im 21. Jahrhundert mit anderen Mitteln durchgesetzt wird, was die Politik auf diplomatischem Wege nicht vermag. Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen – Bismarcks Diktum gilt unverändert fort. Die unangefochtene Vormachtstellung des sogenannten Westens ist dabei weniger alternativlos, als es die stromlinienförmigen Medien hierzulande glauben machen wollen.

So endete die jüngste Lateinamerika-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz mit klaren Ansagen: Brasilien als stärkste Macht des lateinamerikanischen Kontinents lehnt jede Parteinahme im Ukrainekonflikt ab und setzt stattdessen auf Friedensverhandlungen zwischen den Kriegsparteien. Auch Munitionslieferungen für den in der Ukraine eingesetzten Flugabwehrpanzer „Gepard“ hat der sonst von linksliberalen westlichen Medien so gefeierte brasilianische Präsident „Lula“ eine deutliche Absage erteilt.

 

Ein neuer geopolitischer Spieler?

Die Abfuhr für den Kanzler kommt nicht von ungefähr. Brasilien gehört zusammen mit Russland, Indien, China und Südafrika zu den sogenannten BRICS-Staaten. Und die sind in erster Linie bestrebt, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, auch und gerade gegen westliche Bevormundung.

Die derzeit fünf BRICS-Staaten umfassen mit über drei Milliarden Menschen etwa 40 % der Weltbevölkerung und erwirtschaften fast ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Neben jährlichen Gipfeltreffen wird die wirtschaftliche Zusammenarbeit auch konkret vorangetrieben. Bereits 2014 haben sich die Staaten auf die Gründung eigener Finanzinstitutionen geeinigt. Die New Development Bank (NDB) und ein Währungsfonds sollen ein Gegengewicht zur US-dominierten Weltbank und dem Internationalem Währungsfonds bilden. Eigenständig finanziert werden sollen vor allem Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte in den Bereichen Energie, Kommunikation, Gesundheit, Sicherheit, Transport und Wasserversorgung.

Das Konzept ist offensichtlich attraktiv. Immer mehr aufstrebende Schwellenländer wollen der Staatengruppe beitreten. Nach Argentinien und dem Iran hat auch Algerien als erstes arabisches Land einen offiziellen Antrag auf Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft gestellt. Auf dem BRICS-Gipfel des vergangenen Jahres hatte der algerische Präsident erklärt: „Unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit haben uns gezeigt, dass das Ungleichgewicht auf der internationalen Bühne und die Marginalisierung der Schwellenländer in den internationalen Gremien Quellen der Instabilität, des Mangels an Gleichheit und der fehlenden Entwicklung sind.“

 

In der Theorie mächtig, in der Praxis noch nicht

Westliche Arroganz gegenüber den BRICS-Staaten und solchen, die es werden wollen, ist unangebracht. Algerien ist der flächenmäßig größte Staat Afrikas und der zehntgrößte Staat der Welt. Darüber hinaus verfügt das Land über große Erdöl- und Erdgasvorkommen. Auch das Königreich Saudi-Arabien hat im Oktober ein weiteres Mal Interesse an einer Mitgliedschaft in der BRICS-Vereinigung bekundet. Saudi-Arabien ist eine der regionalen Großmächte des Nahen Ostens und der größte Erdölexporteur der Welt. Gemeinsam mit Russland könnte BRICS das weltweite Angebot der beiden derzeit wichtigsten Rohstoffe entscheidend dominieren.

Neben den wirtschaftlichen Vorteilen ist es vor allem der Gegenentwurf zu Organisationen wie der NATO, den G-7-Staaten, dem World Economic Forum, den USA und ihren mehr oder weniger freiwilligen Verbündeten, die das Interesse von neuen Beitrittskandidaten hervorrufen. Zur Erinnerung: Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung leben in Staaten, die die westlichen Sanktionen gegen Rußland nicht mittragen.

Ob das dauerhaft für die Etablierung eines mächtigen Gegenpols zur bestehenden US-Dominanz ausreichen wird, ist allerdings völlig offen. Schon ein Blick auf die Weltkarte zeigt, dass die BRICS-Staaten über keinerlei gemeinsame ethnische oder kulturelle Basis verfügen. Auch die wirtschaftliche Macht ist bislang eher theoretischer Natur.

So existiert weder ein gemeinsamer Binnenmarkt nach dem Vorbild der EU, noch gibt es eigene Freihandelsabkommen. Ein Beitritt zu BRICS führt daher bislang weder zum Abbau von Zöllen im Warenverkehr, noch zu einer strukturellen Stärkung des bilateralen Handels.
Erst recht besteht keine einheitliche außenpolitische Linie – wirtschaftlich, politisch und militärisch orientieren sich die BRICS-Staaten im Gegenteil nach wie vor an ihren durchaus verschiedenen nationalen Interessen.

Eine multipolare Weltordnung ist insofern nach wie vor Zukunftsmusik. Die außenpolitisch machtlose EU lässt weiterhin jeden Versuch vermissen, die raumfremde US-Macht auf ihren Platz zu verweisen. Der russische Bär hat durch seinen Angriffskrieg nach 1914 und 1941 erneut gezeigt, dass es gefährlich ist, ihm zu vertrauen. Und ob China die kommende Weltmacht ist, oder aber nur ein Riese auf tönernen Füßen, ist ebenfalls völlig offen.
Bis auf weiteres werden also auch die BRICS-Staaten am weltpolitischen status quo nicht rütteln (können). Nur eins ist sicher: Das vielzitierte „Ende der Geschichte“ rückt in immer weitere Ferne.

1 Kommentar

  • Also für Deutsche ist Brasilien definitiv kein Land der Zukunft.
    Nach Kriegsende nach Brasilien ausgewanderte Deutsche wollen vermehrt zurück nach Deutschland kommen, weil sie dort keinerlei Perspektive für die Zukunft haben, dass trotz der derzeit desolaten Zustände in Deutschland, was ich für sehr aussagekräftig halte.

    Marcel 16.02.2023
  • Wie mal jemand sehr treffend bemerkt hat: Brasilien ist das Land der Zukunft. Schon immer.

    RW 15.02.2023
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