„Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare!“ Das berühmt-berüchtigte Sprichwort rekurriert auf eine Praxis, die insbesondere für die deutsche Verwaltung als symptomatisch angesehen wird und an der auch die bislang eher schleppend verlaufende digitale Transformation kaum etwas geändert hat. Bürger und Unternehmen ersticken am deutschen Bürokratie-Wahnsinn. Immer neue Verordnungen, Vorschriften und Auflagen, die zu beachten sind, belasten Privatpersonen und Firmen. Ein dem Schweizer Chemie-Nobelpreisträger Richard R. Ernst zugeschriebener Ausspruch verdeutlicht das Ausmaß des deutschen Amtsschimmels, der auch im internationalen Vergleich als nahezu einmalig anzusehen ist: „Wenn es einen Nobelpreis für Bürokratie gäbe, würde er oft nach Deutschland gehen.“ Sofern Deutschland heute noch „Spitzenleistungen“ vollbringt, dann ist es im Bereich der Bürokratie.
Dieser deutsche Bürokratie-Wahn wird noch verschärft durch den überbordenden Bürokratismus, der im Rahmen von EU-Richtlinien in Deutschland zu implementieren ist. Brüssel sorgt mit seiner Regulierungswut dafür, dass die ohnehin pedantische deutsche Verwaltungspraxis weiter verkompliziert wird. Die Gesetzgebungsmaschinerie der EU produziert Unmengen an realitätsfremden und praxisuntauglichen Neuregelungen, die zu einem Vorschriftendschungel führen, der sich immer häufiger als Wachstumsbremse für die deutsche Wirtschaft und unseren gesellschaftlichen Wohlstand erweist.
Wenig Vorzeigbares in puncto Bürokratieabbau
Das Problem der unzumutbaren Überbürokratisierung ist seit langem bekannt, weshalb sich Bund und Länder grundsätzlich zum Abbau bürokratischer Hürden verpflichtet haben. Verwaltungsabläufe sollen modernisiert und vereinfacht werden, dem Bürokratiemonster wurde der Kampf angesagt. Doch viel mehr als Lippenbekenntnisse sind in diesem Bereich bislang nicht zu konstatieren. An entsprechenden Plänen und Vorhaben mangelt es nicht, sehr wohl aber an deren zügiger Umsetzung. Von einer spürbaren Entlastung der Bürger, der Unternehmen sowie der Verwaltung kann jedenfalls keine Rede sein.
So gibt es auch seitens der baden-württembergischen Landesregierung hochtrabende Pläne für den Abbau des bürokratischen Aufwandes, die bisher jedoch kaum zu nennenswerten Erfolgen geführt haben. Im Gegenteil, jüngst machte eine neue EU-Richtlinie von sich reden, die auch von Baden-Württemberg umgesetzt werden muss und als wahres Possenstück die Problematik von EU-Bürokratie im Verein mit deutschem Verwaltungswahnwitz deutlich aufzeigt.
Der neueste Schildbürgerstreich
Ab dem Jahr 2025 gilt eine Umsatzsteuerpflicht für bestimmte Einnahmen, die unter anderem im Rahmen von Schul- oder Kindergartenfesten erzielt werden. Baden-Württemberg setzt mit den neuen Regelungen entsprechende europarechtliche Vorschriften um, die bereits von 2023 an gelten sollten, deren Übergangsfrist jedoch bis Anfang 2025 verlängert wurde. Die als „Kuchensteuer“ bezeichnete Abgabe führte in den vergangenen Monaten zu einem gewissen Aufruhr in der Bevölkerung, die über diesen neuesten Schildbürgerstreich verwundert den Kopf schüttelten.
Sogenannte Körperschaften des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Kommunen müssen zukünftig Umsatzsteuern entrichten. Umsatzsteuerpflichtig sind somit auch Schulen und Kindergärten in öffentlicher Trägerschaft. Gelten soll dies vor allem für bestimmte Leistungen, die auch von Privatunternehmen erbracht werden könnten. Nach den Vorstellungen eingefleischter Eurokraten soll auf diese Weise eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten privater Unternehmen verhindert werden.
Eurokraten sehen Wettbewerbsverzerrung durch schulischen Kuchenverkauf
Betroffen von diesem Glanzstück eurokratischer Narretei ist somit grundsätzlich auch der allseits beliebte Kuchenverkauf, mit dem die Klassenkasse aufgebessert wird. Zur Finanzierung von Ausflügen, Klassenfahrten, der Gestaltung des Klassenraumes usw. ist es seit langem Brauch, dass Schüler oder deren Eltern Kuchen backen und diesen auf dem Schulhof oder bei speziellen Schulveranstaltungen zum Kauf anbieten. Folgt man den Argumenten der EU-Bonzen, entsteht hierdurch prinzipiell eine Konkurrenzsituation zum Bäcker von nebenan, der durch seine Umsatzsteuerpflicht gegenüber dem bislang umsatzsteuerfreien schulischen Kuchenverkauf benachteiligt wird. Schulen und Kitas können den Kuchen billiger anbieten als die Bäckerei.
Inwiefern ein gelegentlicher Kuchenverkauf durch Schulen und Kindergärten wirklich relevante Auswirkungen auf den Umsatz einer Bäckerei in deren Nachbarschaft hat, wissen wohl nur die EU-Funktionäre selbst. Die abstruse Idee, Bäckereien vor unliebsamer Konkurrenz durch Schulen und Kitas schützen zu müssen, entbehrt jedenfalls jeglichen gesunden Menschenverstandes. Eine Bäckerei, dessen Existenz durch den Kuchenverkauf von Schulen oder Kitas bedroht wird, ist ein Hirngespinst, das jede reale Grundlage vermissen lässt. Eine solche im Grunde unvorstellbare Bäckerei dürfte ganz andere Probleme haben, als den schulischen Verkauf von süßem Gebäck.
Komplizierte Abklärungen notwendig
Ausschlaggebend für eine solche Umsatzsteuerpflicht ist zukünftig, wem der Kuchenverkauf konkret zugerechnet werden kann. Zu klären ist, ob bei einem Kuchenverkauf die Schule oder die Kindertagesstätte selbst als Verkäufer auftritt. Man ahnt bereits, welche bürokratischen Aufwand es nach sich ziehen dürfte, im Einzelfall zu bestimmen, ob nun eine Umsatzsteuerpflicht gegeben ist oder nicht. Um Schulen hier eine Hilfestellung zu geben, informierte die baden-württembergische Landesregierung kürzlich alle 4500 öffentlichen Schulen des Bundeslandes in einem elfseitigen Schreiben über die künftig geltenden Regelungen. Das Schreiben beinhaltet zahlreiche Fallbeispiele, die helfen sollen, eine etwaige Umsatzsteuerpflicht für bestimmte erbrachte Leistungen, mit denen Einnahmen generiert werden, besser erkennbar zu machen. Die öffentliche Kontroverse entzündete sich zwar insbesondere im Hinblick auf einen gegebenenfalls umsatzsteuerpflichtigen Verkauf von Kuchen, betroffen von der Neuregelung sind jedoch zahlreiche weitere Tätigkeiten von Schulen und Kindergärten, bei denen diese quasi marktwirtschaftlich handeln und hierbei vermeintlich mit Privatunternehmen konkurrieren.
Administratives Wirrwarr
Einige Beispiele mögen das verwaltungstechnische Wirrwarr verdeutlichen, das die Neuregelung nach sich ziehen dürfte: Verkaufen Schüler oder Eltern selbstorganisiert Kuchen, fällt auch in Zukunft keine Umsatzsteuer an. Sofern die Schule als Teil des Staates jedoch als Verkäufer fungiert, ist eine Umsatzsteuerpflicht gegeben. Schülervertretungen und Elternbeiräte gelten als sogenannte unselbstständige Teile der Einrichtung Schule, weshalb deren Kuchenverkäufe in die Zuständigkeit der Schule fallen und somit Umsatzsteuern entrichtet werden müssten. Zu empfehlen ist auf der Grundlage des Schreibens der Landesregierung also der Kuchenverkauf durch eine Schulklasse, die beispielsweise mittels Plakaten am Schuleingang für diesen Kuchenverkauf wirbt. Die Plakate wären ein deutliches Indiz dafür, dass die Schulklasse den Verkauf selbstständig organisiert hat. Umsatzsteuerrechtlich wäre dieser Kuchenverkauf somit der Schulklasse zuzurechnen und würde in keine steuerrechtlichen Verpflichtungen für die Schule resultieren.
Ganz anders sind dagegen Situationen zu beurteilen, in denen Konzerte oder Theateraufführungen beispielsweise durch entsprechende schulische Arbeitsgemeinschaften organisiert werden. Wird eine derartige Veranstaltung von einer Klasse, einem Schulchor oder einer Theater-AG durchgeführt, sind die hierbei erzielten Einnahmen der Schule zuzurechnen, wodurch sich eine Umsatzsteuerpflicht ergibt.
Freuen darf sich das Lehrpersonal, dessen Kaffeekasse im Lehrerzimmer nicht von der Neuregelung betroffen sein wird. Laut dem Schreiben der baden-württembergischen Landesregierung werden mit Geldern der Kaffeekasse regelmäßig Kaffeepulver und Kaffeefilter durch eine Lehrkraft eingekauft. Die hierfür gesammelten Gelder sind nicht der Schule selbst, sondern der Lehrergemeinschaft bzw. der „kaffeetrinkenden Personengemeinschaft“ zuzurechnen. Doch die Tücke steckt im Detail: Wird die Kaffeekasse nicht selbstständig von den Lehrern, sondern von der Schule oder dem Personalrat organisiert, müssen Steuern abgeführt werden.
Kuchenverkauf nur ein Teil des „Problems“
Mit dem elfseitigen Gutachten zum Kuchenverkauf wurden durch das Land Baden-Württemberg jedoch längst nicht alle Fragen geklärt, die im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie auftreten dürften. Nicht nur Schulen und Kindertagesstätten sind von der Neuregelung betroffen. Letztlich sind unzählige Handlungen, die staatliche Stellen von Land, Ministerien und Kommunen zuzurechnen sind, auf den Prüfstand zu stellen. Grundsätzlich ist zu klären, in welchen Fällen es sich um hoheitliche Aufgaben und in welchen Fällen es sich um Aufgaben handelt, die auch von Privaten übernommen werden könnten.
Wird etwa die kommunale Feuerwehr damit beauftragt, einen umgestürzten Baum oder eine Ölspur von der Fahrbahn zu entfernen, könnte diese Aufgabe grundsätzlich auch von einem Privatunternehmen ausgeführt werden. Um eine Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil eines Privatunternehmers auszuschließen, müsste die Kommune für diese Tätigkeit ihrer Feuerwehr Umsatzsteuer zahlen.
Gleichfalls problematisch ist zukünftig auch die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Kommunen. Räumt eine Kommune etwa in der Nachbargemeinde den Schnee, könnte diese Aufgabe auch ein privater Unternehmer ausführen, welcher der Gemeinde diese Leistung in Rechnung stellen könnte. Auch in diesem Falle tritt die Kommune, welche die Schneeräumung vornimmt, in Konkurrenz zu einem Privatanbieter. Anders liegt der Fall dagegen bei standesamtlichen Trauungen oder der Ausstellung von Ausweispapieren. Hierbei handelt es sich um hoheitliche Aufgaben, die nicht von Privaten übernommen werden können.
Raus aus der EU
Die hanebüchenen Konsequenzen der EU-Richtlinie und die Reaktion Baden-Württembergs auf diesen Dummfug zeigen einmal mehr auf, wie entbehrlich ein Großteil der EU-Bürokratie tatsächlich ist. Die Frage, warum Deutschland Milliarden für diesen Zirkus zu Verfügung stellt, ist mehr als berechtigt. Statt Unsummen für schwachsinnige Maßnahmen zu verschleudern, die den vertrockneten Hirnen von realitätsfremden EU-Bürokraten entspringen, könnten diese Gelder für sinnvolle Aufgaben im Inland verwendet werden. Die Partei „Der III. Weg“ steht für einen Rückzug Deutschlands aus der Europäischen Union. Deutschland darf nicht mehr länger die Melkkuh der EU sein, die mit deutschen Geldern Maßnahmen finanziert, die nicht im Interesse unserer deutschen Heimat sind.
„elfseitigen Schreiben“
allein was das an Papier-, Drucker- und Portokosten verursacht. Von der Umwelt ganz zu schweigen. Gespart werden kann dann ja bei der notwendigen Sanierung von Schulen und Kitas.