Wenn das Jugendschutzgesetz Kinder vor Prostitution schützen will, zugleich aber Politiker Kindern die Prostitution nahe bringen wollen, dann haben wir eine Pattsituation, wie sie den mentalen Zuständen unserer Zeit gerecht ist.
Zehn Jahre lang fand sich auf der Netzseite der Stadt Berlin die Schrift – oder vielmehr das Geheft – „Rosi sucht Geld“ zur Handreichung an Eltern und Pädagogen bereit. Gefördert wurde es gar durch die Europäische Union und das Bundesverkehrsministerium. Offensichtlich fühlte man sich durch den im Geheft dargestellten Verkehr angesprochen, wenn dieser auch dem Straßenverkehr wesensfremd erscheint. Das Geheft ist eine derbe, wenn auch unfreiwillige Zurschaustellung des verrotteten Kerns der liberalkapitalistischen Gesellschaft mit multikulturellem Anstrich. In dem Machwerk, welches sich an 6- bis 12-Jährige richten soll, erkunden die Schulkinder Mayram, deren Eltern natürlich aus Syrien stammen, und Martin, der überraschenderweise deutscher Abstammung ist, den örtlichen Straßenstrich und tummeln sich zwischen halbnackten Prostituierten und verschleierten Mohammedanerinnen, um herauszufinden, weshalb die halbnackten Damen halbnackt sind.
Ihr Hoffnungsschimmer ist die Prostituierte Rosi, denn „da gibt es immer viel zu sehen“, wie es im Text heißt. Und in dem Geheft gibt es für das kindliche Auge wahrlich einiges zu sehen. Seite für Seite wechseln sich Zeichnungen und gemalte Bilder von Prostituierten ab. Da sieht man halbnackte Frauen, deren Kleidung so durchsichtig ist, daß man ihre Geschlechtsteile und die Schambehaarung darunter sieht, hier und da tauchen ein paar Strapsen auf, und letztlich gipfelt alles in einer sehr deutlichen Darstellung des Geschlechtsakts, auf der ein Mann einer Frau den erigierten Penis einführt.
Doch dies ist gut so, denn Rosi kann den Kindern beruhigt mit auf den Weg geben: „Was soll ich euch sagen? Meistens ist es doch so: Die Männer wollen ihren Penis in meine Vagina stecken. Ein paar Mal rein und ein paar Mal raus – und fertig. Mehr ist da gar nicht dran.“ Das Geheft endet mit dem Verschwinden von Rosi. Wie die Kinder erfahren dürfen, ist sie zurück zu ihren Kindern nach Bulgarien. Denn sie war ja nur auf dem Straßenstrich, um ihre Familie zu ernähren. Und alle haben sie geweint, als sie gegangen ist, da sie so eine Herzensgute war, und haben sie zum Abschied umarmt. Die moderne Apotheose einer Bordsteinschwalbe im 21. Jahrhundert, freihaus geliefert vom Bezirksamt Berlin Mitte.
Nötig war das Geheft angeblich, da mehrere Einwohner Berlins das Amt um Rat gefragt haben, wie sie ihren Kindern die Prostitution in der Stadt, mit der sie tagtäglich konfrontiert werden, erklären sollen. Mittlerweile wurde das Geheft aus dem Programm genommen. Dies geschah, nachdem nach jahrelangem Nichtbemerken das Schmutzheft an die Öffentlichkeit geraten und entsprechendes Entsetzen hervorgerufen hat. Das Bezirksamt Mitte gab zur Erklärung, daß das Geheft nicht die erwarteten Ergebnisse geliefert hatte und es nur wenig genutzt worden war. Möglicherweise hätte das Vorhaben eher Früchte getragen, wenn das Amt die Prostitution bekämpft, anstatt den Kindern gegenüber verherrlicht hätte.
Der lateinische Ursprung des Wortes Prostitution kommt von prostituere, was soviel heißt wie „sich preisgeben“. Es ist fraglich, inwieweit ein politisches System unsere Kinder vor dem „sich preisgeben“ schützen soll, welches eben jenes fordert, um die fettesten Pfründe zu ergattern. Nicht sich preisgeben, sondern sich behaupten. Das ist es, was unseren Kindern gelehrt werden muss. Sich selbst behaupten und für größeres als sich selbst einstehen. Dies kann auch bedeuten, Opfer zu bringen. Doch den eigenen Körper zu verkaufen und zum Vergnügen anderer missbrauchen zu lassen ist keine Emanzipation, keine Selbstfindung und keine persönliche Erbauung. Es ist schlicht Verrat an sich selbst. Und noch größer ist der Verrat, den jene begehen, die anderen dies schmackhaft machen wollen.