Nach Niederlage und Kapitulation des Deutschen Reiches zeichnete sich rasch ab, dass die Alliierten wenig mehr einte, als ihr Hass auf die Deutschen. Ideologische und weltanschauliche Differenzen insbesondere zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion ließen gemeinsame Lösungen für eine deutsche Nachkriegsordnung in weite Ferne rücken. Der beginnende Kalte Krieg verunmöglichte eine vermeintlich „gesamtdeutsche“ Lösung“, die ohnehin ausschließlich das Gebiet der vier Besatzungszonen unter Ausschluss Deutschösterreichs und der annektierten Teile des deutschen Territoriums umfasst hätte.
Die Londoner Empfehlungen als Weichenstellung für ein geteiltes Deutschland
Über eine politische Neuordnung der drei westlichen Besatzungszonen unter Ausschluss der Sowjetzone wurde von den Westalliierten erstmals auf der sogenannten Sechsmächtekonferenz, die von Februar bis Juni 1948 in London tagte, offiziell beraten. Während die Sowjets am 13. Februar gegen die Durchführung der Konferenz mit einer diplomatischen Note protestierten, nahmen neben den Westalliierten auch die Niederlande, Belgien und Luxemburg als unmittelbare Nachbarn Deutschlands an der Sechsmächtekonferenz teil.
Im Rahmen der Konferenz zeigte sich, dass bei den drei westlichen Besatzungsmächten keineswegs einheitliche Vorstellungen über die konkreten Modalitäten einer deutschen Nachkriegsordnung bestanden, sondern zum Teil erhebliche Differenzen ein gemeinsames Vorgehen erschwerten. Die Amerikaner präferierten die Schaffung eines föderalistisch verfassten deutschen Staates, der lediglich die sogenannte Trizone ohne die Sowjetische Besatzungszone umfassen sollte. Dagegen spielte es für die Engländer keine wesentliche Rolle, ob ein zukünftiges Deutschland zentral- oder bundesstaatlich aufgebaut sein würde. Die Präferenzen Londons zielten vielmehr darauf ab, eine rasche und problemlose Vereinigung der Trizone mit der sowjetisch besetzten Zone herbeizuführen.
Den Franzosen schließlich war vor allem an einer weitgehenden Schwächung eines zukünftigen deutschen Staates gelegen, weshalb diese eine zunächst möglichst lange Besatzungszeit ohne Gründung eines deutschen Staates und die Inklusion des Saarlandes in den französischen Staatsverband präferierten. Da sich Paris im Rahmen der Konferenz nicht mit der von den Franzosen bevorzugten Politik der harten Hand durchzusetzen vermochte, nahm man zähneknirschend eine baldige Staatsgründung in Kauf, beharrte aber auf einem föderalen Staatsaufbau, der wirtschaftlichen Abtrennung des Saargebietes und einer internationalen Kontrolle der deutschen Montanindustrie. Wenig überraschend ratifizierte die französische Nationalversammlung die in London gefassten Beschlüsse unter massivem Druck von Amerikanern und Engländern nur mit knapper Mehrheit.
Das Schlusskommuniqué der Sechsmächtekonferenz forderte die in den westlichen Besatzungszonen ansässigen Deutschen auf, einen Bundesstaat zu errichten. Die auch als Londoner Empfehlungen bekannt gewordenen Beschlüsse der Sechsmächtekonferenz hielten ausdrücklich fest, dass der zu gründende föderale westdeutsche Staat nicht als Hindernis für eine spätere Einigung mit den Sowjets über die deutsche Frage zu verstehen sei. Dennoch sind die Londoner Empfehlungen als klare Weichenstellung in Richtung auf einen westdeutschen Teilstaat zu verstehen.
Die Londoner Beschlüsse sind einzigartig in der Geschichte. Ein Volk, dessen Staatsgebiet von einer ausländischen Macht besetzt ist, hat in der Regel einen langwierigen Kampf um politische Mitspracherechte und Eigenstaatlichkeit zu führen, die mühsam errungen werden müssen. Doch im Falle der Londoner Sechsmächtekonferenz erging an das deutsche Volk die im Befehlston gehaltene Aufforderung, gefälligst einen deutschen (Teil-)Staat zu gründen. Eine Aufforderung, die auf wenig Gegenliebe bei der deutschen Bevölkerung stieß, da man hierin ein Präjudiz für eine deutsche Spaltung erkannte.
Die Frankfurter Dokumente: Vollmacht oder Diktat der Westalliierten?
Die mehrheitlich negativen Reaktionen auf die Londoner Empfehlungen seitens der Deutschen veranlassten die Westalliierten, die sogenannten Frankfurter Dokumente, Instruktionen der westlichen Militärgouverneure auf Basis der Londoner Empfehlungen, die den Ministerpräsidenten der deutschen Länder in den Westzonen am 1. Juli 1948 übergeben wurden, in einem deutlich moderateren Ton abzufassen. Bei den Frankfurter Dokumenten handelte es sich um insgesamt drei Vollmachten, die den Ministerpräsidenten der Westzonen erteilt wurden und den Auftrag zur Gründung eines westdeutschen Staats umfassten.
Doch einmal abgesehen davon, dass derartige Vollmachten vom deutschen Volk gar nicht verlangt worden waren, da man solche als Verrat an einem ungeteilten Deutschland angesehen hätte, täuscht die Bezeichnung „Vollmachten“ darüber hinweg, dass die Frankfurter Dokumente den Deutschen nur wenig Spielraum ließen, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Die Westalliierten waren nach wie vor nicht gewillt, den Deutschen freie Hand bei der Ausgestaltung eines künftigen Deutschlands zu lassen.
In Dokument Nr. I wurden die Ministerpräsidenten der Westzonen aufgefordert, bis zum 1. September 1948 eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Im Hinblick auf die zu entwerfende Verfassung enthielt das Dokument zahlreiche Bestimmungen, die deutlich aufzeigten, dass eine zukünftige Verfassung nur eine solche von Gnaden der Besatzungsmächte sein würde. Ein föderaler Staatsaufbau wurde ebenso vorgeschrieben wie eine Verfassung auf der Basis sogenannter „demokratischer Grundsätze“ im Sinne der Lesart der alliierten Siegermächte. Die zu entwickelnde Verfassung wurde einem Genehmigungsvorbehalt seitens der alliierten Militärgouverneure unterworfen, deren Plazet entscheidend für das weitere Schicksal eines vorzulegenden Verfassungsentwurfes sein sollte.
Das Dokument Nr. II forderte die westzonalen Ministerpräsidenten auf, die Grenzen der Bundesländer zu überprüfen und gegebenenfalls Vorschläge für deren Änderung vorzulegen. Schließlich beinhaltete Dokument Nr. III verschiedene Punkte, deren Regelung weiterhin den alliierten Militärgouverneuren vorbehalten bleiben und in ein künftiges Besatzungsstatut einfliessen sollten. Die Frankfurter Dokumente fungierten als Arbeitsgrundlage für nachfolgende Konferenzen, die mit Vorarbeiten für die deutsche Verfassung befasst waren.
Fortsetzung folgt..