Auf das „Einpumpen bloßen Wissens“ kommt es in der Erziehung nicht an. So steht es in Hitlers „Mein Kampf“. Wichtiger als Wissen sei die Entwicklung des Charakters, fährt der Verfasser fort, besonders die „Förderung des Willens und der Entschlußkraft“. Solche Auffassungen galten lange als schädlich und falsch. Schule und Universität dienten seit den 1960er Jahren nur noch der Vermittlung von immer mehr Faktenwissen. Jeder Versuch zur Erziehung und Charakterbildung setzte sich dem Vorwurf der Unterdrückung und Freiheitsberaubung aus.
Jetzt dämmert es unseren Pädagogen langsam, daß noch so viel Information nichts nützt ohne den entsprechenden Arbeitswillen. Von Konzentration und Durchhaltevermögen spricht man wieder. Der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger James Heckman erforscht dieses Gebiet. Er sagt, daß für ein glückliches, erfolgreiches Leben nicht nur Intelligenz und Wissen wichtig sind, sondern die Fähigkeit, auch nach Niederlagen weiterzumachen. Und daran fehlt es. Stattdessen wird ständig nach Belohnungen gesucht, wie sie im Internet so wohlfeil zu haben sind. Psychologen entwickeln nun Trainingsmethoden, um sich wenigstens zeitweise vom Netz abkoppeln und auf die eigenen Pflichten besinnen zu lernen.
Unter der Überschrift „Dranbleiben, bitte!“ berichtet das Magazin „Spiegel“ Anfang März über dasselbe Thema. Als Meister in der Kunst der Konzentration wird ein Herzchirurg vorgestellt. Woher hat er seine Fähigkeit? Der 58-jährige Franzose hat kein spezielles Training absolviert. Dafür mußte er viele Stunden am Tag auf dem Bauernhof seiner Eltern helfen. Außerdem hat er im Verein Fußball gespielt. „Wirklich gut sind nur diejenigen, die extrem viel geübt haben“, erklärt er.
Eigentlich logisch. Doch wie lange hat man eine „Dressur“, wie sie auch beim Militär vorkommt, für Schüler und Studenten empört abgelehnt. Seit etwa fünf Jahren, erklärt Prof. Thomas Metzinger von der Uni Mainz, könnten ihm die Studenten nicht mehr länger als 20 Minuten am Stück folgen. Dann müsse er „für Bespaßung sorgen“. Kommunikation und Information sind die beiden Fetische der sogenannten modernen Erziehung. Es sieht so aus, als müßten sie wieder durch die Worte Charakter und Disziplin ersetzt werden.
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