Auf Rügen nahe dem herrschaftlichen Ostsee-Bad Binz liegt Prora. Die riesige Anlage direkt am Meer wurde als KdF-Urlaubsort für mehrere tausend Menschen geplant, wie es heißt nach einer Idee Adolf Hitlers persönlich. Er wollte fünf solcher Feriendörfer vom Timmendorfer Strand bis Ostpreußen errichten lassen. Der Krieg unterbrach jedoch die Bauarbeiten, und nach 1945 verwandelte sich Prora in eine eher düstere Ruine.
Auch nach Ende der DDR erkannte zunächst niemand das ungeheure Potential der zu großen Teilen immerhin fertigen Anlage. Politiker sprachen von einem „Gebirge aus NS-Größenwahn und rissigem Beton“, und auch die Investoren ließen auf sich warten. Die Presse war sich einig: „Das klappt nicht.“ Landrat Rainer Feit sowie der Bürgermeister von Binz Karsten Schneider bekämpften das Projekt wegen seines „Gigantismus“. Außerdem sollen – natürlich – KZ-Häftlinge an den Steinen geklopft haben.
Nun meldet der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe, daß sich das Blatt vollkommen gewendet hat. Eine Reihe von Investoren hat die Ferienwohnungen saniert und die meisten davon bereits verkauft. Und zwar nicht billig: in den letzten zehn Jahren haben sich die Preise mehr als verdoppelt und steigen immer noch an. Inzwischen sind auch einige der „Gemeinschaftsräume“, die von den Erbauern entsprechend großzügig angelegt wurden, „nach modernen Gesichtspunkten“ umgebaut und nutzbar gemacht worden. Erste Feriengäste sitzen dort schon in Badehose, während in anderen Teilen die Bauarbeiten unter Hochdruck weitergehen.
Man muß allmählich zugeben, daß eine Feriensiedlung genau an diesem Platz – „die beste Lage in Europa“ erklärt der „Spiegel“ – eine geniale Idee war. Und daß die Dimensionen für den modernen Massentourismus keineswegs „größenwahnsinnig“ sind. Bald wird es schwer sein, dort im Sommer überhaupt noch unterzukommen. Und – was der „Spiegel“ unterschlägt – der trotz Umbauten noch stark durchscheinende NS-Stil macht Prora zu etwas Einzigartigem. Nicht nur Meer und Wind, sondern auch „Kult“. Und jede Menge Vorteile für Wirtschaft und Politik. „Ich bin vom Saulus zum Paulus geworden“, sagt Landrat Feit. Die Bekehrung fällt leicht, wenn sie mit Profit verbunden ist. Die geknechteten KZler sind plötzlich nicht mehr so wichtig.
Bei Prora handelt es sich um das größte Architekturdenkmal der NS-Zeit. Albert Speer hat bekanntlich wert darauf gelegt, daß seine Bauten auch in tausend Jahren als Ruinen noch eindrucksvoll wirken. „Ruinenwert-Theorie“ nannte er das halb spaßhaft. Daß eine NS-Ruine jedoch einen derartigen Gebrauchs- und Genußwert haben würde, hat sich damals wohl niemand träumen lassen.