Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess will nach über 250 Verhandlungstagen eine umfangreiche Erklärung abgeben. Zschäpes neuer, vierter Rechtsanwalt Mathias Grasel werde für seine Mandantin am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München eine Erklärung verlesen, verkündete dieser gegenüber Nachrichtenagentur AFP. Grasel wollte aber keine Angaben zum Inhalt der Erklärung machen und ob Zschäpe im Anschluss an die von ihm verlesene Erklärung auch zu Antworten auf Nachfragen bereit sei. Bisher handelt es sich in dem Verfahren um einen reinen Indizienprozess, umso bedeutsamer ist Zschäpes Aussage.
Was bezweckt Zschäpe mit dieser Kehrtwende?
Will die Hauptangeklagte Zschäpe etwa reinen Tisch machen und all ihr Wissen Preis geben? Was bedeutet das dann für die weiteren Angeklagten wie Ralf W. oder André E.?
Wird Zschäpe etwa eine Verstrickung des Verfassungsschutzes (VS) zum NSU bestätigen und womöglich einen Kontakt ihrer Person zum Verfassungsschutz oder einen anderen Geheimdienst einräumen? Dann dürften einige Personen jetzt sehr nervös werden.
Könnte Zschäpe mit einer Aussage das Verfahren zu Fall bringen? Schon in einem Brief Mitte Juni diesen Jahres erklärte Zschäpe gegenüber dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzel, daß im Falle einer Aussage ihre drei Alt-Verteidiger Sturm, Heer und Stahl ihr Mandat niederlegen würden. Sollte dies nun wirklich der Fall sein, könnte das Verfahren auf Grund der Einarbeitungszeit neuer Verteidiger ausgesetzt werden und ggf. neu aufgerollt werden müssen.
Möchte Zschäpe mit einer Aussage womöglich ihr Strafmaß mildern? Mit einem umfassenden und von Reue getragenen Geständnis könnte Zschäpe zwar einer drohenden lebenslangen Freiheitsstrafe nicht entgehen, aber der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und der damit verbundenen Sicherungsverwahrung vorbeugen. Dem Gericht sei es laut Spiegel Online schon seit Wochen bekannt, daß die 40-jährige Hauptangeklagte aussagen wolle. Würde hier ggf. ein Deal zwischen Gericht und Zschäpe ausgehandelt? Ein Freispruch wird es in diesem Verfahren für keinen der Angeklagten geben. Dafür ist der politische Druck viel zu hoch.
Video: Die Akte Zschäpe – Die letzten Rätsel des NSU
Als Zschäpe sich im November 2011 der Polizei in Jena stellte, hatte sie erklärt: "Ich habe mich nicht gestellt, um nicht auszusagen." Ihre Alt-Verteidiger Heer, Stahl und Sturm hielten das konsequente Schweigen für die beste Verteidigungsstrategie. Damit dürfte es am Mittwoch dann vorbei sein.
Immer wieder tauchten Personen im Umfeld des NSU auf, die direkte Verbindungen zum Verfassungsschutz aufwiesen oder direkt für den Verfassungsschutz arbeiteten. Auch das dubiose Ableben einiger „Zeugen“ im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundes und der Länder sowie das gezielte Vernichten von VS-Akten werfen ein ganz schlechtes Licht auf die Spitzelbehörden und den BRD-Apparat.
Beate Zschäpe ist zusammen mit fünf sogenannten Helfern des NSU angeklagt. Ihr wird Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und mehr als ein Dutzend Banküberfällen vorgeworfen. Ihre Freunde Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos sollen im November 2011 nach einer Polizeikontrolle im Zuge eines Banküberfalls Selbstmord begangen haben.