An Weihnachten ohne Schnee sind wir leider schon gewöhnt. Dieses Jahr soll es besonders mild und grau werden. Einer aufkommenden Unzufriedenheit bei Familien mit Kindern läßt sich vielleicht mit einem gemeinsamen Kinobesuch gegensteuern. Seit einigen Tagen läuft die Neuverfilmung des Romans „Heidi“ von der Schweizer Schriftstellerin Johanna Spyri. Schon mehr als zehn Mal haben Regisseure diesen Stoff genommen, ganz zu schweigen von der albernen Zeichentrick-Serie. Doch das spricht nur für die bleibende Kraft, die von dieser Geschichte ausgeht: Das Kind Heidi lebt glücklich beim Großvater auf der Alm. Dann wird sie gegen ihren Willen in die Stadt Frankfurt versetzt und macht schließlich ihre Freundin Klara durch die Begegnung mit der Natur wieder gesund.
„Eine Huldigung an die Heimat“, loben die Filmkritiker. Und der Schauspieler Bruno Ganz erklärt: „Heidi ist ein nationaler Mythos.“ Deshalb habe er sich entschlossen, die Rolle des kauzigen Großvaters zu übernehmen, denn Ganz ist von Geburt Schweizer. Den meisten wird er besser bekannt sein aus Bernd Eichingers Bunker-Film „Der Untergang“. Die Schweizer dürfen ohne bösen Verdacht heimattreu sein, und das ist sicher ein Grund für den anhaltenden Erfolg des Buches. Mit Verachtung äußerte allerdings Benito Mussolini: „Das kriegerische Italien schuf die Renaissance, aber die Schweiz mit ihrer Friedfertigkeit hat keine anderen Kulturleistungen hervorgebracht als die Schweizer Uhren und den Schweizer Käse.“ Und die Heidi, dürfen wir hinzusetzen.
Die Heilung der gelähmten Bankierstochter Klara wirkt heute sogar überzeugender als vor hundert Jahren. Denn heute weiß man mehr über Krankheiten, die durch falsche Lebensweise, durch Einsamkeit und Traurigkeit entstehen und durch neue Eindrücke verschwinden können. Das Buch „Heidi“ arbeitet immer wieder mit den einfachen, aber starken Eindrücken, die das Leben auf der Alm prägen. Da sind die rauschenden Tannen, die herrliche Wiese, die Ziegen, die darauf weiden, das Schlafen im Stroh, das herzhafte Brot, die Milch, der glänzende Käse. Das alles läßt sich wunderbar ins Bild setzen. Ein Weihnachtsfilm, in dem Christbaum und Geschenke nicht vorkommen, aber dafür wird die Ehrfurcht vor der Natur geweckt, ihren großen und kleinen Wundern.