Seit 2014 gärt der Krieg in der Ost-Ukraine. Getrieben von Großmachtinteressen Russlands und der USA/NATO schießen hier wieder Weiße auf Weiße. Der Krieg und der vorausgegangene Maidan, haben in der Ukraine aber auch zu einer Stärkung nationaler Gruppen geführt. Eine Entwicklung, die sicherlich auch von interessierten Kreisen zur Befeuerung des Konfliktes zumindest billigend in kauf genommen, wenn nicht gefördert wurde. Trotzdem ist die Stärkung der nationalen Kräfte und des nationalen Bewusstseins in der Ukraine Realität. Dennoch ist man, wie im Rest Europas, weit von einer Machtübernahme entfernt. Eine der bedeutendsten nationalen Gruppen in der Ukraine ist heute sicherlich „Azov“, das wir im Folgenden etwas beleuchten wollen.
Zentraler Bestandteil von „Azov“ ist das Regiment Azov. Dieses wurde am 5. Mai 2014 aus nationalen Freiwilligen als Bataillon gegründet. Es ist inzwischen ein anerkanntes Regiment der Nationalgarde der Ukraine und offiziell 1.000 Mann stark. Bestand es anfänglich nur aus schlecht ausgerüsteter leichter Infanterie, bestehen seit einiger Zeit Untereinheiten mit schweren Waffen und Panzern. Zahlreiche Kämpfer des Regiments stammen aus nationalen Organisationen wie den „Patrioten der Ukraine“, aber auch aus dem Ausland, insbesondere aus Russland und Weißrussland. Geführt wird das Regiment und Azov von Andriy Biletsky, der davor schon die nationalen Organisationen „Soziale-National Versammlung“ und „Patrioten der Ukraine“ anführte. Biletsky wurde erst gegen Ende des Maidan aus der Gesinnungshaft entlassen.
Neben dem bekannten Regiment gründete Azov 2015 die so genannten „zivilen Korps“. Diese existieren bereits in zahlreichen ukrainischen Städten und führen die politische Arbeit fort. Mit der Veranstaltung von Konferenzen, Demonstrationen, aber auch Sportveranstaltungen und Konzerten wird hier mit einem ganzheitlichen Ansatz versucht, der Dekadenz und dem Verfall auf allen Ebenen entgegen zu wirken. Aber auch soziale Projekte gehören immer wieder zu den Aktivitäten der „zivilen Korps“. Ihre politischen Ziele wurden in einem Manifest verfasst und auch auf Englisch veröffentlicht. Nachfolgend eine deutsche Übersetzung:
Eine junge Generation von Patrioten setzt sich, konfrontiert mit einem unerklärten Krieg und im Bewusstsein eines aktuellen katastrophalen Zustandes von Staat und Nation, für eine komplette Entfernung aller inkompetenter Beamter, korrupter Poltiker und Oligarchen aus der wirtschaftlichen und politischen Führung des Staates ein. Unser Ziel ist die Einführung folgender Lebensbedingungen:
1. Solidarität der Nation – gegen eine künstliche Teilung der Ukraine in Ost und West.
2. Starke, authoritäre, persönlich verantwortliche Führung – gegen Korruption, Verantwortungslosigkeit und Unpersönlichkeit der Moderne.
3. Ein starker, einheitlicher Groß-Ukrainischer Staat mit weitgehender Selbstverwaltung der Kommunen – gegen den Zerfall und die Besetzung des Landes, auch unter dem Deckmantel der Föderalisierung.
4. Ein Professionelles Parlament der Spezialisten – gegen Inkompetenz und Populismus der heutigen Abgeordneten und Parteien.
5. Eine gemischte Wirtschaft die staatliche und private Unternehmen verbindet – gegen die Extreme, Kapitalismus und Kommunismus.
6. Nationalisierung der Bodenschätze, strategischen Wirtschaftsteile und natürlicher Monopole – gegen die Ausbeutung unseres Landes durch Oligarchen.
7. Entwicklung eines Bankensystems zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Einführung eines wirtschaftlich begründeten Zinses – gegen legalen Wucher und Zinssklaverei.
8. Minimierung der öffentlichen Vorschriften für kleine und mittlere Unternehmen – gegen den Druck eine korrupten bürokratischen Systems.
9. Einfluss der Arbeiter auf die Unternehmensführung und Gewinnbeteiligung bei Großunternehmen – gegen die Unterdrückung der Rechte der Arbeiter durch skrupellose Arbeitgeber und falsche Gewerkschaften.
10. Förderung der Entwicklung von Forschung, Ausbildung und innovativen Technologien als starke Grundlage des Staates – gegen eine Rückwärtsgewandte Wirtschaft, basierend auf Rohmaterialien und Importen.
11. Übertragung aller Landrechte an ukrainische Bauern, Implementierung innovativer Technologien und staatlicher Unterstützungen in der Landwirtschaft – gegen die Verantwortungslose Zerstörung der Dörfer und Ausplünderung des Bodens.
12. Vorrang der nationalen Interessen in der Außenpolitik – gegen die Unterordnung unter internationale Organisationen und Werte, die als Deckmantel des Imperialismus dienen.
13. Schaffung eines Baltikum.Schwarzmeer Blockes durch die Ukraine als Grundlage für globale und regionale Sicherheit – gegen die unüberlegte Hoffnung auf Ost oder West die zur Besetzung eines Landesteiles geführt hat.
14. Schaffung einer starken nationalen Armee und Rüstungsindustrie, Wiederherstellung des Nuklearstatus der Ukraine – gegen die militärischen Ohnmacht und Schande der Moderne.
15. Erhöhte Kontrolle der Einwanderung und Stärkung der Grenzen – gegen eine Politik der „offenen Tür“ die die nationalen und wirtschaftlichen Fundamente des Staates untergräbt.
16. Wiederherstellung einer positiven demographischen Entwicklung der Ukraine durch neue Staatliche Programme – gegen die Politik des Volkstodes.
17. Förderung der jungen Generation und ihrer Erziehung auf Basis der nationalen Ehre und Würde – gegen die Kultur des Konsums.
Häufig kommt es zum Vorwurf, bei Azov und Anderen würde es sich um Marionetten oder nützliche Idioten der NATO handeln, die zudem von jüdischen Oligarchen finanziert würden, um anti-russische Gräueltaten durchzuführen. Hierzu gibt es eine ganze Reihe Klarstellung vonseiten Azov. Natürlich ist es als offizielles Regiment der Ukraine mit staatlichen Mitteln eine Gratwanderung, die aber auch jede politische Partei in den heutigen Demokratien des Westens geht, die Gelder annimmt. Die Frage ist aber: Lässt man sich davon kaufen?
Das Azov anti-russisch eingestellt wäre, lässt sich schnell widerlegen. Man beruft sich hier auf die gemeinsame Geschichte, die „Kiever Rus“. Zahlreiche Russen und Weißrussen sind Teil des Regiments. Eine feindliche Haltung herrscht nur zum neo-sowjetischen Regime von Putin. Eine häufige Parole des Regiments ist daher: Zuerst Kiew, dann Moskau!
Auch der Vorwurf der Finanzierung durch jüdische Oligarchen wurde von Azov bereits näher beleuchtet. Hauptsächlich richten sich die Vorwürfe gegen eine Finanzierung durch den Oligarchen Igor Kolomisky, der zu Beginn des Krieges der ukrainischen Region Dnipropetrovsk vorstand. Dieser hatte, um seine persönlichen Interessen zu schützen, eine pro-ukrainische Haltung angenommen. Anfang 2015 wurde er von Präsident Poroshenko abgesetzt, nachdem er die Zentrale des Ölförderkonzerns Ukrnafta durch private Sicherheitsleute besetzen lies, um sich persönlich zu bereichern. Seine Unterstützung des Bataillons Azov bestand in der Versorgung mit Lebensmitteln, als dieses zu Beginn des Krieges in der Stadt Berdyansk untergebracht war. Aus pragmatischen Gründen wurde diese Versorgung von Azov angenommen. Eine weitere Finanzierung, oder einen Einfluss auf das Bataillon, gab es laut Azov nicht.
Auch weitere Politiker und Oligarchen sahen für sich einen Vorteil darin, die Freiwilligen-Bataillone und auch Azov zu unterstützen, um sich selbst in Szene zu setzen. Einer von ihnen, der auch Azov öffentlichkeitswirksam mit Lebensmitteln, Uniformen, Waffen, Ausrüstung und Fahrzeugen unterstützte, ist der Abgeordnete Oleg Liashko. Aber auch der Innenminister Arsen Avakov, der Azov zu einem offiziellen Regiment der Nationalgarde der Ukraine ernannte und die Erweiterung zum Regiment einleitete. Auch die Lieferung von schweren Waffen führte er durch. Trotz der von diesen beiden und anderen gerne angenommenen Hilfe hat sich Azov nach eigener Aussage stets die Unabhängigkeit bewahrt. Nicht zuletzt hat der Kommandant Andriy Biletsky bereits mehrfach den populistischen Patriotismus, insbesondere von Liashko, als albern kritisiert.
Zuletzt machte Azov durch die Einweihung eines Denkmals in Mariupol von sich reden. Das Ehrenmal widmeten sie Svyatoslav den Tapferen. Dieses wurde auf einem zentralen Platz gegen den Willen der Stadtregierung errichtet und wird von den Mitgliedern des Regiments geschützt. Am 20. Dezember 2015 wurde es mit einer großen Demonstration, auch unter Beteiligung zahlreicher Bürger von Mariupol, eingeweiht. Seit der Befreiung und Verteidigung der Stadt durch Azov verbindet die Bewohner und das Regiment eine enge Verbundenheit. Nicht zuletzt waren es Initiativen von Azov, die einen Schutzgürtel um die Stadt schufen und so einen weiteren Beschuss der Zivilisten durch Mörser und schwere Waffen verhinderten. Das Denkmal soll an die Helden der Ukraine erinnern, die für die Jugend wieder Vorbilder sein sollen.
In München führte „Der III. Weg“ am 31. Oktober 2015 eine Konferenz zur Lage in der Ukraine durch. Einen ausführlichen Bericht zu dieser Veranstaltung kann man hier nachlesen: Konferenz zur Lage in der Ukraine