Kulturbetrieb: erste Wendehälse rudern nach rechts

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Braucht Deutschland noch Dichter und Denker? In den letzten 50 Jahren haben wir gelernt, ohne sie auszukommen. Mit der „Gruppe 47“ von Günter Grass, Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger und mit der Frankfurter Herrschaft von Jürgen Habermas verlagerte sich das geistige Leben – ganz nach Wunsch der Besatzer – eindeutig nach links. Die spezifisch deutsche Geistestradition war 1945 abgebrochen und verfemt. Dichter nannten sich nun „Autoren“, Philosophen nur noch „Gesellschaftswissenschaftler“. Und wer national dachte, galt als beschränkt und bildungsfern. „Dumpf“ hieß die bevorzugte Vokabel.

Philosophen und Schriftsteller ergriffen prinzipiell die Partei des „gesellschaftlichen Fortschritts“. Das heißt, sie engagierten sich für Randgruppen aller Art, Straffällige, Drogensüchtige, Gastarbeiter, auch linke Terroristen, aber niemals für den deutschen Bürger und sein Bedürfnis nach Ordnung und Sauberkeit. Solche Forderungen war man gezwungen, „dumpf“ und spontan zu artikulieren, denn es gab weit und breit keinen Journalisten oder Professor, der seine Kenntnisse einem solchen Anliegen zur Verfügung gestellt hätte. Ausnahmen wie Prof. Diwald aus Erlangen oder Ernst Nolte bekamen entsprechend Ärger mit Kollegen und der Obrigkeit. „Der Geist weht links“, war ein Dogma, an das sogar die meisten „Rechten“ glaubten.

Angesichts der Flüchtlingskrise beginnt sich dieser Zustand zu ändern. Bekannte deutsche Intellektuelle wie der Philosoph Peter Sloterdijk oder der Schriftsteller Botho Strauß – beide international anerkannt – äußern sich plötzlich auf eine „bestürzende“ und „empörende“ Weise. Sie äußern sich gegen die derzeitige Masseneinwanderung und für eine rigorose Begrenzung. Strauß – konservativ schon seit dem „Bocksgesang“ von 1993 – schrieb im Oktober 2015 im „Spiegel“ eine Fortsetzung: „Der letzte Deutsche“. In der Zeitschrift „Cicero“ spricht Sloterdijk von einer „Kultur der dünnwandigen Container“: „Man glaubt hierzulande immer noch, eine Grenze sei nur dazu da, um sie zu überwinden.“ So scharf und spöttisch ist Angela Merkels „Wir-schaffen-das“-Optimismus noch nie kritisiert worden. Sloterdijks langjähriger Assistent Marc Jongen hat den Schritt zur Praxis gewagt und ist stellvertretender Landesvorsitzender sowie Mitglied der Bundesprogrammkommission der AfD. Er will die „Dekonstruktion von Familie und Volk verhindern“ will und hat auch keine Schwierigkeiten mit Höcke.

Herausgeber Frank Böckelmann klagt in der Zeitschrift „Tumult“: „Wer in Deutschland darauf beharrt,mitzubestimmen, mit wem er zusammenleben möchte, wird in die Ecke der Fremdenfeindlichkeit gestellt.“ Sogar die Menschenrechtsideologie greift man neuerdings an. Rüdiger Safranski, bekannt durch Bücher über Goethe und über die deutsche Romantik, wendet sich gegen einen „weltfremden Humanitarismus“ und erklärt: „Man tut so, als sei die Menschenwürde ein angeborenes Organ wie Leber und Milz.“ Dabei käme es doch auf einen „funktionierenden Staat“ als Voraussetzung an. Die „Süddeutsche Zeitung“ ist besorgt: „Den neuen nationalkonservativen Bewegungen wachsen nun offenbar Wortführer zu, die den Umgang mit Medien gewohnt sind  und das öffentliche Formulieren lange geübt haben.

Das liegt daran, daß die neuen Nationalkonservativen seit der 68er-Zeit im Kulturbetrieb führend mitmischen. Leute wie Sloterdijk oder Böckelmann waren sogar Kommunisten und Maoisten. Sie haben ihre Position nicht schlagartig angesichts der Flüchtlingsströme geändert, sondern schon in den letzten zwanzig Jahren Schritt für Schritt vom Fortschrittsoptimismus Abschied genommen. Nun sind sie Gegner des Betriebes, aber noch Teil davon mit allen publizistischen Möglichkeiten. Und so kommt es, daß im Hinblick auf die Einwanderer sogar ein Zitat von Stefan George auftaucht: „Schon eure Zahl ist Frevel.“

Wen das – bei aller Solidarität – ärgern könnte, ist das Häufchen „Rechtsintellektueller“, das, gegen den Zeitgeist rudernd, sich mühsam einzelne eigene Medien aufgebaut hat wie die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ oder die Zeitschrift „Sezession“. Ihre Attraktivität bezogen diese Blätter aus der Paradox einer rechten oder konservativen Intelligenz. Zwar hatte es sie immer gegeben, aber nur in den eigenen vier Wänden. Seit 1994 bzw. 2001 war die Mischung am Kiosk zu kaufen. Nun aber dreht sich der Wind bei den Großschriftstellern und Meisterdenkern. In renommierten Zeitschriften erscheinen plötzlich Ansichten und Argumente, die klar gegen die herrschende Moral als „Hypermoral“ gerichtet sind. Wer soll in Zukunft noch die Neurechten kaufen? Da nützt es auch nichts, daß sie sich untereinander gründlich zerstritten haben. Der große Streit findet sich woanders statt.

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