In dem Strafverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des Aktionsbüros Mittelrhein vor dem Landgericht Koblenz, das im März 2012 durch großangelegte Dursuchungs- und Verhaftungsmaßnahmen breites Medieninteresse weckte und im März 2016 den 250. Verhandlungstag verzeichnete, wurde bereits durch ein Protokoll des Rechtsausschusses des Landtags Rheinland-Pfalz aus dem Juli 2015 deutlich, dass über Parteigrenzen hinweg ein politisches Interesse an der Bekämpfung rechter Strukturen mit den Mitteln der Strafverfolgung besteht. [1] Kritiker an dem Verfahren bemängeln schon seit Verfahrensbeginn den Missbrauch der Justiz zur Kriminalisierung der Angeklagten. [2]
Neue Nahrung erhält diese Kritik durch einen Beitrag des Kriminaldirektors Wolfgang Bula, Leiter der Kriminaldirektion Koblenz, an einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2012. Thematischer Inhalt der Tagung waren Kriegsgefangenenlager im Zeitraum 1939-1950. Bulas Beitrag behandelte die politische Instrumentalisierung von Gedenkstätten durch die rechte Szene. [3]
Bula ist als Leiter der Kriminaldirektion u. a. zuständig für das Kriminalkommissariat 12 (Politisch motivierte Kriminalität), in welchem die Ermittlungen gegen das Aktionsbüro Mittelrhein geführt wurden.
Anders als man es von einem politisch neutralen Polizeibeamten erwarten würde, ist sein Beitrag reichlich mit Halbwahrheiten versehen und lässt eine politische Zielsetzung der Ermittlungsarbeit deutlich erkennen. Über “die Antifa” schreibt er, dass “deren Mitglieder … sehr, sehr intensiv Aufklärung betrieben [haben] und das im Unterschied zu uns [der Polizei], auch dokumentierte.” (Kriegsgefangenenlager, S.95) Den Angeklagten hingegen wird vorgeworfen, durch “eine verstärkte Ausspionierung der politischen Gegner, z. B. der Antifa”, diese “zunehmend Gefahren” ausgesetzt zu haben. (S.97) Wieso die Angeklagten diesen Gefahren von Seiten der Antifa nicht ausgesetzt gewesen sein sollen, zumal er angibt, dass erste Straftaten sich gegen die Angeklagten richteten (ebd. S.95-96), lässt er dabei unbeantwortet. Offensichtlich ist die Sammlung und Dokumentierung von Daten über den politischen Gegner auf der einen Seite ein Verbrechensmerkmal, während es für die andere Seite eine Erhöhung in den Stand einer Hilfspolizei darstellt.
Noch gravierender bringt er allerdings den Grund für die Ermittlungen im Rahmen des §129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung) auf den Punkt:
“Die Polizei muss sich intensiver auf Strukturermittlungen konzentrieren, d.h. wir müssen die rechten Organisationen treffen und das geht nur über Ermittlungsverfahren wegen Bildung krimineller Vereinigungen. Damit treffen wir die Struktur, nur so kann ein entsprechender Verein später auch möglicherweise verboten werden.” (ebd. S.99)
Dass er dabei das Hauptaugenmerk nicht auf die Verfolgung von Straftaten legt, sondern auf die Bekämpfung unangenehmer Meinungsäußerungen, wird in seinem Text ebenfalls deutlich:
“Das AB Mittelrhein hat die Rheinwiesendemo institutionalisiert, indem sie sich über Jahre im Voraus für diese Demo angemeldet hat, ich glaube bis 2014.” (ebd. S.98)
“Auf der anderen Seite nutzen diese Freiheitsrechte auch die Rechten, also auch die Gegner von Freiheit und Demokratie. Sie wissen, das Verbot einer Versammlung ist fast unmöglich.” (ebd.)
“Die Rechten nutzen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und die Schwierigkeiten dieses Grundrecht einzuschränken natürlich entsprechend aus.” (ebd.)
Die Gründe für die Verfolgung der Angeklagten sind also ganz offensichtlich in der Hauptsache in der Durchführung von Demonstrationen zu sehen, die Kriegsgefangenenlager der Alliierten thematisieren und deren Ausrichtung den politisch geduldeten Raum verlassen hatten.
Dass dies sowohl von Medien und Politik, als auch von Polizei und Justiz, so hingenommen wird, ist eines Rechtsstaates unwürdig. Dass es von einem Polizisten der Führungsebene wie selbstverständlich geäußert wird, ohne dass dies zu Reaktionen führt, ist ein Skandal.
[1] http://www.landtag.rlp.de/landtag/ausschuesse/rechtsa-46-16.pdf
[2] https://prozesskoblenz.wordpress.com/2015/10/20/zur-politischen-dimension-des-verfahrens-gegen-das-aktionsbuero-mittelrhein/
[3] http://www.gedenkstaette-hinzert-rlp.de/uploads/media/LpB_-_Kriegsgefangenenlager_1939-1950_-_Dokumentation_Nr.9.pdf
Quelle: prozesskoblenz.wordpress.com