Am 23. Januar 2016 lud die „European Solidarity Front for Syria“ (ESFS) zu einem Vortrag in die bayerische Landeshauptstadt München. Zahlreiche Mitglieder der nationalrevolutionären Partei "Der III. Weg" kamen und lauschten den Worten über die Hintergründe des Krieges in Syrien und die aktuelle Lage vor Ort (siehe: Syrien – Zwischen Freiheit und Terrorismus). Für einen jungen Aktivisten unserer Partei sollte dies der Beginn für eine Reise sein. Zusammen mit der ESFS bereiste er das arabische Syrien und verschaffte sich dort mit eigenen Augen selbst einen Überblick. Hier nun der vierte Teil des Erlebnisberichts, welcher fortlaufend auf unserer Netzseite veröffentlicht wird.
Siehe hierzu auch:
Teil 1: Die Beweggründe
Teil 2: Reisebeginn mit Kulturschock
Teil 3: Zu Gast beim InformationsministerTeil 4: Die „arabische Hölle“
Teil 5: Eindrücke die fassungslos machen
Am fünften Tag der Reise geht es nun zur Burg Krak des Chevaliers. Hierbei handelt es sich um eine mittelalterliche Burg. Diese wurde 1031 als Hisn-al-Akrad (Burg der Kurden) vom Emir von Homs errichtet. 1099 wurde sie vom Heer des ersten Kreuzzuges von Raimund von Saint-Gilles besetzt, allerdings nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Jerusalem genutzt. Im Jahr 1110 wurde die Burg dann durch Tankred von Tiberias dauerhaft erobert. Bis 1267 wurde die Burg zunächst von den Kreuzrittern, dann vom Johanniterorden genutzt. Dann wurde sie zwischen 1267 und 1271 durch Sultan Baibar genutzt. In der französischen Kolonialzeit wurde die Burg schließlich renoviert. Welch Anziehungskraft die internationale Touristenattraktion besaß, zeigte die Tatsache, dass am 20. September 2009 über 9.000 Besucher die Burg besichtigten.
Die Burg Krak des Chevaliers wurde von Terroristen besetzt
2011/2012 kamen Islamisten der Gruppe Jaish-al-Fetah – die der sogenannten „Freien Syrischen Armee“ zugerechnet wird – über den Libanon in das anliegende Dorf al-Hosn, eingeladen vom regionalen Imam. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich nur wenige Regierungssoldaten in der Festung auf. Mit den Rebellen wurde daher ein friedlicher Abzug der syrischen Soldaten vereinbart. Doch als die Soldaten die Burg verließen, wurden diese kaltblütig und unehrenhaft erschossen. Von diesem Zeitpunkt, so schilderte man uns, wusste die Bevölkerung, mit was für Rebellen sie es zu tun hatten. Noch heute konnten wir in persönlichen Gesprächen den Groll auf die angeblichen Freiheitskämpfer heraus hören. Diese hätten sich respektlos verhalten, hätten gestohlen und den Bewohnern des Ortes, die vielfach auf der Burg groß geworden sind, den Zutritt zu dieser verwehrt. Etwa 1.000 Rebellen hielten sich zu Hochzeiten hier auf. Trotz dieser Anzahl gab es Widerstand aus der Bevölkerung gegen die als Besatzer empfundenen Terroristen. Einer ihrer Anführer, Sheik Majoub, wurde von den Einheimischen in eine Falle gelockt und getötet. Am 20. März 2014 konnte die Burg zurückerobert werden.
Latakia und Tartus: Syrische Flüchtlingsstädte
Die letzte Station unserer Reise ist Latakia, in das wir über Tartus reisen. In beide Städte fliehen sehr viele Menschen aus diversen umkämpften Regionen Syriens. In Latakia sehen wir sogar zahlreiche Neubauten, beziehungsweise im Aufbau befindliche Wohnviertel, die – wie man uns sagt – insbesondere für junge Leute sind. In Latakia gibt es ein großes Universitätsgelände. In beiden Städten wohnen sehr viele Alawiten.
Bereits jetzt sind uns zahlreiche Bilder von teilweise sehr jungen Soldaten aufgefallen. Uns wird erklärt, dass diese Soldatenporträts angefertigt werden, bevor diese in den Krieg gegen die Rebellen ziehen. Anschließend werden sie dann an deren Eltern oder Bekannte geschickt. Wenn ein Soldat fällt, werden zum Dank an das selbstlose Opfer Plakate angefertigt und in der Stadt aufgehangen. Häufig werden diese Plakate noch mit Baschar al-Assad, Bassil-al-Assad oder Hafiz al-Assad versehen. Die syrische Flagge darf darauf freilich nicht fehlen. Gelegentlich sieht man auch Bilder, auf denen auch Suheil al-Hassan zusehen ist. Er ist der Anführer der Tiger Forces, einer Eliteeinheit der syrischen Armee.
In Tartus lebten vor dem Krieg etwa 115.000 Einwohner. Alleine aus dieser Stadt sind bereits 15.000 Soldaten gefallen. So stellen die Märtyrerplakate ein eindrucksvolles Zeugnis der Opferbereitschaft des syrischen Volkes dar. Nicht umsonst trägt Tartus auch den Beinamen "Stadt der Märtyrer". In Latakia lebten zu Kriegsbeginn etwa 400.000 Einwohner und auch diese Stadt hat bereits 20.000 Gefallene zu verzeichnen. Durch die Flüchtlinge hat sich die Einwohnerzahl beider Städte etwa verdreifacht.
Damit ein Ernährer in den Familien verbleibt, muss den Wehrdienst in Syrien prinzipiell erst das zweite Kind einer Familie antreten. Auch Studenten sind vom Wehrdienst befreit. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich vom militärischen Dienst freizukaufen, was allerdings umgerechnet fünf bis achttausend Dollar kostet. Auch bis jetzt gibt es noch keine Generalmobilmachung. Familien von Märtyrern werden von der Regierung im Rahmen der Möglichkeiten unterstützt. Zunächst gibt es eine grundsätzliche Unterstützung in Höhe von einer Million syrischen Pounds (600 syrische Pounds entsprechen etwa einem Euro). Kinder werden in besonders guten Märtyrer-Schulen unterrichtet und genießen auch ansonsten eine Bevorzugung. Dortigen Schülern wird auch mit schlechteren Noten im Anschluss der Studienwunsch erfüllt.
Interessante Informationen, über welche ich noch beim Bezug unseres Hotels in Latakia nachdenke. Wunderbar am Mittelmeer gelegen, könnte dies auch gut ein europäischer Ferienresort sein.
Treffen mit einem Vertreter der Baath-Partei
Nach einer ausgeschlafenen Nacht im Hotel treffen wir am vorletzten Tag den Vorsitzenden der Baath-Partei in der Region Latakia. Er ist der Ansicht, dass es geheime Mächte gibt, die hinter den handelnden gegnerischen Parteien im syrischen Krieg wirken. Außerdem erzählt er uns, dass es unter den vermeintlichen syrischen Flüchtlingen, die nach Europa fliehen, sehr viele Schläfer gibt. Diese sollen einerseits neue Kräfte für den Kampf gegen Syrien rekrutieren und andererseits den Konflikt ausweiten.
Hier will ich nun einige Auszüge aus dem Parteiprogramm der Baath-Partei dokumentieren, damit man eine grobe Einschätzung der Stoßrichtung dieser Regierungspartei erhält:
Entnommen und frei ins deutsche übersetzt: The Constitution Of The Baath Arab Socialist Party – Approved By The First Congress Of The Party In 1947
Fundamentale Prinzipien
Erstes Prinzip: Der Arabischen Nation Einheit und Freiheit.
1) Das Arabische Heimatland ist ein unteilbares politisches und ökonomisches Wesen und keine arabische Region kann sich für die Bedingungen seiner Existenz von den anderen arabischen Regionen trennen.
3) Das Arabische Heimatland gehört den Arabern. Sie allein haben das Recht ihre Angelegenheiten, ihren Reichtum und ihre potenzielle Entwicklung zu verwalten.General-Prinzipien – Artikel 3
Die Baath Arabisch Sozialistische Partei ist eine Pan-Arabische National Partei die glaubt, dass Nationalismus ein lebendiger, unsterblicher Fakt ist und dass das bewusst Pan-Arabische Nationalgefühl, welches das Individuum nah an seine Nation bindet, ein heiliges Gefühl ist, voller kreativer Kraft, Opferbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und Ansporn. Es ist praktisch und effektiv und lenkt den Humanismus des Individuums.
Die Panarabische Nationalidee ist der Wille der arabischen Menschen sich zu befreien und zu vereinigen. (…)Artikel 4
Die Baath Arabisch Sozialistische Partei (BASP) ist sozialistisch und sie glaubt das Sozialismus eine Notwendigkeit ist, die emaniert ist vom Kern des arabischen Nationalismus, weil er das idealste System ist, welches den arabischen Menschen erlaubt, ihre Potenziale zu materialisieren und die Reifung ihres Genius in der besten Weise umzusetzen. (…)
Artikel 6
Die BASP ist revolutionär und glaubt, dass ihre Hauptziele in der Wiederauferstehung des Pan-Arabischen Nationalismus und der Etablierung des Sozialismus nicht vollendet werden können, außer durch den Weg der Revolution und des Kampfes. Abhängigkeit von langsamer Entwicklung und Zufriedenheit mit oberflächlichen, teilweisen Reformen bedrohen das Ziel. Daher entscheidet die Partei:
a) zu kämpfen gegen ausländischen Kolonialismus im Auftrag der Befreiung des ganzen arabischen Heimatland
b) zu kämpfen für die Etablierung der Solidarität aller Araber in einem unabhängigen Staat.
Zu revoltieren gegen die korrupte Realität in allen intellektuellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Aspekten des LebensArtikel 7
Das arabische Heimatland ist das Land, in dem die arabische Nation lebt. Zwischen dem Taurusgebirge und dem Bishtekwih Gebirge, Golf von Aden, dem arabischen Meer, äthiopischen Bergen, der großen Sahara, dem atlantischen Ozean und dem Mittelmeer.
Die ökonomische Politik der BASP
Artikel 35
Wucher unter Bürgern soll verhindert werden. Eine Regierungsbank soll gegründet werden, um das Auskommen sicherzustellen, welches garantiert wird vom Nationaleinkommen. Es soll notwendige landwirtschaftliche und industrielle Projekte finanzieren.
Anmerkung des Artikelautors: Die arabische Nation ist für die Partei ein Ideal und deshalb de facto schwer umsetzbar. Der Nationalismus definiert sich hier nicht über eine syrische Nation, sondern über die Araber im Allgemeinen. Das hängt auch damit zusammen, dass es ein klassisches syrisches Volk in Abgrenzung zu anderen Ländern nicht gibt. Die Grenzen zwischen den Arabern wurden erst durch die westlichen Kolonialisten gezogen, daher auch die Betonung dieser speziellen arabischen Einheit.
Die Baath-Partei regiert seit 1963 in Syrien. Davor gab es einen ständigen Wechsel der Machthaber, die jeweils meist nur in die eigene Tasche wirtschafteten und es nicht schafften, das syrische Land mit seiner sehr unterschiedlichen Bevölkerung zu einen und langfristig hinter sich zu bringen. Bei der diesjährigen Parlamentswahl erzielte sie 80% der Stimmen, die auf die „Nationale Einheitsliste“ fielen (ein Zusammenschluss mehrerer syrischer Parteien, unter anderem auch kommunistische Parteien). Damit gewann sie 134 der 168 Sitze dieses Bündnis. Im syrischen Parlament sitzen des Weiteren 5 Abgeordnete der Volksfront für Wandel und Freiheit, davon 4 auf die SSNP (Syrian Socialist and Nationalist Party). 77 Abgeordnete sind in keiner der beiden Fraktionen.
Märtyrergeschichten am Friedhof
Nach dem Besuch der Baath-Partei geht es für uns zu einem Märtyrerfriedhof. Heute ist Märtyrer-Tag, an welchem die Familienangehörigen zu den Gräbern ihrer Gefallenen gehen. Auch wir zeigen unseren Respekt vor den Gefallenen und Ehren die Kämpfer, in dem wir Zweige und einen Kranz an ihren Gräbern niederlegen. Zwei Mütter berichten uns von ihren Söhnen, die bei der Verteidigung eines Kontrollpostens gefallen sind. Eindrucksvoll trug uns dort ein kleines Mädchen auch ein Gedicht vor. In diesem betont sie stolz und ausdrucksstark, dass sie die Tochter eines Märtyrers ist. Ihre Mutter erzählt uns, dass ihr Vater noch kurz vor seinem Tod angerufen hat. Die letzten Worte zu seiner Tochter beinhalteten die Botschaft, dass sie eine gute Tochter werden und das kommende Syrien starkmachen soll. Wir treffen auch einen Kämpfer, der ein Bein verlor und sich, seitdem er nicht mehr kämpfen kann, im Jugendhilfswerk engagiert. Dieses kümmert sich vor allem um Veteranen, Alte und Kranke.
Der Präsident vor Baschar al-Assad war sein Vater Hafiz al-Assad. Dieser einte das Land 1970 und führte es. Eigentlich sollte sein Nachfolger Basil al-Assad werden, der eine Karriere im Militär gemacht hatte und in der Bevölkerung sehr beliebt war. Jedoch starb dieser 1994 noch vor seinem Vater bei einem Autounfall. Als Hafiz im Jahr 2000 starb, musste somit Baschar al-Assad die Nachfolge antreten, obwohl er eigentlich seinen Beruf als Arzt fortführen wollte. Wir haben die große Ehre, das Mausoleum der beiden in Kardaha besuchen zu dürfen, um dort ebenfalls einen Kranz niederzulegen. In dem Mausoleum liegt auch die Frau von Hafiz al-Assad, Anisa Machluf, welche erst dieses Jahr verstorben ist.
Lebhafte und zufriedene Kinder im kriegsgebeutelten Syrien
Anschließend fahren wir zurück zum Hotel. Mit drei Kameraden flaniere ich einen kleinen Boulevard hinunter, vergleichbar mit den touristisch ausgelegten Straßen in Urlaubsorten. Wir setzen uns in ein Café und beobachten die Szenerie. Ein kleiner Bahnwagen, wie man ihn gewöhnlich aus europäischen Städten kennt, wo er eingesetzt wird, um lauffaule dicke Amerikaner mit großen Kameras an echten und vermeintlichen Sehenswürdigkeiten vorbei zu karren, versieht hier seinen Dienst. Das Kennzeichen ist noch ein holländisches, der Fahrer trägt eine gefälschte Ray-Ban-Sonnenbrille und Flip-Flops. Auf Discolautstärke wird die Straße mit den neusten arabischen Stimmungsliedern beschallt. Darin sitzt eine große Schar Kinder, völlig ausgelassen singend und tanzend. Der Bus dreht mit den Kindern eine Runde nach der anderen, den kleinen Boulevard rauf und runter. Der kuriose Anblick – irgendwie typisch syrisch – bringt uns zum Lachen. Nebenher fahren weitere Kinder mit ihren Fahrrädern, die ihre Vorderräder in die Luft reißen. Ein Junge hält bei uns und posiert stolz mit seinem Rad. Dann fährt er weiter. Dann sehen wir ein Auto vorbeifahren, in dessen Kofferraum ebenfalls etwa fünf Kinder sitzen und lachen. Lebhafte und zufriedene Kinder, die hoffentlich einmal in einer freien und friedlichen Heimat leben werden.
Nach einer Runde Schwimmen im noch recht kühlen Mittelmeer heißt es Abschied nehmen von einem Kameraden, der schon früher abreist. Nach einem kurzen Einkaufsbummel zwecks Souvenirs für die Heimat und dem Abendbrot geht es ins Bett. Die letzte Nacht in Syrien.
Mehr lesen Sie morgen im siebten Teil unserer einwöchigen Reihe „Ein Besuch in Syrien“.