Am 23. Januar 2016 lud die „European Solidarity Front for Syria“ (ESFS) zu einem Vortrag in die bayerische Landeshauptstadt München. Zahlreiche Mitglieder der nationalrevolutionären Partei "Der III. Weg" kamen und lauschten den Worten über die Hintergründe des Krieges in Syrien und die aktuelle Lage vor Ort (siehe: Syrien – Zwischen Freiheit und Terrorismus). Für einen jungen Aktivisten unserer Partei sollte dies der Beginn für eine Reise sein. Zusammen mit der ESFS bereiste er das arabische Syrien und verschaffte sich dort mit eigenen Augen selbst einen Überblick. Hier nun der vierte Teil des Erlebnisberichts, welcher fortlaufend auf unserer Netzseite veröffentlicht wird.
Siehe hierzu auch:
Teil 1: Die Beweggründe
Teil 2: Reisebeginn mit Kulturschock
Teil 3: Zu Gast beim Informationsminister
Teil 4: Die „arabische Hölle“
Teil 5: Eindrücke die fassungslos machen
Teil 6: Die „Stadt der Märtyrer“
Auch am letzten Tag ist nicht Ausruhen angesagt, da auch dieser genutzt werden will. Vor der Heimreise stehen noch einige Termine an. Zunächst will uns der Gouverneur von Latakia, Khodor al-Salem, treffen. Er vermerkt gleich zu Beginn, dass er lediglich der europäischen Bevölkerung, nicht aber den europäischen Regierungen vertraut. Er zitiert in seinem Gespräch mit uns auch Baschar al-Assad, welcher sagte: "Europa wird dafür (Anm.: Waffenlieferungen an die Rebellen) büßen … Terroristen, bewaffnet mit militärischer Ausrüstung und extremistischer Ideologie, werden nach Europa zurückkehren". Nebenbei berichtet er auch von einem humanistischen Erfolg der syrischen Regierung: Pakistanische IS-Kämpfer hatten das Polio-Virus eingeschleppt und der Regierung ist es nun gelungen, das Virus erneut auszurotten. Schlechte Nachrichten gibt es leider von der Front, so der Gouverneur. Die syrische Armee hat die wichtigen Ölgebiete bei Palmyra an den islamischen Staat verloren und auch in Aleppo waren Verluste von drei wichtigen Stellungen an Dschabad Al-Nusra zu vermelden.
Dankbare und bescheidene Flüchtlinge in Syrien
Nach dem Gespräch besuchen wir noch eine Flüchtlingsunterkunft für Geflüchtete aus der Kleinstadt Harim im Nordwesten Syriens. Hier leben etwa 250 Menschen, darunter 120 Kinder, die nun in der ehemaligen Schule untergebracht sind. Harim liegt in der Provinz Idlib, in der Nähe der Grenze zur Türkei und wurde von Al-Nusra erobert. Die Gegend ist landschaftlich geprägt. Allerdings waren die Einwohner durch den Pistazienanbau zu einem kleinen Wohlstand gekommen. Jedes Jahr verdienten sie durchschnittlich etwa 15 Millionen syrische Pounds, worauf sie sehr stolz waren. Al-Nusra schlachtete alle Männer ab, die nicht mit ihnen sympathisierten, obwohl die meisten im Krieg keinerlei Partei ergriffen. Aus diesem Grund sind in der Flüchtlingsunterkunft überwiegend Frauen und Kinder anzutreffen.
Es sind stolze und bescheidene Menschen, die hier leben, dies erkennt man sofort. Sie nehmen ihr Schicksal hin und wollen nur wenig annehmen. Eine Aktivistin des Jugendhilfswerkes erzählte uns folgende Erfahrung: Sie verteilte gerade Kleidung an die Bedürftigen. Ein Mann kam an, er sollte Sachen abholen. Er nahm sich lediglich eine Unterhose. Die Aktivistin sagte: „Nehmen Sie sich mehr!“ Er lehnte jedoch mit den Worten: „Geben sie es lieber den anderen Geflüchteten“ ab. Auch der Leiter der Unterbringung sagt uns, dass es den Menschen hier generell gut geht, da die Regierung sehr für sie sorgt. Das Einzige was wirklich fehlt, wären Kühlschränke, was sich bei der Hitze natürlich besonders schlecht mache.
Nach dem Besuch gehen wir noch in eine kleine Kirche aus dem ersten Jahrhundert, die unterirdisch gebaut wurde. Grund dafür war, weil sich die Christen damals noch vor der Verfolgung der Römer verstecken mussten.
Eine Soldatengeschichte aus Syrien
Als letzte Station in Syrien steht ein Treffen mit einem Aktivisten und einer Aktivistin des „Syrian Youth Council“ sowie einem ehemaligen Soldaten an. Der „Syrian Youth Council“ hat etwa 1.000 Mitglieder, davon 500 in Latakia. Er engagiert sich karitativ, organisiert allerdings auch diverse Veranstaltungen wie die „Latakia Fashion Show“, wo junge syrische Modedesigner ihre Kleidung präsentieren können, oder das „Latakia Film Festival“, in dem neue Filme von jungen Regisseuren gezeigt werden. Ihre Projekte finanzieren sie jeweils separat, häufig in Kooperation mit Institutionen wie der Universität von Latakia.
Der Soldat, welchen die Aktivisten zum Gespräch mitbrachten, verletzte sich bei einem Fronteinsatz. Durch eine weitere Vorverletzung ist es sehr unwahrscheinlich, dass er noch mal an die Front kann. Er kämpfte bei Damaskus, um das bereits erwähnte Adra. Er äußerte sich kritisch, insbesondere über die Versorgung der Truppen. Die syrische Armee war merklich schlechter ausgerüstet als beispielsweise der IS und Al-Nusra. Dies liegt zum einen an mangelnder Vorbereitung der Armee, mit dem Anlegen der entsprechenden strategischen Vorräte, andererseits aber auch am mangelhaften Nachschub durch den Boykott. Der IS erhält bekannterweise Nachschub über den Landweg aus arabischen Ländern wie Jordanien. Phasenweise mussten die Regierungssoldaten sich sogar von Gras ernähren, da die Vorräte nur einen Tag reichten. Unser Gesprächspartner verlor während des Einsatzes 35 bis 40 Kilogramm an Gewicht. Später wurde die Versorgung aus der Luft sichergestellt. Flieger konnten jedoch aufgrund von feindlichem Flakfeuer nicht landen. Daher wurden Pakete sehr ungenau abgeworfen und mussten in riskantem Einsatz von den Soldaten geborgen werden. Hierbei starben viele Soldaten und auch unser Gesprächspartner sah viele Kameraden sterben.
Ihnen gelang es letztlich, Adra zu erobern. Ein Kamerad von ihm konnte sogar einen Panzer des IS (erbeuteter Panzer russischer Bauart aus syrischem Armeebestand) mit einer Panzerfaust knacken. Zu Anfang war vor allem ein Problem, dass viele Soldaten aus Regionen kamen, die von Terroristen besetzt waren. Die Terroristen nahmen deren Familien oftmals als Geiseln und zwangen die Männer so zum Seitenwechsel. Wenige, die er aus Armeezeiten vor dem Krieg kannte, liefen freiwillig zum Feind über.
Ein Kamerad sagte ihm: „Ich bin aus der Stadt, die nicht vergisst“. 1982 hatten sich radikal-islamische Muslimbrüder in der Stadt verschanzt und es drohte damals bereits eine Kriegssituation wie heute. Allerdings konnte der Aufstand damals niedergeschlagen werden, da es im Gegensatz zu heute keine ausländische Intervention gab. Deswegen ist er im Gegensatz zu vielen anderen in Syrien auch eher pessimistisch, was die Zukunft des Landes angeht. Dass es eine Rückkehr zum alten Syrien gibt, glaubt er nicht, auch wenn er natürlich auf eine positive Zukunft hofft. Gerade die Kurdengebiete dürften schwer zu überzeugen zu sein, in den gemeinsamen Staat zurückzukehren.
Auch bei diesem interessanten Gespräch verstreicht die Zeit leider viel zu schnell und so hieß es allmählich Abschied nehmen von Syrien. Noch einmal besteigen wir den Bus und los ging die Fahrt zur Grenze Richtung Libanon.
An der Grenze noch einmal ein besonders schikanöses Verfahren. Die Grenzer auf syrischer Seite ließen es sich nicht nehmen, noch einmal alle Passdaten nach Damaskus zu schicken. Die Prozedur war zeitraubend, jedoch war ein Ende immerhin absehbar. Nicht so auf libanesischer Seite. Hier wurden insbesondere die Papiere unseres Fahrers, trotz gültiger Durchreiseerlaubnis, als Problem angesehen. Insgesamt kosteten uns die Kontrollen drei Stunden. Dann ging es endgültig gen Flughafen.
Der Libanon: ein politisch gescheiterter Staat
Der Libanon ist ein politisch gescheiterter Staat. Immer wieder gibt es hier Unruhen und Auseinandersetzungen, da unter anderem das Zusammenleben der Religionsgruppen nicht klappt. Zudem ist die Hisbollah sehr mächtig und vertritt häufig gänzlich andere Ansichten als die Regierung. Ebenso tragen diverse palästinensische Gruppierungen aus der großen palästinensischen Flüchtlingsgemeinde zu den Unruhen bei. Zu allem Überfluss hat der Staat seit dem 26. Mai 2014 nicht einmal ein Staatsoberhaupt, da mehrere Wahlen scheiterten.
Seit dem letzten Krieg mit Israel im Jahr 2006 hat sich das Land wirtschaftlich jedoch komplett verändert. Bei unserer Fahrt sehen wir riesige Leuchtreklamen, große Gebäude, dicke SUVs und noble Sportwagen. Amerikanische Geschäfte, von Burger King, über Mc Donalds, bis hin zu Dunkin Donuts haben Einzug gehalten. Die Währung ist an den Dollar gekoppelt und der Dollar wird als Währung beinahe häufiger genutzt als die einheimische Währung, die libanesische Lira. Der Libanon hat sich zu einem durch und durch kapitalistischen Land entwickelt. Die jungen Leute machen einen arroganten Eindruck, sprechen französisch mit imitiertem amerikanischem Akzent. Selbst das Militär fährt amerikanische Humvees. Die typischen Schattenseiten des Kapitalismus werden natürlich gut versteckt. Eine bettelnde Frau sitzt einsam vor einem Schmuckgeschäft. Unsere syrische Begleitung erzählt uns, dass der Strom in den Wohnungen der Libanesen häufig ausfällt, beziehungsweise viele Libanesen Strom schon gar nicht mehr bezahlen können.
Was für ein Gegensatz zum unweit entfernten Nachbarland Syrien. Und während Beirut an mir vorbeizieht, und eine riesige Reklametafel für ein Auto mit den Worten: „Heute fahren – in einem Jahr mit Zinsen abzahlen“ wirbt, kehren meine Gedanken zurück nach Syrien. Ich erinnere mich an den gestrigen Nachmittag, an die unbeschwerten Straßenszenen. In Syrien glänzt nichts. In Syrien gibt es keine Fast-Food-Läden. Keine teuren Wagen. Keine grellen Lichter. Aber Syrien hat eine Identität. Diese Identität ist der Stolz der Syrer. Für die Freiheit dieses Land sind viele bereit zu kämpfen. Und grade jetzt wird mir bewusst, warum mir dieses Land so sympathisch ist. Meine Gedanken kreisen sich – es bleibt zu hoffen, dass die Syrer an ihrer Nation festhalten und den Kampf gewinnen, um frei in die Zukunft schreiten zu können!
Morgen zieht der reisende Aktivist ein Fazit zu seinen zahlreichen Eindrücken aus Syrien!