Gibt es eine Renaissance von Drieu la Rochelle?

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Pünktlich zur Buchmesse in Frankfurt erweitert ein neuer Verlag die bestehende Verlegergesellschaft in Deutschland. Der Jungeuropa Verlag (http://jungeuropa.de/ ) beginnt gleich ungewöhnlich. Das erste Werk ist nicht nur eine Übersetzung aus dem Französischen – und damit teurer als ein deutscher Roman – sondern auch noch das Werk eines mindestens „umstrittenen“, wenn nicht gar verfemten Autoren: Driue La Rochelle.

Bei dem 1893 in Paris geborenen  Pierre Eugène Drieu la Rochelle handelt es sich nicht nur um einen Intellektuellen, wie sie Frankreich viele hervorgebracht hat. Er war wohl zusammen mit Oswald Mosley (auf den diese Kategorisierung allerdings nicht hundertprozentig zutrifft) der führende Repräsentant des Eurofaschismus und arbeitete während des zweiten Weltkriegs mit dem dritten Reich zusammen.  Die Person la Rochelle ist dabei sehr schwer fassbar und steht außerhalb der üblichen Kategorien. Von der Philosophie Nietzsches inspiriert und durch die Schriften Sorels beeinflußt, erblickte Drieu in der bürgerlichen Dekadenz das Grundübel seiner Zeit. Er steht nahezu sinnbildlich für den Typus des Intellektuellen, der an sich, seinen Kollegen und seinem Umfeld verzweifelt. So ist sein Hauptwerk „die Unzulänglichen“ auch eine Abrechnung mit seinem Stand und einem Teil von sich selbst. Denn auch wenn er die bürgerliche Dekadenz und die typische Lebensweise der Bourgeoise der französischen 20er und 30er Jahre angreift, so war er doch auch ein Teil davon und hat selbst einen Teil dieser Lebensweise geführt. So er war beispielsweise ständiger Gast verschiedener Cafés und Bordelle und hatte  ein fast schon absonderliches Faible für rasch wechselnde Damenkontakte. Die Sinnlosigkeit eines derartigen Lebens blieb ihm allerdings nicht verborgen, sein Roman „L´homme couvert de femmes“ (dt. der Frauenmann) ist eine offene Abrechnung damit. Aus seiner tiefsitzenden Verachtung gegenüber dem Bürgertum lehnte er auch 1930 die vorgeschlagene Aufnahme in die französische Ehrenlegion ab.  Seine antibürgerliche Grundhaltung und seine Überzeugung die alte, morsche Gesellschaft überwinden zu müssen, waren einer der Hauptgründe für seine Hinwendung zum Faschismus. Dazu kam seine starke Bezugnahme auf Europa, das einen starken (faschistischen) Machtblock gegenüber Moskau und New York einnehmen sollte. Auch der Faschismusexperte Ernst Nolte äußerte sich über den ungewöhnlichen Franzosen:  „Drieu hat in sich das bunt schillernde, in ungreifbaren Übergängen schwer fassbare Wesen des französischen Faschismus vielleicht am anschaulichsten verkörpert.“  Sätze wie   „Der Faschismus ist die politische Bewegung der erneuerungswilligen europäischen Jugend, die nach 1918 schnell erkannt hat, dass das System der parlamentarischen Demokratie die Durchführung grundlegender sozialer und ökonomischer Reformen erschwert, wenn nicht gar ausschließt.“  sorgten dafür, daß er trotz seiner hervorragenden literarischen Qualitäten lange Zeit nach seinem Selbstmord 1945 vergessen und verdrängt wurde.

 In Frankreich begann aber nun bereits vor einigen Jahren ein Umdenken was la Rochelle angeht. 2012 kam es in Frankreich zu einer Diskussion, als Drieu, allerdings nur mit einer Teilausgabe seiner Werke, in den „Pantheon der französischen Literatur“, die Bibliothèque de la Pléiade, aufgenommen wurde, wobei niemand seine literaischen Fähigkeiten leugnete. Einzig seine positive Bezugnahme auf den Faschismus und sein Antisemitismus waren die von seinen heutigen Gegnern hervorgebrachten Argumente, ihm die Aufnahme zu verweigern.

In Deutschland hat es noch einmal  einige Jahre gedauert bis nach langer Zeit erneut ein Werk von ihm erschien. Drieus Weltkriegsband „Die Komödie von Charleroi“ erschien dieses Jahr im Manesse Verlag. In diesem verarbeitet er auch seine eigenen Erlebnisse als Soldat im ersten Weltkrieg. Nur eine wissenschaftliche Studie von 2011 im Regin Verlag mit dem Titel „Eurofaschismus und bürgerliche Dekadenz“ , welche die Europakonzeption und die Gesellschaftskritik bei la Rochelle behandelt, machten den Verfemten auch einem deutschsprachigen Publikum bekannter. Der potenzielle Leserkreis war allerdings eine Randgruppe. Eine viel größere Leserschaft könnte nun die geplante Veröffentlichung von la Rochelles Weltanschauungsroman „Die Unzulänglichen“ ansprechen. Damit dieser aber erscheint, geht der eingangs erwähnte junge Verlag auch noch einen weiteren ungewöhnlichen Schritt. Der  Verlag sammelt aktuell mittels einer Spendenkampagne ( https://gilles.jungeuropa.de/ )Gelder für die Herausgabe seines ersten Werkes.  Geplant ist bereits für die Zeit nach „Die Unzulänglichen“, die Übersetzung eines Buches von Dominique Venner soll folgen.  Das die Motivation dahinter nicht nur eine Freude an literarischen Werken aus dem Nachbarland  ist, stellt der junge Verlag aber von Anfang an klar. „Es reicht nicht mehr, einfach nur Bücher zu machen. Wir leben längst in vorrevolutionären Zeiten. Die Uhr tickt. Unsere Kultur ist vergessen. Es ist Zeit für einen Neuanfang. Europa ruft. Bergen wir längst vergessene Schätze und bezwingen das Schicksal! Die Unzulänglichen ist unser Startschuss. Bezahlen Sie die Munition?“  heißt es auf der Spendenseite.  Dieser kurze Text trifft durchaus den Geist la Rochelles. In seinen letzten Worten vor seinem Freitod äußerte er sich noch einmal zu seinem Leben und seinem Werk.

„Ich, der Intellektuelle

Ich habe mich, in der Mitte meines Lebens, in vollem Bewußtsein so verhalten, wie es meine Vorstellung von den Pflichten des Intellektuellen entsprach. Der Intellektuelle, der Gelehrte, der Künstler ist kein Bürger wie die anderen. Er hat höhere Rechte und Pflichten als die anderen. Aus diesem Grunde habe ich eine waghalsige Entscheidung getroffen; aber in Zeiten größer Umwälzung befindet sich jeder Mensch in der gleichen Lage wie der Künstler. Der Staat gibt dann keine sichere Richtung und kein genügend hohes Ziel an. So war es 1940. Der Marschall bot uns die Einheit, aber auch nur sie: Das war ein Schatten ohne Inhalt. Daher gingen Wagemutige nach Paris, andere nach London. Die in London haben mehr Glück gehabt, das letzte Wort ist im Augenblick noch nicht gesprochen. Ich bin in Paris gewesen, und zusammen mit ein paar anderen haben wir es auf uns genommen, über das Nationale hinauszugehen, der allgemeinen Meinung die Stirn zu bieten, eine Minderheit zu sein,die, mit Zurückhaltung, Zweifel, Mißtrauen betrachtet, schließlich verdammt wurde, als in El Alamein und in Stalingrad die eisernen Würfel in die Waagschale geworfen wurden. Es ist die Rolle des Intellektuellen, zumindest einiger, sich über die Ereignisse zu stellen, auch Chancen, die Wagnisse sind, zu ergründen, die Wege der Geschichte zu erproben. Auch wenn sie sich momentan irren, so haben sie doch eine notwendige Mission übernommen; woanders als die Menge zu sein. Voraus, dahinter oder daneben, das spielt keine Rolle, aber woanders zu sein. Die Zukunft ist aus dem gemacht, was die Mehrheit und was die Minderheit gesehen hat. Eine Nation ist nicht eine einzige Stimme, es ist ein Zusammenhang von vielen. Stets muß es eine Minderheit geben; wir sind sie gewesen. Wir haben verloren, wir sind zu Verrätern erklärt worden. Das ist gerecht. Ihr wäret die Verräter gewesen, wenn eure Sache besiegt worden wäre. Und Frankreich wäre um nichts weniger Frankreich geblieben; Europa Europa. Ich gehöre zu den Intellektuellen, deren Rolle darin besteht, in der Minderheit zu sein. Was heißt aber Minderheit? Wir sind mehrere Minderheiten gewesen. Es gibt keine Mehrheit. Die von 1940 hat sich in kurzer Zeit aufgelöst, die eure wird sich ebenfalls auflösen. Alles Minderheiten. Die Widerstandsbewegung. Die alte Demokratie. Die Kommunisten. Ich bin stolz, zu jenen Intellektuellen gehört zu haben. Später wird man sich neugierig über uns beugen, um einen anderen als den gewohnten Ton zu hören. Und dieser schwache Ton wird stärker und stärker werden. Ich wollte nicht ein Intellektueller sein, der vorsichtig seine Worte wägt. Ich hätte im verborgenen schreiben können (ich habe daran gedacht), schreiben in der nichtbesetzten Zone, im Ausland. Nein, man muß Verantwortung auf sich nehmen, sich zu unlauteren Gruppierungen gesellen, das politische Gesetz erkennen, wonach man immer verachtungswürdige oder verhaßte Verbündete zu akzeptieren hat. Man muß sich zumindest die Füße schmutzig machen, nicht aber die Hände. Ich habe mir die Hände nicht schmutzig gemacht, nur die Füße. Ich habe in diesen Gruppierungen nichts getan. Ich habe mich dazugesellt, damit ihr mich heute aburteilen könnt, mich auf die Ebene des geläufigen, gewöhnlichen Urteilsspruchs stellt. Richtet, wie ihr sagt, da ihr Richter oder Geschworene seid. Ich habe mich euch in die Hand gegeben, da ich sicher bin, euch nicht heute, doch mit der Zeit zu entkommen. Doch heute richtet mich, voll und ganz. Deshalb bin ich erschienen. Ihr werdet mir nicht entkommen, ich werde euch nicht entkommen. Bleibt dem Ideal der Widerstandsbewegung treu, wie ich dem Ideal der Kollaboration treu bleibe. Schummelt nicht mehr, als ich es tue. Verhängt die Todesstrafe über mich. Keine Halbheiten. Das Denken war einfach geworden, es ist wieder schwierig geworden, fallt nicht wieder in die Leichtfertigkeit zurück. Ja, ich bin ein Verräter. Ja, ich war im Einverständnis mit dem Feind. Ich habe dem Feind französischen Verstand gebracht. Es ist nicht meine Schuld, wenn dieser Feind nicht verständig gewesen ist. Ja, ich bin kein gewöhnlicher Patriot, kein vernagelter Nationalist: Ich bin ein Internationalist. Ich bin nicht nur Franzose, ich bin Europäer. Auch ihr seid es, unbewußt oder bewußt. Aber wir haben gespielt, ich habe verloren.

Ich beantrage den Tod.“

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