Reisebericht Rom Teil 2 – Die Faschisten des dritten Milleniums

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Wir waren nicht nur nach Rom gereist, um die Stadt und ihre kulturellen Höhepunkte zu erleben. Bewusst hatten wir uns das besetzte Haus der CasaPound Italia in der Via Napolone III Nummer 8 als Unterkunft ausgesucht, um uns jene Organisation anzusehen, die von vielen Nationalisten Europas als Vorbild angepriesen wird. Die Organisation und ihr Wirken kann man allerdings nur mit Rücksicht auf die italienischen Verhältnisse betrachten. Die Besetzung eines Hauses, 800 Meter vom Berliner Hauptbahnhof, durch volkstreue Aktivisten, würde sicherlich keine 14 Jahre, sondern eher 14 Minuten andauern. Trotzdem soll der Kampf der CP und die Art und Weise, wie sie in Rom ihre Stadtteilpolitik und Vernetzung betreibt, nicht geschmälert werden. Das besetzte Haus dient nicht nur Aktivisten der Bewegung als Unterkunft, sondern auch normalen italienischen Familien als Zuhause. Rund um die Uhr ist es außerdem in wechselnden Schichten besetzt und dient als Lagermöglichkeit und Anlaufpunkt. Neben dem Aufgreifen römischer Traditionen, wie ein Altar des Sieges im Haus, versucht die Organisation durch eigene Symbole wie die omnipräsente Schildkröte und verschiedenste Möglichkeiten an Plakaten, Kleidung und Kunstdrucken eine starke Identifizierung mit sich selbst zu erreichen.

Plakate der Organisation kleben überall in der Stadt

So sieht man auch bei vielen ihrer Mitglieder das Wappen der Organisation tätowiert. Neben einem dezidiert sozialen Kampf hat sich die CP besonders den Kulturkampf auf die Fahne geschrieben. Neben organisationseigenen Musikgruppen – auch der Anführer ist Sänger einer solchen Gruppe, ZetaZeroAlfa – und einer eigenen Theatergruppe gibt es eigene Kampfsportturniere, Tätowierer und Bücherläden. Der Buchladen in Rom, „Eisenkopf“, stand dabei genauso auf unserem Reiseplan wie die CP eigene Kneipe, Cutty Sark – die meistgehasste Kneipe Roms.

Die Eingangshalle des besetzten Hauses zieren die Namen verschiedener Vordenker der Bewegung, darunter auch Deutsche.

Der von Mitgliedern betriebene Buchladen „Eisenkopf“ in Rom

Es wird ein regelrechter Kult um die eigene Organisation und ihre Geschichte betrieben. Als einer der  mythischen Orte der Aktivisten gilt die römische Piazza Navona: Hier stieß am 29. Oktober 2008 die Schüler- und Studentenorganisation von CasaPound, der „Blocco Studentesco“, mit linken Studenten und Polizei bei einer Demonstration vor dem Senat der Republik zusammen. Dabei gab es Verletze und Festnahmen. Verarbeitet ist dies unter anderem in dem Buch des CP Anwalts, Domenico Di Tullio, über die Bewegung „Nessun Dolore“ (Kein Schmerz, auf deutsch erschien es unter „Wer gegen uns?“ im Antaios Verlag). Über 70 Jugendzentren zwischen Sizilien und Turin, drei Wohnhäuser für italienische Familien, zahlreiche Kneipen, Buchläden, zwei Zeitschriften, eine Umweltorganisation und Sportvereine zählen inzwischen zum Umfeld von CasaPound. Dass man sich dabei auch recht ungezwungen auf Mussolini und zum Faschismus bekennen kann, liegt an den italienischen Verhältnissen.

Kunstdrucke der Organisation, welche sich an den futuristischen Kunststil anlehnen

Dort gibt es einen weitaus ungezwungeneren Umgang mit der Vergangenheit und keinen mit Deutschland vergleichbaren Schuldkult. So verkaufen selbst Souvenierläden am Kolosseum faschistische Symbole. Immer wieder sieht man in der Stadt Plakate und Aufkleber von CasaPound, die entweder politische Forderungen beinhalten oder auf Veranstaltungen hinweisen. Die italienischen Faschisten betonen, grundsätzlich mit jedem in den Diskurs zu treten, solange er nicht rein antifaschistisch ist. Daneben bemüht man sich insbesondere um die Jugend, neben der eigenen Jugendorganisation versucht man sich den Nimbus des Rebellischen anzueignen, weswegen nicht nur antibürgerliche, linke Liedermacher vereinnahmt werden, sondern auch etwa Piraten- und Seefahrermotive bei den Tätowierungen und Kleidungsstücken recht weit oben im Kurs stehen. Das passt zwar nicht ganz in den berühmten „faschistischen Stil“, ist auch nicht kopierbar, zeigt aber interessante Einblicke. Eine Abgrenzung zur „rechten Subkultur“ scheint es wenig zu geben, eher ist man bemüht, sich eine eigene zu schaffen : CasaPound.

Roms faschistisches Viertel – EUR

Esposizione Universale di Roma (italienisch, „Weltausstellung Rom“) ist der Name eines ab 1938 im Süden Roms errichteten neuen Stadtviertels, das meist nur in seiner Kurzform Eur genannt wird. Geplant war das Viertel als Austragungsort der Weltausstellung 1942, welche unter dem Motto Olympiade der Kulturen stattfinden sollte. Normalerweise hätte diese bereits 1941 stattfinden sollen, um sie aber auf den gleichen Termin wie das 20-jährige Jubiläum der faschistischen Machtergreifung zu setzen wurde sie auf Bitten Mussolinis um ein Jahr verschoben. Wie nirgendwo anders findet man hier eine Konzentration von explizit faschistischen Bauten, in Stein gehauener Ausdruck der damaligen Weltanschauung. So verbrachten auch wir einen halben Tag allein damit, das Viertel und die bedeutendsten faschistischen Bauwerke zu besichtigen. Angesichts der teils beeindruckenden Gebäude bekommt man einen Eindruck davon, was auch in Deutschland geplant war. Alle Gebäude sind gut gepflegt und werden auch heute noch genutzt, beispielsweise der „Palazzo della Civiltà Italiana“ für Kunstausstellungen.

Der „Palast der italienischen Zivilisation“ mit der Inschrift: „Ein Volk der Dichter, der Künstler, der Helden, der Heiligen, der Denker, der Wissenschaftler, der Seeleute, der Wandernden“.

Das Verbot in Rom, Gebäude über eine gewisse Stockhöhe zu bauen, sorgt dafür, dass die wichtigsten Gebäude – sowohl in der Innenstadt, als auch im EUR Viertel – oft schon über alle anderen hinausragen. Heute ist das Viertel Sitz zahlreicher Unternehmen und Behörden sowie beliebtes Familienviertel. Der Einfluss des Faschismus auf Rom ist generell ein gewaltiger. Die freigelegten Zeugnisse der Antike und des Mittelalters – das Kapitol, das Forum Romanum, die Kaiserforen, die Engelsburg und zahlreiche Tempel – wurden erst unter der Regierung Mussolinis in der heutigen Zeit sichtbar gemacht, worauf kaum ein Reiseführer verweist. „Die Befreiung des antiken Roms“ war das Schlagwort. Einzig die 1996 geschriebene Broschüre „La Roma di Mussolini“, welche auch heute noch an Touristeninformationen teilweise verkauft wird, geht auf die bedeutende Phase der römischen Stadt ein. Nie wieder zuvor oder danach wurde die Hauptstadt auf so viele Arten und Weisen umgebaut und erweitert. Neben dem Neu- und Umbau von Gebäuden wurde auch auf viele andere Arten das Stadtbild Roms verändert, so verfügt beispielsweise das EUR Viertel über einen eigenen, künstlich angelegten See. Das berühmteste Projekt solcher Art ist dabei die Trockenlegung der pontinischen Sümpfe im Südosten Roms, ebenfalls ein Projekt Mussolinis. Überall in der Stadt lassen sich noch Tafeln, Gebäude und Einflüsse des Faschismus finden, oft unerkannt und nicht thematisiert. Doch zweifelsohne leisten grade diese Einflüsse für die Pracht und Beliebtheit Roms einen großen Beitrag.

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