In dieser mehrteiligen Serie möchten wir uns mit Julius Evolas Philosophie, dem Traditionalismus, auseinandersetzten. Als Basis dienten die folgenden Bücher Evolas: Heidnischer Imperialismus, Menschen Inmitten von Ruinen, Ride The Tiger, Revolt Against The Modern Worldund Grundrisse einer Faschistischen Rassenlehre.
Über Julius Evola
Wir möchten an dieser Stelle keine detaillierte Betrachtung Evolas Leben durchführen, da es keine besonderen Ereignisse aufweist, die uns helfen würden seine Philosophie besser zu verstehen. Nichtsdestotrotz sollen der Vollständigkeit halber einige wichtige Punkte genannt werden.
Evola, mit vollständigen Namen Giulio Cesare Andrea Evola, wurde am 19. Mai 1898 in Rom geboren, er starb am 11 Juni 1974. Er studierte in seiner Jugend Ingenieurwesen, brach das Studium trotz guter Noten jedoch ab, da er dadurch zu einem Mitglied des Bürgertums werden würde, welches er zutiefst verachtete. Stattdessen wendete er sich der Malerei zu, später der Philosophie, welche sein Hautbetätigungsfeld werden sollte. Sein bekanntester Beitrag zu dieser ist der Traditionalismus, mit welcher er an das Römische Reich anknüpfen möchte.
Evola hatte Kontakte bis in die höchsten Ebenen des faschistischen Italiens, wurde aber nie zu deren offiziellen Ideologien oder Ähnlichem ernannt. Weiterhin hatte er Beziehungen zu fast allen faschistischen Bewegungen in ganz Europa, den Nationalsozialismus mit eingeschlossen, aber auch Reaktionären und radikaleren konservativen Kräften. Durch den Kontakt zu diesen brachte man ihm, insbesondere in Deutschland, ein gewisses Maß an Misstrauen entgegen.
Warum beschäftigen wir uns mit Evola?
Die Welt in der wir leben ist bis ins innerste vom Gift des Liberalismus zerfressen. Auch wir als die Kinder dieser Welt, so sehr wir uns auch gegen sie wehren, sind davon betroffen. Kaum jemand der heute lebt, kennt eine Welt ohne Liberalismus. Einigen ist das Gift schon so sehr zum Blut geworden, dass sie sich noch nicht mal mehr eine Welt ohne in Denken können oder auch nur wollen. Die unter ihnen, die Extremformen des Liberalismus ablehnen, drehen sich deshalb im Kreis, versuchen das System von innen heraus zu reformieren und müssen doch scheitern, denn der Liberalismus pervertiert alles, was er berührt.
Wer nach Lösungen sucht, wird sie nur außerhalb des Liberalismus finden, aber was ist in dieser unbekannten Weite? Wo soll man ansetzen, wenn man nichts als Dekadenz kennt? Was weiß ein Sklave von der Welt außerhalb seines Käfigs?
Evola kann, neben anderen, unser Führer in dieser unbekannten Welt sein. Er hat richtig erkannt, dass die heutigen Krisen nicht die eines gesunden Systems sind, sondern die eines von Anbeginn zum Scheitern verurteilten. Es handelt sich also um die Negation einer Negation, nur dass die Vorzeichen sich nicht aufheben, sondern potenzieren. So folgt ein System dem nächsten, eines kränker als das Letzte. Diesem manischen Rennen nach unten stellt Evola den Traditionalismus entgegen. Eine Philosophie von solch anti-liberalistischer Reinheit, dass sie selbst den radikalsten Revolutionären als „zu extrem“ erscheinen mag. Eine Philosophie radikaler Ungleichheit und Hierarchie, im Vergleich zu der des Nationalsozialismus, das Schreckensgespenst unsere Zeit, zu einem modernen und „liberalen“ Staat wird. Wenn man im simplen Links-Rechts Schema unsere Zeit bleibt, könnte man sagen das Evola das Ende des politischen Spektrums auf der rechten Seite darstellt. Damit wird er zu einem wichtigen Referenzpunkt, an dem wir unsere eigene Position bestimmen können, selbst wenn seine Philosophie Unterschiede zu unserer eigenen Weltanschauung aufweist.
Dabei gründen sich Evolas Thesen nicht auf eine reine „Anti“-Haltung, sondern zielen auf das Errichten eines Normalzustandes ab, um den Kreislauf der Revolutionen und Gegenrevolution zu durchbrechen. Als die Fundamente seiner Philosophie dienen, neben etlichen traditionellen Staaten, insbesondere das Römische Reich, weiterhin etliche Philosophen und teils sehr esoterische Lehren aus aller Welt.
Mit den letzten beiden wollen wir uns in diesem Artikel aber, wenn überhaupt, nur am Rande beschäftigen, wir wollen hier nur einen Überblick geben und die Grundzüge Evolas Philosophie aufzeigen. Wer an den Hintergründen interessiert ist, sollte ihn am besten selbst lesen.
Weiterhin sei im Vorfeld erwähnt, dass Evola und wir an dieser Stelle ebenso, eine Betrachtung aus einer hohen Ebene, weit entfernt von tagespolitischen Gesichtspunkten, durchführen. Wie und wann, ob überhaupt und in welcher Reinheit, dieses oder jenes zu realisieren möglich ist, spielt an dieser Stelle keine Rolle. Francis Parker Yockey definierte Politik als „The art of the possible“, also die Kunst etwas unter gegebenen Umständen zu verwirklichen. Die Umstände werden immer ihren Preis von einem Ideal verlangen, was aber nicht bedeutet, dass das Ideal an sich Kompromissen zum Opfer fallen soll. Wir sind an dieser Stelle nur am Ideal interessiert.
Ein weiterer interessanter Aspekt Evolas ist seine Kritik am Nationalsozialismus und Faschismus. Kritik an diesen beiden politischen Systemen ist heute natürlich nichts Besonderes. Evolas Kritik unterscheidet sich jedoch darin, dass er den Nationalsozialismus und Faschismus von „rechts“ kritisiert, „rechts“ im Sinne von einem höheren Grad an Hierarchie und Differenzierung. Seine Kritik ist dabei keine Kritik an Kleinlichkeit oder tagespolitischen Entscheidungen, sondern findet auf einer philosophischen Ebene statt. Einige der philosophischen Unterschiede wollen wir diskutieren, indem wir die Position Evolas mit der des Nationalsozialismus und des Weltanschauungsbeauftragten der NSDAP, Alfred Rosenbergs, vergleichen. Durch das Gegenüberstellen dieser zwei, nach heutigen Standards extremem, politischen Denkweisen, zeigt sich die Vielfalt der politischen und philosophischen Systeme rechts des konservativ, demokratischen Lagers. Systeme und Philosophien, die man heute nur allzu gerne in denselben Topf wirft.
Im Folgenden wollen wir einige Begriffe definieren, die nötig sind, um alle weiteren Konzepte zu verstehen.
Tradition
Wie erwähnt ist Evolas Philosophie der Traditionalismus, daher wollen wir zuerst klären, was Evola unter „Tradition“ versteht. Wenn man heute von Tradition spricht, denken die meisten an religiöse Bräuche wie Ostern oder auch Weihnachten, aber auch bestimmte Feste oder gesellschaftliche Konventionen. Dies geht zwar schon in die richtige Richtung, nur geht Evola noch eine Ebene tiefer. Tradition, so wie er sie versteht, ist der Grund, warum die oben genannten Dinge überhaupt existieren bzw. das, was ihnen eine Form gibt. So schreibt er:
„Wenn es manchem auch widersprüchlich erscheinen mag, so ist doch derjenige, der nur insoweit
traditional ist, als er bloß katholisch im geläufigen und orthodoxen Sinne ist, nur zur
Hälfte traditional. Wiederholen wir es nochmals: Der wahre traditionale Geist gehört in
eine viel weiter gefaßte Kategorie als alles, was nur einfach katholisch ist.“
Zwar bezieht sich das Zitat auf religiöse Belange, lässt sich aber problemlos auch auf andere Bereiche ausweiten. So ist die Religion, wie zum Beispiel das Christentum, nur eine Instanz der eigentlichen religiösen Tradition. Daher können sich unterschiedliche Religionen auf die gleiche Tradition gründen, wobei jede Einzelne unterschiedliche Aspekte der Tradition verschieden stark enthalten kann, ohne mit ihr zu brechen. Die Tradition ist ein Komplex aus Werten und Ideen, die sich in unterschiedlichsten Formen manifestieren können. Daher ist Tradition nach Evola etwas Dynamisches und nicht statisch. So schreibt Evola:
„In ihrer wahren und lebendigen Bedeutung ist Tradition nicht passiver Konformismus mit dem, was gewesen ist, oder träges Fortsetzen der Vergangenheit in der Gegenwart. Die Tradition ist in ihrem Wesen etwas Metahistorisches und zugleich Dynamisches: Sie ist eine allgemeine, ordnende Kraft in engem Zusammenhang mit Prinzipien, die die Weihe einer höheren Legitimität oder, wenn man so will, von oben haben. Sie ist eine Kraft, die über
Generationen hinaus wirkt in einer Kontinuität von Geist und Inspiration, durch
Institutionen, Gesetze und Ordnungen, die eine große Verschiedenheil und
Mannigfaltigkeit zeigen können.“
Damit räumt Evola auch mit den Vorwürfen von Fortschrittsfetischisten auf, die meinen, diese oder jene Tradition sei rückständig. So mag eine Instanz oder Ausprägung der Tradition nicht mehr zeitgemäß sein, dies bedeutet jedoch nicht, dass die Werte dahinter auch veraltet sind.
Damit beenden wir den ersten Teil. Im nächsten Teil befassen wir uns mit Evolas Auffassung einer gesunden Hierarchie und seinem Konzept des Organischen Staates.